von Violetta Bock
Nach Berlin, Hamburg und Bremen startete am 26.Juli auch in Bayern die Initiative für ein Volksbegehren «Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern». 12.000 Pflegekräfte fehlen laut Ver.di allein in Bayerns Krankenhäusern. Hier will das Volksbegehren Abhilfe schaffen.
In Bayern eröffnet das Krankenhausfinanzierungsgesetz explizit die Möglichkeit, auch personelle Maßzahlen festzulegen. Im Volksbegehren wird die Wiedereinführung der Pflegepersonalregelung (PPR) gefordert sowie verbesserte Hygienestandards zur Sicherheit der Patienten, etwa durch Einstellung zusätzlicher Reinigungsfachkräfte. Die PPR ist ein Bemessungssystem, das bis in die 90er Jahre galt und im Zuge der Ökonomisierung des Gesundheitswesens abgeschafft wurde; sie misst die Anzahl der Pflegekräfte am Bedarf der Patienten mit Hilfe eines klaren Personalschlüssels pro Funktionsbereich. So wäre etwa bei hochintensivem Versorgungsbedarf pro Patient eine Pflegekraft vorgeschrieben.
Zur Bemessung des Personals sollen Krankenhäuser verpflichtet werden, jährlich auf der Grundlage des Vorjahres eine Personalplanung pro Station und Bereich zu erstellen. Ebenso werden Konsequenzen festgelegt, wenn der Personalschlüssel nicht eingehalten wird. In jährlichen Berichten soll dies überprüft, bei Nichteinhaltung sollen Maßnahmen zur Erfüllung dargelegt werden, erfolgt auch das nicht, werden Krankenhäuser gezwungen in den betroffenen Bereichen so viele Kapazitäten zu schließen, bis der Personalschlüssel wieder eingehalten wird.
Im ersten Schritt werden für das Volksbegehren 25.000 Unterschriften bis Ende des Jahres benötigt, angestrebt werden 40.000 bereits bis zur Landtagswahl am 14.Oktober. Schon in den ersten zehn Tagen wurden über 3000 Unterschriften gesammelt und von Arztpraxen, Patienten und weiteren Unterstützern 70.000 Listen angefordert. Inzwischen gibt es zahlreiche lokale Aktivenkreise und über 40 Sammelstellen, meist in den Büros von Ver.di, der LINKEN und der SPD.
Gestartet wurde das Volksbegehren 2018 von sieben Initiatoren – Krankenhausbeschäftigte, Patienten, Gewerkschaftssekretäre und Politiker. Das breite Bündnis setzt sich unter anderem aus Ver.di, dem Marburger Bund, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe, DIE LINKE, SPD und den Grünen zusammen.
Die Pflegekampagne hat durch die Volksentscheide eine weitere Stufe genommen. Nun werden nicht nur die Fragen der Ökonomisierung des Gesundheitsystems aufgeworfen, sondern auch Fragen der Demokratie. Denn trotz zahlreicher Aktivitäten ist auf politischer Ebene noch nicht viel passiert. Letztendlich geht es beim Pflegenotstand um einen Paradigmenwechsel und die Zurückeroberung der Pflege als öffentliches Gut, das dem Markt und dem kapitalistischen Verwertungsprozess entzogen werden muss. Dies wird im Volksbegehren auch klargestellt. Krankenhäuser müssen wieder Orte der Daseinsvorsorge werden, das ist nicht nur für die Beschäftigten besser, sondern ebenso für Patienten und Angehörige und damit für alle.
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