Reihe Arbeit 4.0
von Werner Seppmann*
Gleichgültig wie und an welcher Stelle des Industriesystems sie eingesetzt wird: Das Kapital kann, um seine (Selbst-)Verwertung sicherzustellen, auf die lebendige Arbeit nicht verzichten!
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden optimale Automatisierungsergebnisse in der materiellen Produktion dort erzielt, wo (teil)automatisierte Prozesse und menschliche Arbeit aufeinander abgestimmt sind. Die menschliche Arbeit scheint sich also eher in neue Formen zu verlagern, als vollständig von Robotern und Maschinen ersetzt zu werden. Das entspricht einem faktischen Sachzwang, denn auch weitgehend automatisierte Produktions(teil)abläufe haben vielfältige Formen traditioneller und neuer Arbeit zu ihrer Voraussetzung.
So geht es bei den voranschreitenden Digitalisierungsprozessen auch nicht um die Umsetzung von Fantasien über die vollständige Verdrängung lebendiger Arbeit, sondern etwa um die konkrete Frage, in welchem Zeitraum in der deutschen Automobilindustrie die Quote der durch Roboter ersetzten Arbeitsplätze von derzeit 10% auf 25% erhöht werden kann (so die aktuelle Zielvorgabe bei Volkswagen). Denn selbst bei dem Bemühen, diese Quote zu erreichen, bleibt es immer noch eine offene Frage, wie viele Produktionsschritte sich tatsächlich automatisieren lassen. Die digital gesteuerten Produktionsaggregate laufen bei weitem nicht so unproblematisch, wie es von den Roboterverkäufern in ihren Prospekten dargestellt wird. Es ist immer noch höchst problematisch, alle betrieblichen Prozesse zentral zu steuern, noch immer müssen die unterschiedlichsten Systeme in mühevoller Korrekturarbeit in Übereinstimmung gebracht werden.
Weiterhin gibt es größte Differenzen zwischen dem experimentellen Einsatz dieser Technologie und den realen Anforderungen in der Praxis: IT-technologische Steuerungs- und Überwachungssysteme mögen zwar Unregelmäßigkeiten in den Produktionsabläufen erkennen und Selbstregulierungsmechanismen der Maschinen in Gang setzen – nach aller bisherigen Erfahrungen jedoch mit einer hohen Fehler- und Ausfallquote. Das Nadelöhr für die «automatische Produktion» sind die verfügbaren Programme zur Fehlerkorrektur: Sie wurden zwar weiterentwickelt, sind auch in der Lage, mehr Fehler als früher anzuzeigen, aber in den realen Produktionsvorgängen sind sie noch weit von «Selbstregulierungskompetenzen» entfernt.
Die Stunde der Wahrheit kommt, wenn eine nicht vorgesehene Störung eintritt, auf die nicht programmgesteuert reagiert werden kann. Dann muss eben doch der Reparaturtrupp in Marsch gesetzt werden. In der Regel ist es dann aber schon zum Stillstand des gesamten Produktionsablaufs gekommen, den qualifizierte Beschäftigte, die sofort und kreativ hätten eingreifen können, verhindert hätten.
* Von Werner Seppmann ist soeben im Mangroven-Verlag Kassel das Buch Kritik des Computers. Der Kapitalismus und die Digitalisierung des Sozialen erschienen (300 S., 16,80 Euro).