von Shir Hever*
Waffengeschäfte sind ein entscheidendes Element in den Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Sie haben bereits begonnen, bevor überhaupt diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden. Trotz der langjährigen Regierungslinie, keine Waffen in sogenannte Spannungsgebiete zu verkaufen, zählt der Staat Israel zu den größten Kunden bei deutschen Rüstungsgütern und das israelische Militär setzt diese Waffen gegen schutzlose palästinensische Zivilisten ein, besonders im Gaza-Streifen.
Bekannt ist Kanzlerin Angela Merkels Erklärung vor der israelischen Knesset, die Sicherheit Israels sei deutsche «Staatsräson». Auch ihr Gegenkandidat Martin Schulz vertrat diese Ansicht in einer Fernsehdiskussion mit ihr vor der letzten Bundestagswahl. Weniger bekannt ist, dass Merkel diese Position im Zusammenhang mit der Diskussion über die Lieferung von ThyssenKrupp-U-Booten an die israelische Marine im Jahr 2008 bezog und damit zu erkennen gab, dass die deutsche «Staatsräson» tiefe Wurzeln in der Rüstungsindustrie hat.
In der deutschen Öffentlichkeit herrscht die Ansicht vor, die U-Boote würden der israelischen Marine zulasten der deutschen Steuerzahler zum Teil geschenkt. In der Tat sind die U-Boote der Delphin-Klasse mit einem Preis von 400 Mio. Euro pro Stück die teuersten Posten im israelischen Waffenarsenal. Die staatlich subventionierten Preisnachlässe galten allerdings nur für die ersten beiden U-Boote, während die israelische Regierung für die neun weiteren den vollen Preis bezahlt.
Reine Offensivwaffen
ThyssenKrupp war bereits in U-Boot-Skandale mit Griechenland und Portugal verwickelt, hauptsächlich deshalb, weil es sich bei U-Booten um äußerst kostspielige und äußerst unnötige Waffen handelt. Was konventionelle Rüstungsgüter betrifft, so handelt es sich bei U-Booten um reine Offensivwaffen. In den beiden Weltkriegen hat Deutschland sie eingesetzt, um kurzfristige taktische Vorteile zu erzielen, allerdings zu einem schrecklichen politischen Preis. Da sich niemand gegenüber einem U-Boot ergeben kann, bedingt der Einsatz dieser Waffe eine unerhörte Brutalität und bringt häufig Massaker an Zivilpersonen mit sich.
Im September 2017 veröffentlichte die russische Marine ein Video, in dem gezeigt wird, wie ein russisches U-Boot Syrien beschoss (angeblich eine IS-Stellung). Es war ein Schauspiel, das bewies, wie einseitig U-Boote sind, und ein Hinweis darauf, dass auch die von Deutschland gelieferten U-Boote vom israelischen Militär gegen Syrien und andere Länder eingesetzt werden können.
Es gibt eine weitere, mehr defensive Rechtfertigung für den Erwerb von U-Booten, sofern sie geeignet sind für den Abschuss von Atomraketen, was bei den an Israel gelieferten U-Booten der Fall ist. Diese U-Boote können für den sog. Zweitschlag benutzt werden für den Fall, dass Atomraketen bereits das Heimatland zerstört haben. Aber Griechenland, Portugal und Israel haben sich keine U-Boote unter Hinweis auf die Zweitschlagskapazität beschafft. Alle diese Länder befinden sich unter dem atomaren NATO-Schutzschirm.
Der wahrscheinlichere Grund für die Nachfrage nach U-Booten ist deshalb Korruption, und in der Tat wurde Griechenlands früherer Verteidigungsminister Akis Tsochadzopoulos zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt, weil er im Rahmen der Beschaffung von ThyssenKrupp-U-Booten Bestechungsgelder angenommen hatte.
U-Boote und Korruption
Auch die israelisch-deutschen Rüstungsbeziehungen sind von Korruption durchzogen. Im Jahr 2015 gab Premierminister Netanyahu bekannt, dass er anstatt des ursprünglich vorgesehenen Kaufs von fünf deutschen U-Booten nun gemeinsam mit Merkel einen Vertrag über den Kauf von neun unterzeichnet habe. Er erklärte seine Eile auch mit den in Deutschland anstehenden Wahlen 2017. Im Anschluss an die Bekanntgabe, dass Israel nun neun U-Boote zum Preis von 400 Mio. Euro pro Stück kaufen werde, konnte ein israelischer Journalist namens Raviv Drucker Beweise beschaffen, die schnell zu polizeilichen Ermittlungen sowie zur Verhaftung von etlichen engen Mitarbeitern Netanyahus führten, einschließlich seines Freundes Micky Ganor, der als ThyssenKrupps Vermittler zur israelischen Marine agierte, sowie seines Rechtsanwalts und Cousins David Shimron.
Unterdessen setzte die israelische Marine ihre Einkäufe fort und bestellte bei ThyssenKrupp Patrouillenboote zur Begleitung der U-Boote und zum Schutz der israelischen Naturgasfördertürme. Raviv Drucker konnte darüber hinaus aufdecken, dass die Marine, abweichend von der ursprünglich vorgesehenen Größe der Begleitschiffe, auch noch einen Vertrag über die Beschaffung von viel größeren und teureren Kriegsschiffen unterzeichnet hatte.
