Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2018
von Udo Bonn

Im 64.?Regierungsjahr des Kaisers Hirohito wurde die siebenjährige Shoko in der japanischen Präfektur entführt und konnte trotz Lösegeldzahlung nur tot aufgefunden werden. Der Täter konnte nicht gefasst werden. Im Dezember 2002, 13 Jahre später, wird der Generalinspekteur aus Tokyo die Präfektur aufsuchen, um den einsamen Vater des ermordeten Mädchens zu besuchen und um vor der versammelten Presse eine Erklärung abzugeben.

Furcht herrscht in der Kriminalabteilung und in der dazugehörigen Verwaltung. Gleichzeitig befindet sich der lokale Presseclub im Aufruhr: Die Verwaltungsbehörde hat angekündigt, den Namen einer Unfallfahrerin nicht preiszugeben. Diese Anweisung der obersten Bürokratie bringt den Pressedirektor Mikami, dem an einem offenen Umgang mit den Medien gelegen ist, in nicht gekannte Zwickmühlen. Mikami ist eigentlich Polizist, aber von der allmächtigen Personalabteilung auf diesen Posten versetzt worden. In nur einer Woche muss er die Presseleute beruhigen und zur Kooperation bewegen, er muss die ablehnende Haltung des Vaters gegen über dem Besuch des Präfekten aufweichen und gleichzeitig muss er den Fallstricken der Bürokratie aus dem Weg gehen.

Scheinbar kämpft jeder gegen jeden, aber worum es geht, wird nicht ausgesprochen. Eine Mauer von brutalem Schweigen, Arroganz der Macht und Karriereabsicherung. Mikami hetzt durch die Provinz, bei alten Kolleginnen und Kollegen, bei ehemaligen Vorgesetzten findet er Puzzlestücke, die er mühsam zusammensetzt: Die Polizei hat bei der Entführung einen entscheidenden Fehler gemacht hat und der wurde vertuscht. Mikamie weiß bald nicht mehr, wem seine Loyalität gehören soll. Darüberhinaus wird seine berufliche Krise noch durch eine persönliche verschärft, denn seine jugendliche Tochter hat die Familie verlassen, ihr Gesicht findet sie hässlich, zu sehr ähnelt es dem des Vaters. Schweigeanrufe treiben Mikami und seine Frau in die Depression, sie wissen nicht mehr, wie sie miteinander umgehen sollen. Auch hier Schweigen. Und dann geschieht eine neue Entführung.

Hideo Yokoyama: 64. Übers. Sabine Roth und Nikolaus Stingl. Hamburg: Atrium, 2018. 768 S., € 28

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