von David Stein
Kryptowährungen wurden spätestens 2017 zu einem Wirtschaftsthema und Medienhype. Die Cyberwährung Bitcoin stand dabei im Fokus. Der Preis dieser virtuellen Währung stieg im Jahr 2017 trotz exzessiver Kursschwankungen um 1700 Prozent. Anfang 2018 verlor allerdings Bitcoin wieder 10 Prozent seines Werts.
Inzwischen warnen Ökonomen und Zentralbanker vor einer Spekulationsblase, die bald platzen könnte. Während die VR China den Handel mit Bitcoins bereits 2017 verboten hat, weil chinesische Steuerhinterzieher mit intransparenten Bitcoin-Transaktionen ihr Fluchtgeld massenhaft ins Ausland transferiert haben, will Südkorea nun nachziehen. Das Zockerland Südkorea hat sich zu einer Hochburg der Spekulation in Kryptowährungen entwickelt, die auch Südkoreanern mit geringem Einkommen erfasst hat. Um diese vor Verlusten zu bewahren, sollen Bitcoins und andere Cyberwährungen nun verboten werden. Viele hofften darauf, dass der Preis dieser Währung weiter steigen werde.
Eine private Währung
Bitcoins gibt es seit 2009. Wer Urheber des Bitcoin-Projekts ist, liegt im Nebel. Sicher ist nur, dass Bitcoin – neben Computernerds – von Marktfundamentalisten gepusht worden ist, die sich als Jünger des Gottvaters aller Neoliberalen, des Ökonomen Friedrich von Hayek, verstehen. Dieser wollte die Schaffung von Zahlungsmitteln in private Hände legen («free banking»). Für die Neoliberalen ist attraktiv, dass es sich bei Bitcoins um «privates Geld» handelt, das vollständig außerhalb der Kontrolle der Noten- bzw. Zentralbanken und sonstiger regulatorischer Instanzen geschaffen wird.
Kein Wunder, dass der FDP-Bundestagsabgeordnete und Euro-Gegner Frank Schäffler als seit langem eifrigster Bitcoin-Lobbyist in Deutschland agiert. Für Marktfundis wie ihn sind die Zentralbanken und deren Interventionen auf dem freien Markt die Quelle aller Finanzkrisen. Das von den Zentralbanken mitgeschaffene Kreditgeld würde zu Hyperinflation und anderen Desastern führen. Deshalb müsse es durch privates Geld ersetzt werden.
Bitcoins haben weder einen wirtschaftlichen Nutzen noch eine soziale Funktion. Der Bitcoin-Kurs lässt sich nicht bestimmen. Er wird allein durch den Glauben angetrieben, dass Kryptowährungen das Geld der Zukunft sind. Im Gegensatz zu herkömmlichen Währungen wie dem Euro stehen hinter Kryptowährungen keine größeren wirtschaftlichen Entwicklungen oder Trends wie Wirtschaftswachstum oder Inflation.
Bitcoins sind entgegen den Behauptungen ihrer Vermarkter nicht innovativ, sondern eine archaische Währung wie früher das Gold. Archaische Währungen werden durch die Verwendung knapper Produktionsfaktoren geschaffen. Gold musste unter sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen mit enormem Arbeits- und Maschineneinsatz und immensen ökologischen Schäden gefördert werden. Keynes nannte den Goldstandard ein «barbarisches Relikt». Dasselbe gilt für Bitcoins. Sie stehen nur im Rahmen eines begrenzten Pools zu Verfügung, neue Bitcoins werden allein durch die Rechenleistung der Teilnehmer des Bitcoins-Netzwerks geschaffen.
Je mehr Bitcoins im Umlauf sind, umso stärker steigt der Erzeugungsaufwand. Bitcoins werden durch den massenhaften Einsatz von Computer-Rechenleistungen geschaffen (in der Bitcoin-Terminologie analog zum Gold «mining» genannt). Dafür brauchen die in riesigen Fabrikhallen vornehmlich in der VR China installierten Computer sehr viel Strom und damit große Mengen knapper Energieressourcen. Laut Schätzungen entspricht die für die Bitcoin-Produktion innerhalb eines Jahres benötigte Energie (30,6 Terawattstunden) dem Energieverbrauch eines Landes wie Dänemark – das sind exorbitante ökologische und soziale Kosten, wenn wir zudem noch die externen Kosten wie CO2-Emissionen berücksichtigen, die mit der Stromerzeugung einhergehen.
Indiskutabel
Bitcoins sind auch kein Zahlungsmittel der Zukunft. Gegenüber Massenzahlungsmitteln wie Überweisungen oder Kreditkartenzahlungen ist die Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Bitcoin-Transaktionen lächerlich gering, sodass sie sich gar nicht für den Massenzahlungsverkehr eignen. Der Zahlungsprozess ist auch so komplex, dass ihn nur Computernerds nutzen können.
