Kurze Wahlanalyse
von Christiano Dan/Red.
Die scheidende Regierung – eine Allianz aus der rechtsliberalen VVD (Volkspartei für Freiheit und Demokratie) und der sozialdemokratischen PvdA (Partei der Arbeit) – hat eine massive Niederlage erlitten: 2012 waren beide Parteien zusammen auf 51,5% der Stimmen gekommen, 2017 sind es nur noch 27% – ein Verlust von 24,5 Prozentpunkten, also fast eine Halbierung: von 79 Sitzen auf nunmehr 42.
Die Hauptverlierer sind jedoch die Sozialdemokraten: Von 24,9% in 2012 rutschten sie auf nur noch 5,7% (–19,2 Prozentpunkte!), von 38 Sitzen auf 9! 2012 war die PvdA noch die zweitstärkste Partei des Landes, jetzt steht sie nur noch an sechster Stelle. Die VVD dagegen hat «nur» 5,3 Prozentpunkte und 8 ihrer bisherigen 41 Sitze verloren.
Die politische Achse des Landes verschiebt sich nach rechts. Die Linke im weiteren Sinne (d.h. PvdA, Groenlinks, SP, die Tierschutzpartei PvdD und die Migrantenpartei Denk sowie deren Abspaltung «Artikel 1») ging von 38,8% auf 29,5% zurück (–9,3 Prozentpunkte) und von 59 Sitzen auf 45: davon entfallen auf die SP 14 (–1), Groenlinks 14 (+10), PvdA 9 (–29), PvdD 5 (+3), Denk 3 (+3).
Was die Linke verliert geht an verschiedene Parteien der Mitte, Mitte-Rechts und der extremen Rechten: Die Liberalen von D66 haben 7 Sitze dazugewonnen (insgesamt haben sie 19), die Christdemokraten des CDA (Christdemokratischer Appell) 6 (19), die rassistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders 5 (20). Hinzu kommen noch 2 Sitze für das rechtsextreme Forum für Demokratie, 4 Sitze für die Rentnerpartei 50plus (+2) und zusammen 8 Sitze für die calvinistisch-konservativen Parteien CU und SGP (jeweils ±0).
Der Zusammenbruch der PvdA fügt sich ein in die allgemeine europäische Tendenz. Der Stimmenanteil der PvdA ist mit 5,7% der niedrigste in der Nachkriegszeit (ihr bestes Ergebnis erzielte sie 1978 mit 33,8%). Die Partei zahlt den Preis dafür, dass sie Teil einer Regierung war, die neoliberale Rezepte umgesetzt hat, wobei sie sich in keiner Weise von der rechtsliberalen Partei Mark Ruttes unterschieden hat.
Die antikapitalistische Linke hat von der Krise der Sozialdemokratie nicht nur nicht profitiert, sondern sogar einen Rückschlag erlitten. In der politischen Landschaft der Niederlande lässt sich von den größeren politischen Formationen nur die Sozialistische Partei (SP) – mit weit zurückliegenden maoistischen Wurzeln – als antikapitalistisch bezeichnen.
Ein Mangel der SP ist, dass sie allem, was über soziale und ökonomische Fragen hinausgeht, nur einen geringen Stellenwert zumisst. Insbesondere hat sie die Bedeutung des Antirassismus bei diesen Wahlen nicht verstanden – eine Frage, die besonders die junge Generation mobilisiert hat. Diese scheint sich in großer Zahl Groenlinks zugewandt haben, die sich den Antirassismus auf die Fahnen geschrieben hat. Entsprechend sank der Anteil der SP von 9,7% auf 9,1% und sie verlor einen Sitz.
Aber auch mit diesem Ergebnis bestätigt die SP ihre Bedeutung als eine der wichtigen Komponenten der europäischen antikapitalistischen Linken und man kann nur hoffen, dass die Partei Lehren aus dieser Erfahrung zieht.
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