von Rolf Euler
Steffen Lange, Tilman Santarius: Smarte Grüne Welt? Digitalisierung zwischen Überwachung, Konsum und Nachhaltigkeit. München: Oekom, 2018. 268 S., 15 €
Der Oekom-Verlag bietet ein kritisches Buch zum rasanten Wachstum der IT-Industrie an, das sich mit dem Mythos dessen angeblich «grüner» Entwicklung auseinandersetzt. Was wird wirklich «gespart» bei Computern, Smartphones und Internet? Was hat es mit dem Energieverbrauch von kleinen und großen Dateien, Suchanfragen, Displays, Servern und Internetverbindungen auf sich?
Die Wissenschaftler Steffen Lange und Tilman Santarius begeben sich auf die Spuren der Digitalisierung, untersuchen den Ressourcen- und Energieverbrauch der ständig neuen, smarten Technologien, verfolgen die sozialen Netzwerke beim Datensammeln und die sozialen Folgen bei Produktion und Nutzung der IT-Geräte. Zwischen Hoffnung und schlechter Erfahrung schreiben sie über einige Chancen und viele gescheiterte Ansätze einer demokratischen Internetgemeinschaft, über monopolisierte Machtstrukturen und kaum vorhandene politische Kontrollen der großen IT-Konzerne, allen voran Google und Apple, Amazon und Facebook.
Der Stromverbrauch der einzelnen Geräte pro Informationseinheit scheint ständig abzunehmen, allein die massenhafte Ausweitung der Produktion z.B. von Smartphones und die daraus folgende Datenmenge, die zwischen den Nutzern und der Cloud ständig hin- und hergeschoben wird, führen zum sog. «Rebound-Effekt», das heißt, der Gesamtverbrauch an Material und Elektrizität steigt ständig weiter an. Sie stellen fest, dass der gesamte Stromverbrauch der Informations- und Kommunikationstechnologien bei 10 Prozent der weltweiten Stromnachfrage liegt, mit steigender Tendenz – eben gerade keine nachhaltige Entwicklung.
Im Gegensatz zum Versprechen, Ressourcen zu schonen und die Arbeit frei zu gestalten, zeigt die bisherige Entwicklung des Internets und der Cloud-Working-Technologien eine weitere soziale Spaltung zwischen Großverdienern und prekär Beschäftigten, zwischen Monopolkonzernen mit milliardenschweren Gewinnen und dem Verlust von Arbeitsplätzen, Steuern, sozialer und politischer Kontrolle.
Die sehr kritische Untersuchung mit vielen fachlich begründeten Quellen wird ergänzt durch Vorschläge, wie die Digitalisierung demokratisch, sozial und ökologisch fortgeschrieben werden kann. Staaten und Politiker sind nach Meinung der Autoren gefordert, eine ökologische Steuerreform, Arbeitsschutzgesetze, Regionalisierung und eine intelligente Regelung der Stromnetze durchzusetzen, ein Werbeverbot für allgemein öffentliche Suchanfragen zu verhängen und die Nutzer zu deutlicher Datensparsamkeit und Datenkontrolle anzuhalten.
Auch für Nutzer gibt es passende Vorschläge für Sharing, nachhaltige Nutzungszeiten, kritische digitale Bildung und zivilgesellschaftliche Bewegung gegen die monopolistische Nutzung der eigenen Daten.
Zweihundert Seiten sachliche Information, kritische Durchleuchtung der «Greenwashing»-Theorien des Internets, und der Versuch, andere soziale und technologische Ziele populär zu machen, zeichnen das Buch aus. Es ist für alle, die sich beruflich mit IT beschäftigen (müssen), und für jeden, der oder die mehr über Google und Co. wissen will, als diese selber gern verbreiten.
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