von Larissa Peiffer-Rüssmann
Marode Schulgebäude, unbesetzte Schulleitungen, fehlendes Lehrpersonal, große Klassen, eine überbordende Bürokratie und damit verbunden eine steigende Arbeitsbelastung – das sind die Baustellen im Bildungsbereich in allen Bundesländern. Das gilt auch besonders für NRW. In dieser Situation fällt nun der Landesregierung unter Ministerpräsident Armin Laschet nicht besseres ein, als ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren einzuführen (ab 14 gilt die Religionsmündigkeit). Die rechtspopulistische FPÖ in Österreich hat es vorgemacht. Das Verbot soll für Kindergärten, Grundschulen und die Sekundarstufe gelten. Die NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer betont, sie finde es auch dann in Ordnung, wenn es nur wenige betrifft.
Ich kann den Vorstoß nur als Ablenkungsmanöver bewerten, denn gleichzeitig wird die Inklusion ganz offen zurückgefahren. Bei meinem Besuch an einer Kölner Grundschule vor einem Jahr in einem Schulbezirk mit hohem Migrantenanteil sah ich kein einziges Kopftuch tragendes Mädchen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Auch während meiner Schultätigkeit war dies allenfalls eine sehr vereinzelte Erscheinung und kein Thema im Schulalltag. In Kindergärten gibt es dieses Problem gar nicht, dafür aber zu große Betreuungsgruppen und viel zu wenig Personal.
Wenn es also gar kein Problem ist, das dringend angegangen werden müsste, stellt sich die Frage, was die CDU/FDP-Koalition mit ihrer Kampagne gegen Kopftuch tragende Mädchen eigentlich bezweckt. Die Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) gibt an, es gehe dabei um das Kindeswohl. Eine solche Argumentation ist heuchlerisch und purer Zynismus. Was geschieht denn mit den Kindern, wenn die Eltern sie trotz Verbot mit dem Kopftuch in die Schule schicken? Sie werden bloß gestellt, ausgegrenzt und müssen sich für etwas verteidigen, was sie gar nicht zu verantworten haben. Und wie soll eine Lehrkraft eine zuvor intakte Klassengemeinschaft vor unsinnigen Angriffen schützen? Ein solches Vorgehen konterkariert alle Bemühungen der Schule um Integration, und das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis zu den Eltern wird gestört, denn auch die anderen muslimischen Eltern werden sich angegriffen fühlen. Hier wird Stammtischpolitik auf dem Rücken von Kindern ausgetragen.
Es heißt, Religion solle im Schulalltag keine Rolle spielen. Damit ist aber offensichtlich nicht die christliche Ausrichtung gemeint, denn es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht um das Kreuzkettchen gehe und auch nicht um das Kreuz, das noch in vielen Klassenzimmern hängt. Also um was geht es dann? Es geht darum, den Islam zu diffamieren, ihn in populistischer Weise als «andersartig» zu stigmatisieren im Sinne von «gehört eigentlich nicht zu Deutschland». Der Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) und sein Büro unterstützen den Vorstoß tatkräftig.
Mit diesem «Spezialgesetz» für Kopftuch tragende Mädchen begibt sich die Laschet-Koalition in das Fahrwasser der AfD. Das Vorhaben muss mit allen Mitteln verhindert werden.
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