von Ute Abraham
Das Ergebnis der Bundestagswahl im September 2017 war in vielerlei Hinsicht niederschmetternd. Hier sei nur auf einen Aspekt eingegangen, den Frauenanteil im neuen Parlament. Im Vergleich zum Frauenanteil im Zeitraum 1969–1972 (6,6 Prozent) ist er derzeit mit 31 Prozent nahezu paradiesisch, zerstört aber die Hoffnung, dass sich – wenn auch im Schneckentempo – das Geschlechterverhältnis in den politischen Parteien, und damit sichtbar im parlamentarischen System, stetig positiv verändern würde.
Der Rückgang ist dem geringen Frauenanteil bei der AfD (11 von 94 Abgeordneten) und der FDP (18 von 80) geschuldet. Die CDU, die eine freiwillige 30-Prozent-Quote für Listenplätze hat, sitzt nur mit knapp 20 Prozent Frauen im Parlament. Anders bei der SPD, die eine verpflichtende Quote von 40 Prozent hat. Die Grünen und DIE LINKE, für die eine Mindestquote von 50 Prozent verpflichtend ist, erfüllen diese ebenfalls.
Auf Landesebene fällt das Ergebnis unterschiedlich aus. In Thüringen ist der Frauenanteil im Parlament mit 40,6 Prozent am höchsten, Sachsen-Anhalt findet man am unteren Ende mit einem Anteil von 24,4 Prozent. In der Kommunalpolitik – oft als Fundament der Demokratie bezeichnet – haben Frauen den geringsten Einfluss. Dort liegt ihr Anteil an den Gemeinderäten in Städten ab 10000 Einwohner gerade mal bei 24 Prozent. In kleineren, ländlichen Gemeinden sind noch frauenfreie Zonen zu entdecken.
Seit ein paar Jahren wird in verschiedenen Foren mit Politikerinnen über die Möglichkeiten gesetzlicher Paritätsregelungen diskutiert. Initiativen wurden nicht ergriffen, weil es dazu in der großen Koalition keine Mehrheit gab und die Diskussion eher als Juristenstreit geführt wurde.
Für die neue Frauenbewegung war die Forderung nach einer Quote immer verbunden mit einer feministischen Vision. Sie wurde in einem gesellschaftlichen Zusammenhang gesehen. Sie war nicht Ersatz für, sondern Teil einer Veränderungsstrategie und ein verbindendes Element der unterschiedlichen politischen Strömungen der Frauenbewegung. Durch die Quotierung in Verbindung mit Frauenförderung (Gleichstellungspolitik) sollten politische Maßnahmen ergriffen werden, die bindend und verpflichtend jegliche Diskriminierung, Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen abschafft. Dieses Ziel bürgerlicher Gleichstellung wurde als politischer Sprengsatz der kapitalistischen Ordnung gesehen, deren Macht u.a. auf Spaltung beruht.
Auch wenn hier nur die politische Vertretung von Frauen berücksichtigt wird, die Forderung nach einer Quote und zwar halbe halbe, umfasste alle Lebensbereiche. Daher war auch der damalige Kampf um die 35-Stunden-Woche eine zentrale Forderung für den Eintritt von Frauen ins Erwerbsleben und Voraussetzung für die Teilung der reproduktiven Arbeit in der Familie.
Damit die Forderung nach einer paritätischen Besetzung der politischen Gremien keine neoliberalen Blüten trägt – wie z.B. Frauen in die Bundeswehr und die Aufhebung des Nachtarbeitsverbots im Namen der Gleichberechtigung – braucht es Räume für die Rückeroberung feministischer Utopien. Oder um es mit den Worten von Gisela Notz zu sagen: «Was damals existierte und heute fehlt, ist ein breit angelegtes Emanzipationsprojekt. Ein Blick zurück ist deshalb essenziell, um eine Zukunftsperspektive zu eröffnen, die sich den aktuellen Herausforderungen des Kapitalismus stellt.»
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