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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2018
Die Mazedonienfrage als Spielball der Großmächte
von der Redaktion

Anfang Februar fanden in Athen und anderen griechischen Städten Massendemonstrationen statt, auf denen der Anspruch Griechenlands auf die frühere jugoslawische Republik Mazedonien bekräftigt wurde.

Das ist ein alter politischer Streitpunkt, der mit dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens in den 90er Jahren und der Gründung einer unabhängigen Republik Mazedonien neue Nahrung erhalten hatte; die griechischen Nationalisten haben immer darauf bestanden, die Republik sei ein Teil Griechenlands.

Im Januar hatte eine Demonstration in Thessaloniki stattgefunden, am 15.Februar folgte ein Demonstration in Athen, an der sich laut unabhängigen Beobachtern 200000 Menschen, laut den Organisatoren von 1,5 Millionen aus allen Teilen Griechenlands beteiligten. Eine der Hauptparole lautete: «Jeder Grieche ist Mazedonier, jeder Mazedonier ist Grieche.»

Die Forderung, dass Mazedonien Griechenland einverleibt werden soll, steht ganz oben auf der Agenda der griechischen Rechten. In Griechenland wird die unabhängige Republik immer nur als «Frühere jugoslawische Republik Mazedonien» bezeichnet, häufig auch nur als «Skopje», nach dem Namen der Hauptstadt.

Zu den Unterstützern der Athener Proteste gehören die griechisch-orthodoxe Kirche, Organisationen der extremen Rechten, einschließlich der Goldenen Morgenröte, paramilitärische Organisationen, die Unabhängigen Griechen (ANEL, Koalitionspartner in der Regierung von SYRIZA) sowie Fernsehkanäle. Auch Nea Dimokratia gehört dazu, wiewohl die Partei formal für die Namenkompromisse offen ist, die von der NATO und der EU verlangt werden. ND hat ein Interesse daran, eine nationalistische Opposition gegen Tsipras aufzubauen.

Leider haben sich jedoch auch nationalistische Stimmen auf der Linken dem Protest angeschlossen, so die frühere Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou und der Liedermacher Mikis Theodorakis, zur großen Freude der Goldenen Morgenröte. Manolis Glezos aber, Symbolfigur des Widerstands gegen die Nazis, lehnte es ab, zu dieser nationalistischen Mobilisierung aufzurufen.

Im folgenden bringen wir Auszüge aus der Erklärung von DEA (Internationalistische Arbeiterlinke) und dem Roten Netzwerk in der Partei der Volkseinheit (LAE):

Der Hintergrund zum Verständnis [des Wiederauflebens der Mazedonienfrage in Griechenland] ist die Initiative von USA, NATO und EU zur Durchsetzung einer neuen Stabilität und Dominanz über [den Balkan] durch die direkte Einbeziehung aller seiner Länder in die imperialistischen Großorganisationen. Der enge Zeitrahmen, der angekündigt wurde (EU-Gipfel in Sofia Ende Mai und NATO-Gipfel Ende Juni) zeigt, dass die Akteure die Schwierigkeiten, denen sich der westliche Imperialismus im Nahen Osten und in der Türkei angesichts deren Tendenz, mit den USA und der NATO zu brechen, ausgesetzt sieht, zügig angehen wollen.

Die Ziele sind folgende:

–die Regulierung der Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Mazedonien dergestalt, dass das griechische «Veto» gegen den NATO-Beitritt der Republik Mazedonien zurückgezogen wird;

–die Regulierung der Beziehungen zwischen Griechenland und Albanien durch Aufhebung des Kriegszustands und die Zustimmung zu gegenseitig akzeptierten Sonderwirtschaftszonen, um eine engere militärisch-diplomatische Kooperation zwischen beiden Ländern zu erreichen;

–die Konsolidierung einer Militärkooperation mit Bulgarien mit dem Ziel, das Land in die Achse Griechenland–Zypern–Israel einzubeziehen und die Türkei einzukreisen;

–die Erhöhung des Drucks auf Serbien, dass es der EU und der NATO beitritt.

Diese Pläne beschränken sich nicht auf das militärisch-diplomatische Feld, sondern erstrecken sich auch auf wirtschaftliches Gebiet, etwa die Errichtung neuer Handelsrouten für die Energiewirtschaft oder die Verbindung des Hafens von Thessaloniki mit Mitteleuropa und dem Atlantik.

Diese Pläne sind sehr gefährlich. Sie führen in jedem Land zu einer deutlichen Stärkung des Imperialismus und verschaffen den führenden imperialistischen Mächte des Westens eine straffere Kontrolle über das politische und soziale Leben in den Balkanländern.

Griechenland nimmt aus Eigeninitiative aktiv an diesen Plänen teil und verbindet dabei die Suche nach einem Ausweg aus der Krise mit der weiteren Durchdringung des Balkans und seinem Aufstieg als lokaler Partner der führenden westlichen Regierungen – somit als subimperialistische Macht in der Region.

Der griechische Staat, sowohl sein Streitkräfte als auch sein diplomatischer Flügel, übernimmt mit der Koordination dieser Pläne eine bedeutende Rolle. Somit hat sich einmal mehr die Theorie, Griechenland sei ein «Vasallenstaat», als falsch erwiesen.

Der notwendige antiimperialistische Kampf muss eng verbunden werden mit dem Kampf für die Aufhebung des Memorandums und ein Ende der Austeritätspolitik – d.h. er muss eng mit einer antikapitalistischen Strategie verbunden werden.

Auf politischer Ebene hat die Regierung aus SYRIZA und ANEL die Aufgabe übernommen, diese Pläne durchzuführen. Eine Regierung, die die Symbole und die Sprache der Linken verwendet, versucht, die antiimperialistische Tradition zu zerstören, die aus den Kämpfen gegen die Militärdiktatur und den Jahren nach ihrem Sturz in den 70er Jahren erwachsen war. Sie versucht, die Verbindungen zwischen Antiimperialismus und Antikapitalismus zu zerstören, die in der jüngsten Bewegung gegen die neoliberale kapitalistische Globalisierung und in der großen Antikriegsbewegung zu Beginn des 21.Jahrhunderts geschmiedet worden war.

Nach dem Versinken in den Sumpf des Dritten Memorandums versucht die Regierung von Alexis Tsipras sich politisch zu retten, indem sie die Rolle des starken Mannes der NATO auf dem Balkan übernimmt und versucht, die herrschende Klasse davon zu überzeugen, dass sie der «qualifizierteste» und rücksichtsloseste politische Diener ist, der zu finden ist.

Eine klare Antiregierungsposition ist ein Muss für die wirklich radikale Linke in den Kämpfen und Initiativen der Periode, die vor uns liegt.

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