von David Stein
Der Immobilienmarkt in Deutschland wurde durch die massive Privatisierung öffentlichen Eigentums in den letzten Jahren kräftig befeuert: Bund, Länder und Kommunen haben im Rahmen des Verkaufs von öffentlichem Wohnungsbestand eine riesige Menge von Immobilien auf den Markt geworfen. Die Deutsche Bahn und andere Unternehmen zogen mit dem Verkauf von Werkswohnungen nach. Das nach dem Berliner Bankenskandal durch die Übernahme der Schulden der Berliner Landesbank klamme Land Berlin hat 110.000 Wohnungen der kommunalen GSW an die Deutsche Wohnen AG (DW) für einen Spottpreis verscherbelt.
Die DW ist inzwischen die größte Wohnimmobiliengesellschaft in der Stadt. Im Geschäftsjahr 2017 hat die DW mit einem Konzerngewinn von 1,8 Milliarden Euro abgeschlossen, gegenüber dem Vorjahr ist das eine Steigerung um 9 Prozent – ein neuer Höchstwert in der Unternehmensgeschichte der DW, deren Kapitaleigner diverse Fonds und Vermögensverwalter wie das weltweit größte Finanzkonglomerat BlackRock oder der norwegische Pensionsfonds sind.
Das ist zum Nachteil der Mieter, die mit Mieterhöhungen überzogen werden, während notwendige Reparaturarbeiten vom Vermieter nicht ausgeführt werden. Es gibt genug Lücken und Hintertürchen in der als «sozial» bezeichneten Mietgesetzgebung, die etwa die Mietpreisbremse leer laufen lassen, weshalb der Wohnungsbestand etwa für Aktionäre der DW ausweislich deren Jahresabschlussbericht «profitabel» verwaltet werden kann.
Der Immobiliensektor in Deutschland boomt. Die Mieten in den Ballungszentren steigen, die Immobilienwirtschaft hat Städte wie Berlin fest im Griff. Nirgendwo steigen derzeit die Immobilienpreise jedoch schneller als in Berlin. Das zeigen die Bewertungen des kürzlich erschienenen «Global Residential Cities Index» des Beratungsunternehmens Knight Frank: Unter den Top-10-Städten mit den weltweit höchsten Steigerungsraten finden sich neben Berlin noch drei weitere deutsche Großstädte: Hamburg, Frankfurt am Main und München.
Hohe Renditen in einem als sicher geltenden Anlageland wie Deutschland locken weltweit allerdings nicht nur aggressive Kapitalanleger wie Fonds und «Steueroptimierer» an, die das Steuerrecht austricksen, sondern sind auch attraktiv für illegales Kapital und die organisierte Kriminalität. Es geht bei weitem nicht nur um Wohnimmobilien. Das Berliner Kudamm-Karree, das inzwischen geschlossene Theaterbühnen beherbergte, ist ein Lehrbeispiel dafür, was passiert, wenn mit Immobilien spekuliert wird. Es wurde im letzten Jahrzehnt dreimal verkauft. Jedesmal als ein sog. Share Deal, bei dem nicht direkt Grundstücke, sondern Anteile an den Grundstücken verkauft werden. Dadurch musste der Käufer keine Grunderwerbsteuer bezahlen. Dem Land Berlin entgingen allein für dieses Objekt 25 Millionen Euro Grunderwerbsteuer. Völlig legal. Auch die DW hat von diesem Steuerschlupfloch profitiert.
Der Staat verliert durch solche Tricksereien pro Jahr bundesweit eine Milliarde Euro. Solche Immobilienspekulationen gehen außerdem immer zulasten der Mieter. Die Grunderwerbsteuer liegt – je nach Bundesland – zwischen 3,5 und 6,5 Prozent des Kaufpreises. Grunderwerbsteuer fällt bei jedem Immobilienkauf an. Werden die Immobilien aber in eine Gesellschaft gepackt, wechseln juristisch nicht die Immobilien den Eigentümer, sondern die Gesellschaft bzw. Anteile davon. Steuerlich liegt kein Immobiliengeschäft vor, wenn mindestens 5 Prozent von einem weiteren Gesellschafter gehalten werden. Dann fällt die Grunderwerbsteuer weg. Bisher hat die Bundesregierung noch keine Gesetzesinitiative gestartet, dieses Steuerschlupfloch zu schließen.
