von Manfred Dietenberger
Seit Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit der Bezahlung von Betriebsräten bei VW. Denn wenn der VW-Konzern dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh zu viel «Gehalt» gezahlt hat, könnte das Unternehmen auch zu hohe Betriebsausgaben angesetzt und damit dem Fiskus zu wenig Steuern gezahlt haben.
Bei einer Razzia Mitte November rückten Vertreter der Staatsanwaltschaft Braunschweig und der Finanzbehörden in Kompaniestärke in Wolfsburg an und untersuchten das Büro von Osterloh sowie die Räume von Personalvorstand Karlheinz Blessing und Finanzvorstand Frank Witter. Die Ermittlungen richten sich auch gegen Blessings Vorgänger Horst Neumann sowie gegen den Personalchef der Marke VW, Martin Rosik, und dessen Vorgänger, Jochen Schumm.
Mit dieser Aktion kommt der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende wieder einmal unter medialen Beschuss. Wieso und warum gerade jetzt? Gilt Osterloh doch laut Staatsanwaltschaft zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiterhin lediglich als Zeuge. Es riecht deshalb streng danach, dass auch die im März 2018 anstehenden Betriebsratswahlen etwas damit zu tun haben könnten. Der im Verhältnis zu anderen Unternehmen relativ große Einfluss der Belegschaftsvertreter, der Gewerkschaften und der öffentlichen Hand auf den VW-Konzern ist wohl ein weiterer Grund.
Das Doppelte geht
Der Unternehmenskoloss steht vor einer epochalen Neuausrichtung in Richtung E-Mobilität. Der gelernter Industriekaufmann Osterloh, seit 1972 IG-Metall-Mitglied, fing 1977 bei VW als Bandarbeiter in der Produktion an und wurde bald darauf schon zum Vertrauensmanns seiner Abteilung gewählt. 1990 wählten ihn die Kollegen zum Vertrauenskörperleiter (2500 Vertrauensleute). 2005 wurde er zum Vorsitzenden des Konzernbetriebsrats gewählt, da sein Vorgänger Klaus Volkert wegen Korruptionsaffären und Lustreisen zurücktreten musste.
2005 ging Osterloh noch recht offen mit der Höhe seines Gehalts um und gab an, 6500 Euro brutto im Monat zu verdienen, das entspricht der niedrigsten Stufe des Abteilungsleitergehalts bei VW. Klaus Volkert, sein Vorgänger in der Funktion des Gesamtbetriebsratsvorsitzenden, verdiente in der Spitze bis zu 700000 Euro.
Osterloh kommentierte das damals mit den Worten: «Ich könnte und wollte ein solches Einkommen für mich wohl kaum erklären.» 2007 postulierte Osterloh gegenüber der FAZ: «Für mich ist wichtig, mit meinem Gehalt keinen Neid auszulösen. Wenn ein VW-Mitarbeiter 30000 oder 50000 Euro verdient, glaube ich nicht, dass er ein Problem damit hat, wenn der Betriebsratsvorsitzende das Doppelte verdient. Wenn es aber das Zehn- oder Zwanzigfache ist, führen wir eine ganz andere Diskussion.»
Meine Tante, deine Tante
Genau die wird Osterloh nun führen müssen. 2009 sagte Osterloh im Stern zum Thema Entlohnung: «Die Prämisse heißt für mich immer: Ich muss meinen Kolleginnen und Kollegen die Höhe meines Gehalts erklären können.» Und noch 2015 lehnte Osterloh den ihm vom damaligen VW-Chef Winterkorn angebotenen lukrativen Posten als VW-Personalchef ab – der mit einer 26fachen Gehaltserhöhung verbunden gewesen wäre –, um nicht als «gekaufter» Betriebsrat dazustehen. Und nochmal zur Erinnerung und Konkretisierung: Ein Facharbeiter am Band (was Osterloh anfangs war) verdiente 2016 rund 3500 Euro brutto monatlich, mit Zulagen landete er bei gut 50000 Euro im Jahr.
