Der Kohleausstieg steht auf der Tagesordnung
von Wolfgang Pomrehn
Es war nicht viel erwartet worden, und es ist nicht allzu viel herausgekommen, bei dieser Klimakonferenz. Zum 23. Mal hatte man sich getroffen, seitdem die UN-Klimaschutzrahmenkonvention in Kraft getreten ist. Darin haben sich die Staaten der Welt – und es haben tatsächlich inzwischen alle, oder so gut wie alle UN-Mitglieder, auch die USA, die Konvention ratifiziert – verpflichtet, das globale Klima zu schützen und gefährliche Veränderungen zu vermeiden. Seitdem ist viel zu wenig geschehen und die Industriestaaten haben ihre Emissionen bei weitem nicht genügend reduziert, um den Anstieg in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu kompensieren, wie einst versprochen, aber vertraglich nie richtig fixiert worden war.
Gemessen daran könnte man bescheiden mit den diesjährigen Ergebnissen des Bonner Gipfels zufrieden sein, wenn nicht die Treibhausgasemissionen weiter steigen würden und sich das «Fenster der Möglichkeiten» zu schließen begänne, wie Klimawissenschaftler immer eindringlicher warnen. Zwar haben die erneuerbaren Energieträger inzwischen in vielen Ländern den Durchbruch geschafft, zwar konzentriert sich inzwischen weltweit die Mehrheit des im Stromsektor neu investierten Kapitals auf Wind, Wasser und Sonne. Doch offensichtlich reagiert der Markt nicht schnell genug. Das hat natürlich nicht zuletzt damit zu tun, dass nach wie vor enorme Mengen an Kapital in der Öl- und Autoindustrie und auch im Kohlebergbau und in Kohlekraftwerken stecken. Bei letzterem wird hierzulande allerdings langsam das Stadium der Leichenfledderei erreicht, wie unter anderem Vattenfalls Verkauf seines Braunkohlegeschäfts in Ostdeutschland an einen äußerst windigen tschechischen Fonds zeigt. Doch selbst dessen Einfluss reicht noch aus, um den Brandenburger SPD-Wirtschaftsminister zu bewegen, die Klimaschutzziele seines Bundeslandes aufzuweichen.
Insofern kann man sagen, dass die Bonner Klimakonferenz doch ein wichtiges Ergebnis gebracht hat: Der Kohleausstieg steht endlich auf der Tagesordnung. Zum einen hat sich eine Allianz von bisher 20 Ländern und einigen US-Bundesstaaten gefunden, die sich zum Ausstieg aus der Kohlenutzung verpflichten – darunter Italien, die Niederlande, Großbritannien und Kanada. Immerhin.
Allerdings spielt in keinem der beteiligten Länder die Kohle eine größere Rolle in der Energieversorgung, in einigen sogar gar keine. Außerdem hält Kanada an seinem unglaublich zerstörerischen und emissionsträchtigen Abbau von Teersanden fest, aus denen mit viel Energieaufwand Rohöl synthetisiert wird. Das ist natürlich nicht besonders konsequent, aber die Allianz wird dafür sorgen, dass zumindest das Thema Kohleausstieg immer wieder in den Verhandlungen auftaucht, und kanadische Umweltschützer haben in ihrem Kampf gegen die Teersand-Ölpipelines ein zusätzliches Argument. Für den hiesigen Kampf für wirksamen Klimaschutz ist es ebenfalls ganz nützlich, wenn auf die Anti-Kohle-Allianz und auf Nachbarländer verwiesen werden kann, die zum Teil einen Ausstieg noch im nächsten Jahrzehnt planen.
Wichtiger war, was sich in Bonn auf der Straße und im benachbarten rheinischen Braunkohlerevier abgespielt hat: Erfreulich international besetzte Aktionen und Deutschlands bisher größte Klimaschutzdemo haben zweierlei gezeigt. Erstens ist Klimaschutz nicht mehr allein die Angelegenheit von Grauhaarigen, wie man noch vor ein paar Jahren meinen konnte. Es gibt eine neue Generation von jungen Radikalen, die sich nicht die Zukunft von profitfixierten Politikern und Konzernchefs versauen lassen wollen. Damit steht der Kohleausstieg auch in Deutschland auf der politischen Tagesordnung. Vor zehn oder auch sieben Jahren, als noch an diversen Standorten – oft erfolgreich – gegen den Neubau von Kohlekraftwerken gekämpft werden musste, da wurde man angeschaut, als käme man vom Mars, wenn man sagte, dass 2030 das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden muss. Heute ist dieser Diskurs etabliert und muss nun kräftig befeuert werden.
Schließlich muss aber noch auf einen blinden Fleck der Bonner Konferenz hingewiesen werden: Alle Staaten sind sich einig, dass jährlich 100 Milliarden US-Dollar benötigt werden, um den ärmsten Ländern bei einer klimaneutralen Entwicklung zu helfen, und um in den Entwicklungsländern die Anpassung an jene Folgen des Klimawandels zu finanzieren, der nicht mehr zu verhindern ist. Küstenschutz in Bangladesh wäre zum Beispiel so eine Aufgabe. Doch das Geld fließt nicht. Die gemachten Zusagen reichen nicht im entferntesten an die notwendige Summe heran. Außerdem scheuen sich die Industriestaaten, von Kompensation zu sprechen. Sie wollen nicht für die Schäden, die ihre Emissionen angerichtet haben, haftbar gemacht werden. Das Thema Klimagerechtigkeit, von dem viele Aktivisten in Bonn und in den Braunkohlegruben sprachen, muss daher in den nächsten Jahren noch viel stärker ins öffentliche Bewusstsein gebracht werden.
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