Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2018
Kein Weiter so
von Angela Klein

Die einen gähnen gelangweilt, die anderen schimpfen kräftig weiter: Nach turbulenten Wochen mit drohender Minderheitsregierung oder wahlweise Neuwahlen und einer vergeigten Jamaika-Koalition nun also die Fortsetzung des Gehabten: GroKo zum Vierten.

Mit Ausnahme eines leichten Kurswechsels in der Europapolitik steht im neuen Koalitionsvertrag nichts wirklich Neues, eher ließe sich sagen, dass er in mancher Hinsicht den Krebsgang einschaltet: an vorderster Stelle in der Asylpolitik und in der Klima- und Umweltpolitik. Vor vier Jahren schmückte sich die SPD noch mit dem gesetzlichen Mindestlohn und der Rente mit 63. Diesmal hat sie nicht einmal die drei Mindestbedingungen durchgesetzt, die ihr der Sonderparteitag aufgegeben hatte, als da wären: die Angleichung der Honorare für Ärzte in der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung; die Aufhebung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen; der Familiennachzug für geduldete Flüchtlinge. Sie kann höchstens das – sehr eingeschränkte – Recht auf Rückkehr von Teilzeit- in Vollzeitarbeit als Erfolg verbuchen.

Die Führung der SPD verkauft es als Erfolg, dass sie dafür wichtige Ministerien ergattern konnte: Finanzen, Außenpolitik, Arbeit, Umwelt, Familie, Justiz. Wobei das noch nicht viel aussagt, weil es dann immer noch auf den Zuschnitt der Ministerien ankommt. Ob sie sich damit bei der Mitgliederbefragung durchsetzen kann, ist zur Stunde nicht klar. In jedem Fall aber sitzt die SPD zwischen Baum und Borke: Sagt sie Ja, bekommt sie beim nächsten Mal noch mehr eins auf die Mütze; sagt sie Nein, folgen sehr wahrscheinlich Neuwahlen und dann zahlt sie die ganze Zeche.

Umgekehrt macht sich die Empörung bei der CDU gerade nicht an den Inhalten des Vertrags fest, der kommt ihrer Klientel zumal in Sachen Asyl und Innere Sicherheit weit entgegen, sondern an den Personalien, vor allem am Verlust des Finanzministeriums und der damit befürchteten Aufweichung des harten Sparkurses in der EU. Nur die CSU ist rundum mit dem Ergebnis zufrieden.

 

Ein Weiter so wird es mit der neuen GroKo nicht geben, egal was im Koalitionsvertrag steht. Denn inzwischen hat sich der politische Wind gründlich gedreht. Die Rechtsentwicklung hat nicht nur die AfD ins Parlament gebracht, sondern betrifft auch die Unionsparteien. Wenn Frau Merkel betont: «Wir leben in unruhigen Zeiten», da könne man von den Volksparteien erwarten, «dass wir zum Wohl der Menschen eine Regierung bilden, die Verlässlichkeit bietet», dannreicht das den Wirtschaftsbossen und vielen in ihrer Partei nicht mehr. Der Bundesverband der Arbeitgeberverbände drückt die veränderte Stimmungslage noch gemäßigt aus, wenn er in seiner Presserklärung zum Verhandlungsergebnis schreibt:

«Der Vertrag ist geprägt von rückwärtsgewandter Umverteilung und unverantwortlicher Belastung der jungen Generation, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen für die Zukunft abzusichern. Im Vergleich zum Sondierungsergebnis bedeutet der Koalitionsvertrag eine dramatische Verschlechterung aus Sicht der Wirtschaft. Lediglich im Bildungsbereich, beim Ausbau der Kinderbetreuung und bei der Neuregelung der Zuwanderung ist Solides und in die Zukunft Gerichtetes erreicht worden. Ja, es hätte natürlich schlimmer kommen können. Aber es hätte nachhaltig sehr viel besser sein müssen.»