Was Bernd Osterloh (60), Gesamtbetriebsratsvorsitzender des VW-Konzerns, heute an Gehalt einsteckt, lässt sich nicht genau beziffern. Sein «Grundgehalt» dürfte sich derzeit bei rund 200000 Euro im Jahr bewegen, zuzüglich Boni summiert es sich sein Jahresgehalt – je nach Geschäftslage des Autokonzerns – auf bis zu 750000 Euro, also 62500 Euro im Monat. Was er dazu noch für sein Aufsichtsratsmandat erhält, fällt nicht so arg ins Gewicht, da IG-Metall-Mitglieder satzungsgemäß ihre Tantiemen zu fast 100 Prozent an die Hans-Böckler-Stiftung abführen müssen. Die IG Metall überprüft das streng und stellt die säumigen Zahler in der Zeitung Metall bloß.
Dass Betriebsräte im Kapitalismus viel Arbeit haben und dass ihre Arbeit anständig entlohnt werden muss, steht außer Frage. Die Arbeit eines Mitglieds des Betriebsrats muss laut Betriebsverfassungsgesetz «ehrenamtlich» und «unentgeltlich» sein. Bei Betriebsratsmitgliedern, die viele Jahre freigestellt sind, wird eine fiktive Berufsentwicklung unterstellt. Das heißt, der Betriebsrat bekommt das Gehalt eines «Vergleichsarbeitnehmers», behält also mindestens sein altes Gehalt, kann aber später auch höher eingruppiert werden.
Dann aber kreist alles weitere um die Frage, wie sich jemand beruflich entwickelt hätte, wenn er nicht seine Arbeitskraft in den Dienst des Betriebsrats gestellt hätte. Korrupte Betriebsräte können relativ leicht bei ihrer Gehaltserhöhung selbst nachhelfen. Das geht per «Betriebsratstandem» so: Ein freigestellter Betriebsrat sucht einen früheren Kollegen, der auf einer ähnlichen Position arbeitete. Als Betriebsratsmitglied setzt er sich regelmäßig für dessen Beförderung ein, um dann selbst auch ein entsprechend höheres Gehalt zu fordern.
Nicht wenige Unternehmensführungen fördern dies geradezu. Warum? Die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften sind je zur Hälfte mit Arbeit«nehmern» und Arbeit«gebern» besetzt. In diesem Gremium entscheiden die Betriebsräte über die Besetzung und Vergütung des Vorstands mit, der wiederum über die Beförderungen der Betriebsräte in ihrer fiktiven Karriere entscheidet. Ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis also. Die «Arbeitnehmervertreter» im Aufsichtsrat winken hohe Vergütungen für den Vorstand durch, weil sie im Gegenzug auch eine wollen. Von einer hohen Bezahlung der Betriebsräte versprechen sich die Arbeitgeber ein kooperativeres Verhalten bei Tarifverhandlungen und/oder sie «belohnen» die effektive Zusammenarbeit in der Vergangenheit, etwa bei sog. «Standortsicherungsverträgen» oder Entlassungen.
Notwendige Nachschrift: Auf Vorschlag des IG-Metall-Vorstands und mit dem Segen der Spitze der Unionsfraktion wollte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) 2017 eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes lautlos im Schlepptau des «Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassen des Baugewerbes» beschließen lassen. Ende Juni 2017 scheiterte das Vorhaben zugunsten einer anderen, bisher unbekannten Mauschelei.
Wäre der Coup gelungen, hätten künftig freigestellte Betriebsratsmitglieder «leistungsbezogen» und «ihrer Verantwortung entsprechend» entlohnt werden dürfen. Mit diese geradezu auf Osterloh zugeschnittene Gesetzesänderung wäre der VW-Gesamtbetriebsratsvorsitzende B.O. heute fein raus und mit ihm ein paar ranghohe VW-Manager auch.
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