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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2017

Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter engagieren sich für Klimaschutz
von Bea Sassermann*

Aufgrund des alarmierenden Klimawandels sind heiße Diskussionen um den Braunkohletagebau entbrannt. Politiker erklimmen rhetorische Höhen auf Klimagipfeln, Gewerkschaften sorgen sich um Arbeitsplätze, Anwohner müssen riesigen Kratern weichen, Aktivisten besetzen Schaufelbagger.

Besonders letzteres hat im vergangenen Jahr die Gewerkschaft IG BCE auf den Plan gerufen. Sie zog mit der aggressiven Kampagne «Schnauze voll» und dem Totschlagargument «Arbeitsplätze erhalten» gegen das Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier zu Felde. Die Kampagne stieß auf breite Kritik. Eine geplante Demonstration gegen die Umweltaktivisten wurde am Ende dann abgesagt.

Als Reaktion auf die Kampagne bildete sich im Sommer 2016 die Initiative «Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Klimaschutz». Sie möchte das Augenmerk darauf lenken, dass es unverantwortlich ist, zerstörerische Arbeitsplätze zu verteidigen. Für sie als Gewerkschafter ist es natürlich selbstverständlich, dass für die Beschäftigten und die Regionen zukunftsfähige Alternativen geschaffen werden müssen. Damit ist nicht das übliche Verständnis von Sozialverträglichkeit gemeint, die mit möglichst hohen Abfindungen den Betroffenen das Ende versüßen soll, bzw. die Beschäftigten in den Frühruhestand oder in Beschäftigungsgesellschaften entlässt. Das ist zu wenig.

Der Umbau der Energieversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe. Dabei gehören auch die Macht der Konzerne, deren Lobbyerfolge in der Politik und der Wachstumszwang der kapitalistischen Gesellschaft auf den Prüfstand. Ausstiegsszenarien bis 2040 oder später werden den Herausforderungen nicht gerecht. Klimabewegung und Gewerkschaften sollten gemeinsam für Klima- und soziale Gerechtigkeit in die Offensive  kommen. Die Umsetzung von Arbeitszeitverkürzung könnte hilfreich sein. Dazu müssten die Gewerkschaften sich aber mehr in Bewegung setzen. Gemeinsam könnte man mehr bewirken.

Wir sollten unseren Planeten nicht verfeuern, es sei denn wir vertreten die Auffassung «Nach mir die Sintflut».

Keine Angst vor Umweltschützern

Nicht alle Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind mit dem kohlefreundlichen Kurs ihrer Organisation einverstanden. Die Gründe sind hinlänglich bekannt. Die Braunkohle ist ein Klimakiller, das Rheinische Braunkohlerevier die größte CO2-Quelle in Europa. Aber es geht nicht nur um das Klima. Bekanntermaßen werden zur Gewinnung der Kohle Orte untergebaggert, Menschen verlieren ihren angestammten Wohnort. Die Kraftwerke stoßen Schadstoffe aus. Es gibt zahlreiche Studien, die frühzeitige Todesfälle bzw. Erkrankungen durch Feinstaubbelastung dokumentieren. Die deutschen Steuerzahler spendieren Milliarden für die Sanierung der Folgeschäden (Ewigkeitskosten) nach Beendigung des Abbaus.

Wie ist es möglich, dass solche Fakten in manch gewerkschaftlichen Kreisen in Frage gestellt werden? Ist es Standortpolitik im Unternehmerinteresse seitens der Beleschaftsvertreter, ist es mangelnder Mut oder pure Einfallslosigkeit, was die Alternativen angeht? Warum wird die gewerkschaftliche Energie nicht darauf gerichtet, eine offensive Debatte für zukunftsfähige Alternativen für die Beschäftigten anzustoßen? Warum sich als RWE-Mitarbeiter nicht mal ein paar Stunden auf das Klimacamp wagen und mitdiskutieren oder Klimaaktivisten mal ins Betriebsratsbüro einladen?

Das Geschäft der Unternehmer zu machen, hat sich selten ausgezahlt. Sie sagen Adieu, wenn es ihnen beliebt, egal wie hoch die Steuervergünstigungen waren, die sie kassierten. Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass es in dem System des Fressens oder Gefressenwerdens keine Rolle spielt, wie viel Verzicht und Anpassung die Arbeitenden zuvor geleistet, wie viel ihrer Gesundheit sie an den Arbeitsplätzen gelassen haben und wie brav ihre Gewerkschaft war. Am Ende sollen sie die Rechnung zahlen.

 

Die Initiative «Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter für Klimaschutz» lädt ein zu einem Workshop «Strukturwandel und sozialverträglicher Ausstieg aus der Kohleverstromung» am 21.August um 10 Uhr auf dem Klimacamp bei Erkelenz im Rheinland.

* Beatrix Sassermann ist ehemalige Betriebsrätin, aktiv in der genannten Initiative und in der Basisinitiative Solidarität (BaSo).

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1 Kommentar
  • […] Wissen, wo unsere Interessen liegen: Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter engagieren sich für Klimaschutz “Aufgrund des alarmierenden Klimawandels sind heiße Diskussionen um den Braunkohletagebau entbrannt. Politiker erklimmen rhetorische Höhen auf Klimagipfeln, Gewerkschaften sorgen sich um Arbeitsplätze, Anwohner müssen riesigen Kratern weichen, Aktivisten besetzen Schaufelbagger.Besonders letzteres hat im vergangenen Jahr die Gewerkschaft IG BCE auf den Plan gerufen. Sie zog mit der aggressiven Kampagne «Schnauze voll» und dem Totschlagargument «Arbeitsplätze erhalten» gegen das Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier zu Felde. Die Kampagne stieß auf breite Kritik. Eine geplante Demonstration gegen die Umweltaktivisten wurde am Ende dann abgesagt. (…) Der Umbau der Energieversorgung ist eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe. Dabei gehören auch die Macht der Konzerne, deren Lobbyerfolge in der Politik und der Wachstumszwang der kapitalistischen Gesellschaft auf den Prüfstand. Ausstiegsszenarien bis 2040 oder später werden den Herausforderungen nicht gerecht. Klimabewegung und Gewerkschaften sollten gemeinsam für Klima- und soziale Gerechtigkeit in die Offensive  kommen. Die Umsetzung von Arbeitszeitverkürzung könnte hilfreich sein. Dazu müssten die Gewerkschaften sich aber mehr in Bewegung setzen. Gemeinsam könnte man mehr bewirken…” Artikel von Bea Sassermann in der Soz Nr. 07/2017 […]


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