von Rolf Euler
Rad- und Wandertage in diesem sonnigen Frühjahr verführen mich, an den Rand mal über Schönheiten am Wege zu schreiben.
Die renaturierte Seseke, ein früher begradigtes und abwasserführendes kleines Nebenflüsschen der Lippe zwischen Kamen und Hamm, umfließt mit klarem Wasser wieder Kurven und Steine, Nachpflanzungen von Hasel- und Weidenbüschen am Ufer, freundliche Weggestaltung für Radler und Fußgänger. Im ehemaligen Abbaugebiet der Schachtanlagen Monopol und Königsborn hat sich das Gelände teils unter Flussniveau gesenkt. Die Eindeichung erinnert an größere Flüsse, muss aber sein, um Überflutungen des umliegenden Geländes zu vermeiden. Die Bemühungen des Lippeverbands und der Kommunen, hier dem Bergschadensgelände eine grüne Natur zurückzugeben, sind des Bemerkens wert.
Ähnliches geschieht an Emscher und Lippe – ein milliardenschweres Unterfangen zur Beseitigung der Folgelasten jahrelangen Bergbaus. Die Schönheit der Aussichten mag darüber hinwegtäuschen, welche Lasten begrünt werden. Das ist kein «Greenwashing» um der Optik willen, sondern von einigen bewussten Planenden in den Gremien der Emscher- und Lippegenossenschaft eine Neugestaltung der Natur – «bestürzend schön» im Gegensatz zur Vergangenheit, aber natürlich «menschengemacht».
Ähnlich geht es denen, die mit offenen Augen zwischen Mülheim und Duisburg mit der Bahn das Ruhrtal überqueren. Sonnige Ruhe auf dem Wasser, Schwäne und manchmal Schafe in Ufernähe, grüne Wiese als Überflutungsaue zwischen Deichen – vom Ruhrgebiet ist nichts zu sehen. Abstand zum Revier lässt die Ruhr hier fast natürlich werden. Welch Unterschied zur Schnell-mal-eben-Überquerung auf den Autobahnen 43 und 52…
Die Wiedergewinnung von Flussauen und Feuchtgebieten ist auch am Rhein zu sehen – fast schon keine Nischen mehr in der Pfalz südlich von Speyer, im Kühkopf nahe Worms, in Aussandungsgebieten bei Heppenheim, und vielerorts anderswo. Aktiven von NABU und BUND, lokale Initiativen betreiben Infostellen, Schulungsräume und Naturschutz, wo in wenigen Kilometern Abstand die Logistikhallen und Autobahnen deutlich machen wollen, wer hier Herr der Natur zu sein scheint. Die Dauerbeschallung bis in die Berghänge des Odenwalds verleidet immer noch nicht den Vögeln das Singen, wenige hundert Meter im Waldland ist man damit (fast) allein.
Sicher wissen wir um die Belastung der Fließgewässer mit Nitrat, mit Plastikkleinstpartikeln. Leider ist klar, dass heutige Landwirtschaft eine natürliche Landschaft nur noch in Nischen zulässt. Industrie und Verkehr verleiden uns den Blick auf die Welt.
Vielleicht «bestürzt» uns die Schönheit in der Natur daher als etwas nicht Geduldetes, am Rande Erlaubtes.
Umso wichtiger scheint mir für politisch denkende Menschen, sich die Sinne für Schönheiten zu schulen, zu bewahren, sich solchen Räumen und Zeiten bewusst auszusetzen, um nicht angesichts so vieler Probleme in Politik und Wirtschaft das Maß für Gutes zu verlieren.
Selber ein Bäumchen pflanzen…
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