von Violetta Bock
Eine Woche vor der Bundestagswahl setzten in Berlin etwa 10000 Menschen unter dem Motto «We’ll come United – für das Recht auf soziale Rechte» ein klares Zeichen gegen Rassismus und die Verschärfungen des Asylrechts.
Vor dem Innenministerium sammelten sich die Demonstranten frühzeitig, um die letzten Verkleidungen für den CommUnity Carnival fertig zu stellen und die mit Bussen Anreisenden zu empfangen. Das Karnevalmotto sollte zu einer möglichst bunten, antirassistischen Parade beitragen. Vor dem Ministerium wurde ein meterlanges Banner ausgerollt, darauf standen die Namen von über 17000 Menschen, die seit 1993 bei dem Versuch, nach Europa zu kommen oder dort zu bleiben, gestorben sind – bei weitem keine vollständige Liste.
Es entstand ein bunter Zug und es ähnelte dem Durchzappen durchs Fernsehprogramm, an der Parade entlangzugehen. Alle 30 Meter ein neuer Wagen mit anderer Musik, Reden und Botschaften in den verschiedensten Sprachen. Laut Schätzungen waren gut die Hälfte der Teilnehmer Flüchtlinge. Nur die Botschaft war eine gänzlich andere als der überall in den Medien beschworene Rechtsruck.
So sah man bunt verzierte Themenwagen etwa der Oromo, einem unterdrückten Volk in Äthiopien, einen großen Block gegen Abschiebungen nach Afghanistan, Jugend ohne Grenzen, ein Wagen war mit einer Styropormauer verkleidet, die zu Beginn des Umzugs zerschlagen wurde. Auf dem echten Wasser wurde die Parade von einem Schlauchboot des Vereins «Sea-Watch» begleitet, das parallel auf der Spree fuhr. Nach einer gemeinsamen Zwischenkundgebung mit dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung am Humboldtforum wuchs die Demonstration auf etwa 10000 Personen an und zog mit 20 Wagen zum Oranienplatz in Kreuzberg, der seit dem eineinhalbjährigen Protestcamp 2012 zum Symbol des Widerstands und der Selbstorganisation von Geflüchteten geworden ist.
«Welcome United ist für uns alle der Höhepunkt dieses Wahlkampfs, in dem über uns entschieden wird, wir aber nicht gefragt werden. Wir haben bereits vor dieser Wahl gewählt: Das Recht hier zu sein, das Recht auf Schule, das Recht auf Arbeit, das Recht, unsere Familien bei uns zu haben. Für uns war es ein wunderschöner Tag, der uns noch lange bewegen wird», sagte Newroz Duman, Sprecherin der Initiative. «Nahezu alle etablierten Parteien wollen das Asylrecht abbauen und schlagen uns auf ihren Wahlkundgebungen mit ihren Reden offen ins Gesicht. Wer uns Kriegsflüchtlingen den Familiennachzug verwehrt, wer uns im Mittelmeer ertrinken lässt und Internierungslager in der libyschen Wüste bauen will, wer uns eiskalt nach Afghanistan abschiebt, der muss mit unserem Widerstand rechnen.»
Ziel der Parade war, die Unsichtbaren sichtbar zu machen, die Willkommenskultur, getragen von immer noch Tausenden ehrenamtlichen Helfern, in einem Demonstrationszug auf der Straße zu zeigen. Erfreulich ist, dass es tatsächlich gelungen ist, Menschen aus den verschiedensten Communities nach Berlin zu mobilisieren. Allein 30 Busse kamen aus den verschiedensten Orten. Spenden waren eingeworben worden, um die Ticketpreise möglichst niedrig zu halten und so für manche ihre erste Fahrt nach Berlin zu ermöglichen. Über hundert Organisationen hatten dazu aufgerufen, von der Afghan Refugees Movement über Medico international bis hin zu den Flüchtlingsräten fast aller Bundesländer sowie verschiedene antirassistische und linke Organisationen. Vermisst hat man die Gewerkschaften, obwohl viele Flüchtlinge längst im Arbeitsalltag angekommen sind.
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