Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2018
...das andere Gesicht hinter Facebook
von Rolf Euler

Diese Zeitung wird wahrscheinlich nicht – gemeinsam mit anderen Kritikern – einen wesentlichen Benutzerkreis von Facebook dazu bewegen können, aus dem sozialen Netzwerk auszusteigen. 2 Milliarden Menschen – scheint es – erhalten einen für sie genügend großen Nutzen durch Zuckerbergs Geschäftsidee, der den Verzicht auf Kontrolle ihrer Daten, auf Steuerung ihrer Informationsfreiheit und auf Sicherung ihres persönlichen Profils vor Ausbeutung scheinbar lohnt. «No-Facebook» ist trotzdem inzwischen weit verbreitet – es gibt Alternativen.

Facebook verstößt seit Jahren gegen grundlegende Rechte der Nutzer, indem die Zustimmung zu unübersehbaren Geschäftsbedingungen zugunsten der Werbeeinnahmen und der Datensammelei, der Profilbildung aller Nutzer und ihrer Kontakte praktisch zwingend gemacht wird. Und indem sie absprachenwidrig die Daten aus Whatsapp ebenfalls den Nutzer- und jeweiligen «Freunde»-Profilen zuschlagen. Dazu kommt, dass die Kontakte minderjähriger Nutzer ohne jeweilige Einverständniserklärung der Eltern ebenfalls profilbildend gesammelt werden.

Bei dem neuen kürzlichen bekannt gewordenen Skandal hat die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica, die auch für Trumps Wahlkampfteam arbeitete, unrechtmäßig Daten aus Facebook für politisch gerichtete Werbung benutzt. Der britische Wissenschaftler Kogan hatte eine Facebook-App mit einer Umfrage zu Persönlichkeitstypen auf die Plattform gebracht – und dann Daten daraus heimlich an Cambridge Analytica weitergegeben. Dabei soll er auch an Informationen von Facebook-Freunden der Umfrageteilnehmer gekommen sein und sie ohne deren Wissen weitergegeben haben. Es sind um die 50 Millionen Menschen betroffen, davon eine nicht geringe Zahl in Europa.

Der Grund für die Empörung: Im Wahlkampf sollte das aus den Likes der Facebook-Nutzer und ihrer «Freunde» gewonnene Profil dabei helfen vorherzusagen, ob es sich lohnt, einer Gruppe Werbung für die Kampagne Donald Trumps anzuzeigen. Anderen, die als mögliche Wähler von Hillary Clinton eingestuft wurden, konnten dagegen Anzeigen gezeigt werden, die Wahlenthaltung nahelegten.

Das Leck liegt bei Facebook, und der Vorwurf ist, dass bei Bekanntwerden der nicht erlaubten Datenweitergabe 2015 die Betroffenen nicht informiert wurden. Mark Zuckerberg gab sich im US-Senat als der reuige Sünder, der Verbesserung gelobt.

Der republikanische Senator und Vorsitzende, John Thune, zweifelte daran, dass sich bei Facebook tatsächlich etwas ändern werde: «Das Magazin Wired hat vor kurzem festgestellt, dass Sie eine 14 Jahre lange Geschichte von Entschuldigungen für unüberlegte Entscheidungen über die Privatsphäre der Nutzer haben, nicht unähnlich jener, die Sie gerade gemacht haben. Nach mehr als einem Jahrzehnt der Versprechen, es besser zu machen – wie unterscheidet sich die heutige Entschuldigung? Und warum sollten wir Facebook vertrauen, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen, um die Privatsphäre der Nutzer zu schützen und den Menschen ein deutlicheres Bild von Ihren Datenschutzbestimmungen zu geben?»

Seit Wochen werden von Facebook riesige Zeitungsanzeigen geschaltet, in denen um Vertrauen geworben und die Nutzer aufgefordert werden, selber zu entscheiden, wieviel sie aus ihren Daten verbreiten wollen. Nach Jahren des Datensammelns ergab ein Gespräch von Facebook-Vertretern bei der neuen Bundesjustizministerin nichts was eine Änderung erwarten lässt.

Das Vorgehen von Cambridge Analytica ist nur möglich, weil die Profilbildung aller Internet- und Smartphone-Nutzer von den Technologiekonzernen ständig gesammelt und verbessert wird und zusätzlich durch die Gesichtserkennung auf ein neues Niveau gehoben wird. Die Ratschläge der Fachleute (www.heise.de/tipps-tricks/), bei der Verwendung der sozialen Netzwerke und smarten Geräte alles abzuschalten, was man nicht möchte, stoßen auf die Schwierigkeit, dass es einiger Kenntnis und Geduld bedarf, diese Probleme und die Abschaltmöglichkeiten jeweils im vorhinein zu erkennen, sich durch mehrere Menüs zu klicken und ständig auf dem Laufenden zu bleiben, was neue Versuche von Google, Facebook und Co. angeht, die Daten der Nutzer gewinnbringend zu verkaufen. Insofern gilt trotzdem: «No-Facebook»!

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