Zunächst benötigt der Sender die Bitcoin-Adresse des Empfängers, bestehend aus einer zufälligen Buchstaben- und Zahlenkombination. Dabei wird der Betrag zuerst vom Absender signiert, und dann an den Empfänger übermittelt. Abschließend wird die Transaktion durch andere Bitcoin-Benutzer verifiziert. Eine Banküberweisung oder Kartenzahlung kann in Sekunden abgewickelt werden, eine Bitcoin-Zahlung braucht hingegen 15 Minuten. Bei einer Beanspruchung des Systems durch Massenzahlungen würde das ganze Bitcoin-Transfersystem sofort zusammenbrechen.
Ein weiterer Grund spricht gegen Bitcoins: Die Identität der Bitcoin-Nutzer und deren Zahlungen bleiben für Dritte außerhalb des Netzwerks, darunter Aufsichtsbehörden, Polizei und Staatsanwaltschaft anonym. Sie können deshalb leicht für illegale Transfers (Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Terrorismusfinanzierung) eingesetzt werden. Da die Teilnehmer anonym bleiben können, kommt das Kryptogeld häufig im Bereich der Cyberkriminalität zum Einsatz. So werden viele Opfer von Erpressungstrojanern aufgefordert, das Lösegeld in Form von Bitcoins zu zahlen.
Gefährlich werden virtuelle Währungen dann, wenn auch institutionelle Anleger einsteigen. Würde die Bitcoin-Blase platzen, würden die Investoren nach Schätzungen des Ökonomen Rudolf Hickel ungefähr 160 Milliarden US-Dollar verlieren. Eine Ansteckung der Finanzmärkte würde sich bei diesem Volumen in Grenzen halten. Einen zusätzlichen Schub könnte Bitcoin aber dadurch erhalten, dass der wichtigen Chicagoer US-Terminbörse CME als bisher weltweit einziger Terminbörse im Dezember 2017 die Einführung eines speziellen Finanzprodukts, des Bitcoin-Futures genehmigt wurde – das ist ein Terminkontrakt auf eine Kryptowährung. Die Einführung von Bitcoin-Futures kann die Spekulationen weiter anheizen. Futures sind Finanzderivate, also Wertpapiere, die auf anderen Wertpapieren aufbauen. Im Fall der Bitcoin-Futures kauft der Investor nicht die Bitcoins, die das eigentliche Spekulationsobjekt sind, sondern das Recht, Bitcoins zu einem späteren Zeitpunkt zu einem jetzt festgelegten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.
Die US-Immobilienkrise entfaltete ihre zerstörerische Kraft rund um den Globus als internationale Finanzkrise weniger dadurch, dass Banken zuvor zu viele ungesicherte Hypothekenkredite auf Schrottimmobilien vergeben hatten, sondern weil die Banken diese in Kreditderivaten verbrieften und als Spekulationsobjekte weiterverkauften. So wurden 2008 weltweit Kreditderivate in Höhe von 596 Billionen US-Dollar gehandelt. Mit den Futures hätten institutionelle Anleger nun eine Möglichkeit, bei der digitalen Spekulation mitzumachen.
Was tun gegen Bitcoins?
Scheich Shawki Allam, der ägyptische Grossmufti, hat jüngst eine Fatwa erlassen – gegen den Handel mit Bitcoin. Die Kryptowährung sei riskant und unreguliert, womit ihre Verwendung betrügerische Transaktionen begünstige. Dies verstoße gegen die Scharia, das religiöse Gesetz des Islam (NZZ vom 9.1.2018).
Wirkungsvoller wäre es, neben dem Beibehalt des Verbots von Bitcoin-Futures, an der Schnittstelle zwischen realen Währungen und Kryptowährungsmärkten anzusetzen. Mit der 5.Geldwäscherichtlinie der EU, auf die sich die EU-Länder und das Europäische Parlament im Dezember 2017 geeinigt haben, soll nun endlich der Anwendungsbereich der Transparenzregeln auch auf Kunden von Plattformen zum Umtausch virtueller Währungen – allen voran Bitcoins – ausgedehnt werden, sowie auf Anbieter von elektronischen Geldbörsen (Wallets) bzw. Konten für virtuelle Währungen, um bisher anonyme Nutzer virtueller Währungen identifizieren zu können. Umtauschplattformen für virtuelle Währungen sind im wesentlichen elektronische Wechselstuben, die echte Währungen in virtuelle Währungen (und umgekehrt) umtauschen. Anbieter von Wallets bieten Kunden Konten bzw. «Geldbörsen» an, die auf eine virtuelle Währung lauten und über die Zahlungen in virtuellen Währungen geleistet oder empfangen werden können. Nachvollziehbare, transparente Zahlungsströme würden Bitcoin-Transaktionen deutlich reduzieren, auch von denen, denen kriminelle Motive wie Steuerhinterziehung zugrunde liegen.
Ein zusätzlicher, allerdings noch nicht in Angriff genommener Schritt könnte sein, dass sich die Europäische Union auf eine harmonisierte Besteuerung von Bitcoins, gerade bei den Spekulationsgewinnen, einigen würde. Damit wäre ein Anfang gemacht, Bitcoins wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen.
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