von Michael Lorenz
Am 21.Februar startete die Volksinitiative «Tschüss Kohle» vor dem Hamburger Rathaus ihre Unterschriftensammlung, um den Hamburger Senat zu einem schnellen und gesetzlich festgelegten Ausstieg aus der Kohleverbrennung in Hamburg zu verpflichten.
Schon 2015 musste der rot-grüne Hamburger Senat einräumen, dass die 2010 für verbindlich erklärte Senkung des CO2-Ausstoßes von Hamburg um 40 Prozent gegenüber 1990 zum vorgesehenen Zeitpunkt nicht erreicht werden könne. Deshalb stellte man einen neuen Plan auf. Allerdings hat sich auch hier wieder nichts zum Guten gewendet. Im Gegenteil: Bei der «Energiewende made in Hamburg», ist der Anteil der erneuerbaren Energien 2016 um 16 Prozent gesunken. Die Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern stieg sogar um 20 Prozent. Derzeit kommen in Hamburg 60 Prozent der Fernwärme und 85 Prozent des in Hamburg produzierten Stroms aus drei Steinkohlekraftwerken.
Gegen diese unzureichende Klimapolitik wendet sich nun ein breites Bündnis von über 25 Hamburger Umweltinitiativen- und Verbänden von Klimaschützern, kirchlichen Kreisen sowie Unterstützerinnen bundesweiter und internationaler Organisationen, Netzwerke und Unternehmen. Die Initiative knüpft an den erfolgreichen Volksentscheid «Unser Hamburg – Unser Netz» von 2013 an. Damals wurde die Rekommunalisierung der zuvor privatisierten Energienetze festgelegt und außerdem der Senat und die Bürgerschaft dazu verpflichtet, «eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien» aufzubauen.
Ziel der jetzigen Volksinitiative ist der zügige Ausstieg Hamburgs aus der Kohleverbrennung zur Erzeugung von Strom und Fernwärme. In einem ersten Schritt werden hierfür bis Ende März 10000 Unterschriften von wahlberechtigten Hamburger Bürgerinnen und Bürgern benötigt. Sofern die Bürgerschaft nicht schon durch diese (hoffentlich) erfolgreiche Volksinitiative die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen von sich aus vornimmt, wird als nächstes ein Volksbegehren angestrebt. Hierfür wären 65000 Unterschriften erforderlich. Dann müssten die Wahlberechtigten am Tag der nächsten Bürgerschaftswahl darüber befinden.
2030 soll Schluss sein
Mit Verweis auf das Pariser Klimaabkommen soll der Hamburger Senat, so der vorgelegte Gesetzentwurf, «eine möglichst sparsame, rationelle und ressourcenschonende sowie eine umwelt- und gesundheitsverträgliche und risikoarme Erzeugung, Verteilung und Verwendung von Energie im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren» umsetzen. Die Energieerzeugung aus Stein- und Braunkohle soll bis zum 31.12.2030 beendet werden. «Die Wärmeversorgung von Gebäuden und Anlagen soll vorrangig aus Kraft-Wärme-Kopplung ohne Einsatz von Stein- oder Braunkohle, aus Abwärmenutzung oder aus erneuerbaren Energien erfolgen.» Des weiteren soll Wärme aus der Kohleverbrennung nach dem 31.?Dezember 2025 nicht mehr in Wärmenetze, die sich im Eigentum Hamburgs befinden oder durch Hamburg betrieben werden, eingespeist oder durch diese durchgeleitet werden. (Der vollständige Text des Gesetzesentwurfs und die Begründung finden sich unter www.tschuess-kohle.de.)
Der vorgelegte Gesetzestext zielt nicht nur auf die Abschaltung bzw. Umstellung der beiden (ur)alten Kohleheizkraftwerke in Wedel (Vorort von Hamburg) und Tiefstack (im Hamburger Stadtgebiet). Mit der Vorgabe, dass in das Hamburger Wärmenetz ab 2026 keine Wärme mehr aus der Kohleverbrennung eingespeist bzw. durchgeleitet werden darf, soll zudem verhindert werden, dass das von Vattenfall betriebene Mega-Kohlekraftwerk Moorburg (Stadtteil von Hamburg) in die Wärmeversorgung eingebunden wird. Der CO2-Ausstoß von Moorburg betrug 2017 etwa 6,15 Mio. Tonnen und würde bei Einbindung in die Wärmeversorgung Hamburgs auf über 8,5 Mio. Tonnen steigen.
Mit ihrem Ansinnen erinnert die Initiative gleichzeitig die rot-grünen Koalitionäre an ihren Koalitionsvertrag, in dem festgelegt wurde, dass «ein Neuanschluss kohlegefeuerter Erzeugungsanlagen an städtische oder andere Wärmenetze … von der Koalition weder angestrebt noch unterstützt» wird.
Probleme
Sehr ausführlich beantwortet die Initiative in ihrer Infothek die verschiedensten Bedenken bzw. Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Volksinitiative ergeben. Unter anderem wird auf die Fragen nach den Kosten des Kohleausstiegs und auf mögliche Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in den Kraftwerken eingegangen.
Die Initiative geht davon aus, dass derzeit etwa 400–800 Arbeitsplätze von den Kohlekraftwerken abhängig sind. Bei der Umstellung auf andere Brennstoffe ist sicherlich mit dem Abbau von Arbeitsplätzen zu rechnen, wobei bei einem geregelten Ausstieg sozialverträgliche Lösungen geschaffen werden könnten – dies auch deswegen, weil ein Umstieg einige Jahre dauern würde. Neu geschaffene Ersatzanlagen in der Wärmeversorgung werden darüber hinaus «eine Vielzahl von neuen Arbeitsplätzen sowohl im Bau als auch im Betrieb» schaffen, bei denen kraftwerkserfahrene Arbeitskräfte besonders gefragt sein werden.
Wenig Verständnis bei den beteiligten Organisationen fand der Beschluss des Landesvorstands des BUND Hamburg, sich an diesem Bündnis nicht mehr zu beteiligen. Einer der größten Umweltverbände, der ansonsten den Kohleausstieg einfordert und in der Vergangenheit durch vielfältige Aktionen auf den Klimawandel und deren Ursachen aufmerksam machte, hat sein Engagement eingestellt. Ob sich hier noch ein Umdenken einstellt, ist nicht gewiss. Eine ganze Reihe von BUND-Mitgliedern versucht die Rücknahme des Beschlusses zu erreichen.
Bei der Umsetzung der Pläne der Initiative würde sich Hamburg in die Bestrebungen anderer Städte (z.B. München, Berlin und Kiel) einreihen, die ebenfalls über den Weg der Bürgerbeteiligungen den Kohleausstieg beschlossen haben. Es ist dem Bündnis zu wünschen, dass die gesteckten Ziele in möglichst kurzer Zeit umgesetzt werden können.
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