Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2017
Kein nächstes Opfer!
dokumentiert

Kassel ist der Ort, an dem Halit Yozgat als das neunte Mordopfer des NSU am 6.April 2006 in seinem Internetcafé ermordet wurde. Während der Mordzeit befand sich der damalige Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, Andreas Temme, in diesem Café.

Temme arbeitet inzwischen in der Pensionsregelungsbehörde des Regierungspräsidiums Kassel. Seine Rolle im Mordfall Yozgat ist nach wie vor umstritten. Die Fraktion DIE LINKE im Hessischen Landtag erstattete am 22.März dieses Jahres Anzeige gegen Andreas Temme wegen uneidlicher Falschaussagen vor dem Deutschen Bundestag. Hermann Schaus, Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion und Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss, erklärte dazu: «Im hessischen NSU-Ausschuss konnte nachgewiesen werden, dass Andreas Temme vor seiner vorübergehenden Festnahme am 21.April 2006 dienstlich mit dem mutmaßlichen NSU-Mord in Kassel befasst war. Jetzt ist klar, dass Temme sogar schon vor dem Mord an Halit Yozgat dienstlich mit den damals als ‹Ceska-Serie› bekannten Morden befasst war. Damit hat Temme am 11.September 2012 vor dem Deutschen Bundestag falsch ausgesagt, als er auf explizite Fragen antwortete: ‹Dienstlich war es definitiv kein Thema.›»

Bereits einen Monat nach den Morden in Dortmund und Kassel organisierte die Familie Yozgat zusammen mit der Familie ?imsek und der Familie Kuba??k den bundesweiten Trauerzug «Kein 10.Opfer», an dem 4000 Menschen teilnahmen. Die Route begann am Internetcafé und und endete am Kasseler Rathaus – das war vor elf Jahren. Mit Transparenten und Reden wiesen sie auf einen rassistischen Hintergrund der Taten hin und forderten die politischen Vertreter auf, die Mordserie zu stoppen und die Täter zu nennen. Die Angehörigen erkannten sehr früh, dass es sich hier um eine rassistische Mord- und Bombenserie handelt. Ein Jahr später wurde eine deutsche Polizistin ermordet.

Mit dem Selbstenttarnung des NSU im November 2011 bestätigte sich das Wissen der betroffenen Migrantenfamilien und ihrer Gemeinden. Im NSU-Komplex zeigen sich die Zusammenhänge von Alltagsrassismus, Rassismus in Institutionen und Behörden (siehe etwa das Racial Profiling der Polizei) und neonazistischen Gewalttaten: Die Beziehungen zwischen Opfern und Tätern werden umgekehrt, die Medienberichterstattung transportiert rassistische Vorurteile, der Geheimdienst unterhält enge Beziehungen zur rechtsextremen Szene, Neonazis beim Verfassungsschutz angestellt sind, der Verfassungsschutz finanzierte das Netzwerk NSU, Politik und Behörden verhindern Aufklärung und vernichten Beweismitteln.

Die «Initiative 6.April» lädt deshalb alle antirassistischen und antifaschistischen Gruppen zu einer Demonstration nach Kassel ein: An diesem Tag greifen wir das Motto der Trauerdemonstration «Kein 10.Opfer» auf und folgen der Einladung der Familie Yozgat zu einer Gedenkveranstaltung für Halit am Halitplatz.

 

6.4., Kassel: Demonstration und Teilnahme an der Gedenkveranstaltung am Halitplatz.

Treffpunkt: 13 Uhr am Rathaus.

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