von Violetta Bock
Foodora und Deliveroo sind Beispiele für die sog. Plattformökonomie. Über eine App wird Essen nach Hause bestellt aus verschiedenen Restaurants der Stadt. Kaum wird ok gedrückt, radelt irgendwo wer los, bestätigt den Auftrag, egal bei welchem Wetter. Foodora beschäftigt etwa 2600 Kuriere in 36 Städten, Deliveroo etwa 1500 Fahrerinnen und Fahrer in 15 deutschen Städten. Für die Kuriere bedeutet dies maximale Flexibilität und entsprechend schwer ist es sich zu organisieren. Es gibt keine gemeinsame Betriebsstätte, an der man sich ohnehin über den Weg läuft. In den letzten Monaten wurden erste Versuche gestartet und Kampagnen initiiert. Denn Probleme gibt es jede Menge: So gibt es von der Firma zwar den Auftrag, doch alle notwendigen Arbeitsmittel müssen selbst beschafft und in Schuss gehalten werden: Fahrräder, passende Kleidung für Wind und Wetter, sogar Smartphones. Insgesamt betrachtet kommen viele damit auf einen Stundenlohn von 5 Euro, der gesetzliche Mindestlohn wird so unterlaufen. Nicht umsonst rief die aktion./.arbeitsunrecht am 13.April zu Aktionen bei Deliveroo auf.
Anfang 2017 begannen die ersten Kuriere sich gewerkschaftlich in der FAU Berlin, die Freie Arbeiterinnen und Arbeiter-Union, mit der Kampagne «Deliverunion: Riders unite! Zweisprachig in Englisch und Deutsch» zu organisieren. Sie führten Aktionen vor Foodora und Deliveroo durch und übergaben im letzten April eine Petition mit 150 Unterschriften von Kurieren an die Geschäftsleitung. Die Forderungen: Bezahlung der Wartezeit (4 Euro für jede halbe Stunde ohne Bestellung), eine obligatorische gesetzliche Unfallversicherung, Erstattung der Kosten für Fahrradteile (0,35 Euro/km), schrittweise Erhöhung der Bezahlung für die Fahrer (zusätzlich 50 Cent nach 3, 6 und 12 Monaten Arbeit für Deliveroo). Deliveroo antwortete mit der üblichen Floskel, dass sie nicht mit «Dritten» verhandeln.
In Köln wurde das Thema durch die NGG (Gewerkschaft für Nahrung, Genuss und Gaststätten) eher traditionell angegangen. Im Sommer 2017 wurde bereits bei Foodora ein Betriebsrat gegründet. Im Februar gründeten Beschäftigte nun auch einen bei Deliveroo. Doch das Unternehmen reagierte entsprechend. Im Mai lief der befristete Arbeitsvertrag des letzten verbliebenen Betriebsrats aus. Statt direkter Anstellung hat Deliveroo zunehmend umgestellt auf Freelancer. Das heißt bei Auslaufen des Arbeitsvertrags wird die Tätigkeit als Soloselbständiger angeboten und dadurch neben gewerkschaftlichen Möglichkeiten auch gleich die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und der Anspruch auf Urlaub eingespart. Auf dem DGB-Kongress wurden die Kolleginnen und Kollegen, die den Betriebsrat durchgesetzt hatten, mit Standing Ovations begrüßt und ihnen Solidarität zugesichert. So gibt es vorbereitete Protestbriefe, die man an das Unternehmen schicken kann, um sich zu solidarisieren.
Am 1.Juni finden mit der NGG nun auch die ersten Betriebsratswahlen bei Foodora in Hamburg statt. Die Organisation dafür hatte dort im Juli 2017 mit einer WhatsApp-Gruppe begonnen. Auch nach Frankfurt und Stuttgart bestehen erste Kontakte zu Kurieren.
In London sind Kuriere schon länger dabei sich in der unabhängigen Basisgewerkschaft IWGB zu organisieren. Sie erzielte bereits Erfolge gegen Uber, Addison Lee und City Sprint. Sie fordern von Deliveroo einen garantierten Mindestlohn, Urlaubsgeld und gewerkschaftliche Rechte. Deliveroo versucht nun mit Rechnungen über 10000 britische Pfund die Gewerkschaft zu demoralisieren. In Italien sind es die «Deliveroo Strike Raiders», die für bessere Arbeitsbedingungen gegen Deliveroo auf die Straße gehen und sich organisieren.
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[…] „Foodora und Deliveroo sind Beispiele für die sog. Plattformökonomie. Über eine App wird Essen nach Hause bestellt aus verschiedenen Restaurants der Stadt. Kaum wird ok gedrückt, radelt irgendwo wer los, bestätigt den Auftrag, egal bei welchem Wetter. Foodora beschäftigt etwa 2600 Kuriere in 36 Städten, Deliveroo etwa 1500 Fahrerinnen und Fahrer in 15 deutschen Städten. Für die Kuriere bedeutet dies maximale Flexibilität und entsprechend schwer ist es sich zu organisieren. Es gibt keine gemeinsame Betriebsstätte, an der man sich ohnehin über den Weg läuft. In den letzten Monaten wurden erste Versuche gestartet und Kampagnen initiiert. Denn Probleme gibt es jede Menge: So gibt es von der Firma zwar den Auftrag, doch alle notwendigen Arbeitsmittel müssen selbst beschafft und in Schuss gehalten werden: Fahrräder, passende Kleidung für Wind und Wetter, sogar Smartphones. Insgesamt betrachtet kommen viele damit auf einen Stundenlohn von 5 Euro, der gesetzliche Mindestlohn wird so unterlaufen. Nicht umsonst rief die aktion./.arbeitsunrecht am 13.April zu Aktionen bei Deliveroo auf. (…) Am 1.Juni finden mit der NGG nun auch die ersten Betriebsratswahlen bei Foodora in Hamburg statt. Die Organisation dafür hatte dort im Juli 2017 mit einer WhatsApp-Gruppe begonnen. Auch nach Frankfurt und Stuttgart bestehen erste Kontakte zu Kurieren…“ Bericht von Violetta Bock in der Soz Nr. 06/2018 […]
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