Bei den Absetzbewegungen geht es nicht nur um die Abschottung gegenüber Flüchtlingen. Es geht darum, dass Unternehmer und Spitzenverdiener in Teilen für sich beanspruchen, den Verteilungskampf wieder aggressiver zu führen, da nimmt die Neigung zur Kompromissbereitschaft deutlich ab. Verstärkt leiten die Schwierigkeiten der Regierungsbildung und das vermutete «Weiter so!» das Wasser auf die Mühlen der AfD. Das gesellschaftliche Klima wird rauer. Es ist damit zu rechnen, dass die Rechten die Regierung mit politischen Initiativen unter Druck setzen. Auch mit vermehrten Angriffen auf die gewerkschaftlichen und demokratischen Rechte ist zu rechnen.

 

In der CDU ist der Führungswechsel bereits im Gang. Da scharren überwiegend rechtskonservative Herren mit den Hufen, die mit dem alten sozialpartnerschaftlichen Plunder und dem kulturellen Modernismus aufräumen möchten. Sie wollen mehr Ämter und das Erbe der ersehnten Nach-Merkel-Ära im eigenen Sinne vorbereiten. Die SPD ist verschlissen, bei ihr geht es nur noch darum zu verhindern, dass sie nicht ins Bodenlose fällt. Und die CSU hat die bayrischen Landtagswahlen im Herbst dieses Jahres im Nacken.

Bei dieser Konstellation ist jede Seite bestrebt, sich auf Kosten der Regierungspartner durchzusetzen, um ihre Gefolgschaft bei der Stange zu halten. Das ist eine Voraussetzung für das Scheitern der Regierung, nicht für ihr Gelingen.

Es ist also keineswegs ausgemacht, dass diese Koalition – so sie denn zustande kommt – vier Jahre lang hält, zuviele Kräfte wollen ihr baldiges Ende und ihre jeweiligen Parteiführungen loswerden, um einen härteren Kurs durchsetzen zu können. Wir treten somit in eine Periode der politischen Instabilität ein, da die Bindungskraft der sog. Volksparteien auch in Deutschland stark nachgelassen hat und die politischen Kräfte auf allen Seiten sich neu sortieren wollen bzw. müssen. Auch in dieser Hinsicht gibt es in Deutschland nun ein Stück mehr «Normalisierung» gegenüber den europäischen Nachbarländern.

 

Die GroKo erfährt aber auch von Anfang an, noch vor ihrem Amtsantritt, massiven Protest von Sozialverbänden, Flüchtlingsorganisationen, Umweltverbänden u.v.a. Der gesellschaftliche Protest stellt sich breiter auf und es bietet sich die Chance, eine starke außerparlamentarische Bewegung gegen diese GroKo zu entwickeln. Sie ist eine Voraussetzung dafür, dass die Rolle der Opposition nicht der extremen Rechten überlassen bleibt. Nur die Gewerkschaftsführungen halten der Großen Koalition noch die Stange und machen sich einmal mehr zur Bremse des gesellschaftlichen Fortschritts. Doch auch in den Gewerkschaften regt sich Protest, von dessen Stärke hängt ab, ob es für eine linke Alternative einen neuen Schub gibt.

In der SPD bringt die große Unzufriedenheit unter ihren Mitgliedern bislang keine Führungsalternative hervor, man überlässt es immer noch den Jusos, für einen Kurswechsel zu trommeln. Solange das so ist, wird die Partei weiter zerbröckeln.

 

DIE LINKE hat bislang aus dem Niedergang der SPD nur wenig Honig saugen können. Ihr fehlen die außerparlamentarischen Initiativen, die geeignet sind, die Zornigen und Enttäuschten aus dem Modus des passiven Protestes herauszuholen und zu gewinnen für eine Mobilisierung für ihre Rechte. Überdies ist sie über die Art, wie sie mit der Krise der SPD umgehen will, an der Spitze zerstritten; ob die Idee einer Sammlungsbewegung von Lafontaine/Wagenknecht sich breiterer Unterstützung in der Mitgliedschaft erfreut, ist bislang jedoch keineswegs ausgemacht. Schließlich winkt Wagenknecht, mit dem expliziten Bezug auf Mélenchon und  France Insoumise, auch damit, die Partei durch eine Bewegung zu ersetzen und de facto abzuschaffen.

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