Beim Kudamm-Karree kommt noch dazu, dass als Eigentümer zur Hälfte eine Briefkastenfirma aus Panama firmiert. Briefkastenfirmen sind auch für die organisierte Kriminalität ein gebräuchliches Vehikel, um die wahren Eigentümer zu verschleiern. Dank der Gewinne, die sie aus anderen kriminellen Geschäften generiert haben, haben Mafiosi eine gut gefüllte Kriegskasse, um im Berliner Immobilienmarkt zu investieren und dazu beizutragen, dass die Preise steigen. Immobiliengesellschaften gehörten schon immer zu den Anlageobjekten der Organisierten Kriminalität, etwa der Camorra, Cosa Nostra und ’Ndrangheta.
Nach Fakten, die der Nichtregierungsorganisation «Mafia – nein danke» und den italienischen Ermittlungsbehörden bekannt sind, hat die italienische Mafia auch Berlin und dessen Immobiliensektor als Anlageziel im Visier. Eine von Prof. Bussman von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 2015 im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen durchgeführte Dunkelfeldstudie schätzt das Volumen der Geldwäsche im Nichtfinanzsektor, vornehmlich im deutschen Immobiliensektor, auf jährlich 20–30 Mrd. Euro. Der Immobiliensektor ist besonders anfällig für Geldwäsche. Es ist relativ leicht, den tatsächlichen Wert einer Immobilie durch diverse Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden je nach Bedarf hoch- oder herunterzurechnen. Die tatsächlichen Eigentümer könne sich gut hinter Strohmännern und verschachtelten internationalen Firmengeflechten verstecken.
Die Rolle von Grünen und LINKEN
DIE LINKE und die Grünen im Bundestag weisen in vielen Kleinen Anfragen mit durchaus zutreffenden Argumenten darauf hin, dass Gewerbeunternehmen, u.?a. auch Immobilienmakler, ihre Pflichten nach dem Geldwäschegesetz nicht ansatzweise erfüllen und Kriminelle, einschließlich der Mafia, in Deutschland dadurch paradiesische Zustände vorfinden. Dafür machen sie die Bundesregierung verantwortlich. Diese Stellungnahmen der parlamentarischen Opposition im Bund haben jedoch einen faden Beigeschmack, folgen sie doch dem im Parlamentsbetrieb bekannten Muster, dann lauthals «Haltet den Dieb» zu schreien, wenn es an eigener Zuständigkeit für den Gesetzesvollzug fehlt. Damit lenken Parlamentarier im Bund vom Nichtstun ihrer Parteien in den Bundesländern ab, in denen sie die Regierung stellen und – wie im Fall Berlins – für die Einhaltung der Vorschriften bei Geldwäsche verantwortlich sind. Sind LINKE und Grüne jedoch in Regierungsverantwortung, wird die zerstörerische Wirkung von Geldwäsche und organisierter Kriminalität für Gesellschaft und Ökonomie entpolitisiert und verniedlicht – ganz so, wie es auch die Bundesregierung tut. Deren Verhinderung wird dann als lästiger Kostenfaktor in den Länderhaushalten behandelt.
Anders als der Bund, der für die Einhaltung des Gesetzes im Finanzsektor zuständig ist, müssen die Bundesländer das Geldwäschegesetz im Nichtfinanzsektor umsetzen. Dafür haben sie seit Jahren einschneidende Instrumente in der Hand, die sogar weiter gehen als die Kompetenzen von Staatsanwaltschaften. Sie können jedes Gewerbeunternehmen ohne besonderen Anlass betreten, dort die Bücher auf Verstöße prüfen, Unterlagen sicherstellen und Sanktionen verhängen, die Bußgelder in Millionenhöhe und Instrumente der Gewinnabschöpfung vorsehen.
So die Theorie. In der Praxis sieht der Gesetzesvollzug in Berlin allerdings so aus, dass für die Aufsicht über mehrere zehntausend Gewerbeunternehmen einschließlich der Immobilienmakler, die unter dieses Gesetz fallen, bei der zuständigen grünen Senatorin für Wirtschaft, Ramona Pop, zwei Planstellen vorhanden sind, von denen eine derzeit unbesetzt ist. Diese «Vollzugsdichte», die nicht einmal mehr Feigenblattfunktion hat, hat sie von ihrem Vorgänger im Amt, Harald Wolf (DIE LINKE) übernommen.
Die im Medienjargon «wirtschaftsnahe» grüne Senatorin Pop ist «everybody’s darling» der Berliner Industrie- und Handelskammer. Der frühere Berliner Senator und Rechtsanwalt Gregor Gysi (DIE LINKE) steht dem in nichts nach. Zu seinen Mandaten gehört ein Verband der Immobilienmakler. Wer glaubt, dass Berliner Regierungsparteien, die nicht einmal etwas gegen den Einfluss der Mafia im Berliner Immobiliensektor unternehmen, die Interessen der vielen Mieter und ihrer Wähler in der Stadt gegen die großen Immobiliengesellschaften vertreten, dürfte sich getäuscht haben.
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