Die israelischen Wirtschaftsmedien berichteten mit Erstaunen über die Angelegenheit. In der Geschichte Israel gibt es nicht einen einzigen Fall, wo der Premierminister in der Lage war, das Verteidigungsministerium zu Geschäften zu veranlassen, die von den Spitzengenerälen abgelehnt wurden, obwohl der Premierminister sie wollte. Obwohl die deutsche Regierung im April 2017 ankündigte, die Waffengeschäfte würden nur fortgesetzt, wenn keine Korruption im Spiel sei, genehmigte sie schließlich den Zeitplan für die Waffenlieferungen – obwohl die israelische Polizei mit Verhören und Verhaftungen fortfuhr und obwohl Micky Ganor inzwischen Kronzeuge war und sich bereit erklärt hatte, über die Korruption in den fraglichen Geschäften auszusagen.
Zwischenzeitlich sieht sich Netanyahu mit vier weiteren Korruptionsaffären belastet. Nur in Sachen Rüstungsdeal mit Deutschland hält sich die Polizei zurück und hat bisher kein förmliches Untersuchungsverfahren gegen ihn eröffnet. Obwohl in diesen Deals mehr Geld eine Rolle spielt als in den übrigen Korruptionsaffären, scheint es, dass Polizei und Staatsanwaltschaft es vorziehen, diesen Fall nicht bis in die letzten Konsequenzen aufzurollen, aus Angst vor den Folgen, die die Aufdeckung des ganzen Ausmaßes der Korruption nach sich ziehen würde: Beschädigung des öffentlichen Vertrauens in die Sicherheitsorgane und der Beziehungen zu Deutschland.
ThyssenKrupp in die Ecke gedrängt
Rüstungsgeschäfte beruhen in aller Regel auf Gegenseitigkeit, jeder beteiligte Staat verpflichtet sich, Rüstungsgüter des anderen zu kaufen. Der Umfang des Deals mit ThyssenKrupp geht allerdings in die Milliarden Euro, und das israelische Finanzministerium hat begonnen, ThyssenKrupp auf eine Schwarze Liste zu setzen, wonach künftige Waffengeschäfte mit Israel ausgeschlossen sind, wenn Deutschland nicht im gleichen Umfang israelische Produkte kauft, um die U-Boot- und Begleitschiff-Deals auszugleichen.
2016 plante die Bundeswehr, genau das zu tun und zu diesem Zweck israelische Heron-Drohnen zu leasen. Dies, obwohl die Bundeswehr insbesondere Überwachungsdrohnen braucht, es sich bei den Heron-Drohnen aber um schwere Angriffswaffen handelt, die todbringende Raketen tragen können. Wegen ihrer Größe sind sie als Überwachungsdrohnen kaum geeignet. Die Drohnen sollten schließlich auch nicht nach Deutschland geliefert werden, sondern auf einem israelischen Luftwaffenstützpunkt verbleiben, wo deutsche Soldaten sie inspizieren und mit ihnen trainieren können. Theoretisch wäre es auch möglich, dass die Bundeswehr die Drohnen von Deutschland aus fernlenkt und sie in Nachbarländer bewegt.
Der Umfang des Deals lag mit schätzungsweise einer Milliarde Euro weit über dem Kaufpreis für die Drohnen, geschweige denn für das Leasen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass Verteidigungsministerin von der Leyen sich dennoch auf den Deal eingelassen hat, um das israelische Finanzministerium zu beruhigen und ThyssenKrupp vor der Schwarzen Liste zu retten.
Kurz vor den Bundestagswahlen 2017 stimmte die SPD gegen den Deal und brachte ihre Sorge zum Ausdruck, dass Angriffsdrohnen als Überwachungsdrohnen geleast werden sollten. Das israelische Rüstungsunternehmen IAI (Israeli Aerospace Industries, das die Heron-Drohnen herstellt) gab eine Presseerklärung heraus, um seine Investoren zu beruhigen, und versprach intensivierte Vertragsverhandlungen nach den Wahlen in Deutschland.
Und in der Tat: Das Vorhaben fand Eingang in das gemeinsame Sondierungspapier von SPD und CDU. Für ThyssenKrupp kommt das Ganze in einer kritischen Phase angesichts der laufenden Fusionsverhandlungen mit dem indischen Stahlkonzern Tata, und nachdem man sich mit der IG Metall über die Fusion verständigt hat. Die Fusion hängt von der ThyssenKrupp-Bewertung ab, die sich vermindern würde, wenn ThyssenKrupp von Israel auf die schwarze Liste gesetzt wird, denn das Land ist einer seiner wichtigsten Absatzmärkte.
Obwohl viel auf dem Spiel steht, hat es die deutsche Friedensbewegung erreicht, dass die Frage im Groko-Abkommen überprüft wird und eine weitere Überprüfung stattfinden soll, bevor die Heron-Drohnen von der Bundeswehr geleast werden.
Eine andere deutsche Waffenschmiede, Heckler & Koch, hat im September 2017 angekündigt, keine Waffen mehr nach Israel zu verkaufen. Obgleich es sich dabei um eine eher symbolische Erklärung handelt, weil das israelische Militär nur sehr wenige Heckler-&-Koch-Schusswaffen benutzt, so war das doch eine wichtige und ermutigende Nachricht und ein Hinweis darauf, dass engagierte Aktivisten den tödlichen Waffenhandel zwischen den beiden Ländern stoppen können.
* Shir Hever wohnt in Heidelberg. Er ist Journalist und akademischer Forscher. Sein neues Buch The Privatization of Israeli Security wurde bei Pluto Press 2017 veröffentlicht.
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