von Ute Abraham
Im September tourte der Deutsche Hebammenverband (www.hebammenverband.de) durch Deutschland, um vor der Bundestagswahl auf die Situation in der Geburtshilfe aufmerksam zu machen. Nicht einfach! Während des Wahlkampfs hat das Thema wenig Wellen geschlagen. Von den kandidierenden Parteien waren es lediglich DIE LINKE und die Grünen, die sich Gedanken insbesondere über den Einsatz von Hebammen in strukturschwachen Regionen gemacht haben.
Von den geschätzten 23000 praktizierenden Hebammen sind 80 Prozent freiberuflich oder als Beleghebamme tätig. Von denen, die im Krankenhaus beschäftigt sind, arbeiten lediglich 20 Prozent in Vollzeit. Nach einer Studie aus dem Jahr 2015 fehlten durchschnittlich in jedem Kreißsaal 1,6 Vollzeitbeschäftigte. Das hat Auswirkungen. Die meisten Hebammen in deutschen Kreißsälen betreuen eine unverhältnismäßig hohe Anzahl von Gebärenden gleichzeitig, obwohl eine 1:1-Betreuung nachweislich die Gesundheit von Mutter und Kind verbessert. Von den freiberuflichen Hebammen hilft nur noch ein Bruchteil den Babys auf die Welt. Die meisten bieten Geburtsvorbereitungskurse an und begleiten Frauen im Wochenbett. Mittlerweile hat der Hebammenverband eine Landkarte der Unterversorgung auf seiner Homepage angelegt. Die Landkarte ist zwar nicht repräsentativ, zeigt aber, wie schlecht es um die Versorgung bestellt ist.
Die Geburt, ein Verlustgeschäft
Der Beruf der Hebamme ist ein klassischer Frauenberuf mit hoher gesellschaftlicher, aber geringer ökonomischer Anerkennung. Die Privatisierung und Ökonomisierung im Gesundheitswesen führt zu weitreichenden Veränderungen wie etwa die Schließung von Krankenhäusern und Geburtsabteilungen. Die Abrechnungsmodalitäten und hohe Haftpflichtprämien sorgen dafür, dass ein Berufsstand mit langer Tradition langsam ausstirbt. So zahlen die Kassen für einen Kaiserschnitt ein Vielfaches vom Betrag einer natürlichen Geburt. Der große Unterschied: Der Kaiserschnitt ist meistens in 30 Minuten erledigt, während eine natürliche Geburt auch schon mal 20 Stunden und länger dauern kann und sehr personalintensiv ist.
Besonders gravierend ist jedoch die stetig steigende Haftpflichtversicherung, die bereits 2015 zu Protesten führte und viele Hebammen zum Ausstieg aus ihrem Job. Damals reagierte die Bundesregierung. Es wurden Verhandlungen geführt, die jetzt während der neuen Proteste zu einem Schiedsspruch führten. Ergebnis: Die Vergütung der freiberuflichen Hebammenleistungen steigt um 17 Prozent, der Betreuungsschlüssel wurde auf 1:2 festgelegt. An den Rahmenbedingungen wurde jedoch nichts geändert – etwa der Einrichtung eines Haftungsfonds, der Hebammen von privaten Versicherungen unabhängig machen würde.
Die eine «richtige» Geburt gibt es nicht. Gebärende haben das Recht zu entscheiden, wo und wie ihr Kind zur Welt kommt: ob zu Hause, in einem Geburtshaus oder in einer Klinik, ob sie eine natürliche oder klinische Geburt wollen. Sie haben ein Recht auf ein sicheres, vertrauenerweckendes Umfeld inklusive einer professionellen, individuellen Betreuung durch eine Hebamme. Ohne Hebammen nutzen diese Rechte jedoch wenig.
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