von Rolf Euler
Im Ruhrgebiet gilt das Interesse der Museumsbetreiber in diesem Jahr vorrangig der Beendigung der Steinkohlenförderung auf den letzten beiden Bergwerken. Damit soll mehr als nur örtliches oder kurzfristiges Interesse angesprochen werden. Es ist Anlass für 17 Kunstmuseen, Bilder, Videos oder Skulpturen diesem Thema zu widmen. Für die Industriemuseen der beiden Landschaftsverbände gilt sozusagen «Bergbau» und alles was damit zu tun hat, als «Pflichtveranstaltung».
Nicht am Rand des Reviers, aber eher am Rand der Aufmerksamkeit befasst sich das Industriemuseum auf dem ehemaligen Bergwerk «Zollern» in Dortmund mit den handelnden Personen, den ehemaligen Bergleuten der Anlage, ihrer Arbeits- und Wohnsituation im umliegenden Viertel, ihrer Familiengeschichte.
Zum anderen – und für überörtliches Interesse wichtigeren – Teil geht es um die Orte im Revier, die, vom Strukturwandel bedroht, durch Jugend- oder Bürgerinitiativen neu belebt wurden. Fotos, alte Zeitungen, Videos zeigen die Menschen in Bewegung. Es geht dabei um den Erhalt von Arbeitersiedlungen oder um die Neubesetzung von stillgelegtem Bergwerksgeländen und Gebäuden. Da gibt es eine Vielzahl von «Arbeiterinitiativen», wobei es sich oft um sehr aktive Frauen handelt, die sich z.B. vor die Verwaltung setzen bis zum Hungerstreik, weil sie Wohn- und Lebensraum zu günstigen Preisen erhalten wollen.
Man muss dazu wissen, dass im Revier mit dem industriellen Bergbau der gewaltige Zuzug von Arbeitskräften und die Konkurrenz zwischen den Bergwerksgesellschaften dazu führte, dass rund um viele Bergwerke auf dem platten Land Kolonien entstanden, oft als Gartenstädte geplant, mit günstigen Wohnmöglichkeiten für die großen Familien – solange der Mann auf dem Pütt arbeitete. Diese Kolonien waren den Gesellschaften, die ihre Pütts ab Ende der 50er Jahre stilllegten, ein lästiger «Kostenfaktor», den sie loswerden wollten, oder zumindest in Wohnsiedlungen mit Mehrfamilien- und Hochhäusern ohne Nutzgärten umwandeln wollten.
Der berühmteste Fall ist die Kolonie Eisenheim in Oberhausen, deren Bewohner einen jahrelangen Kampf um ihren Erhalt führten. Deren Erfolg ist zum guten Teil einer kämpferischen Bewohnerschaft, einer breiten Unterstützung aus anderen Bevölkerungsteilen und dem damaligen «Protest-Zeitgeist» zu verdanken – zu betrachten nach wie vor in Oberhausen. In vielen Bergbaustädten gab es ähnliche Initiativen, Wohnviertelzeitungen, Proteste und Besetzungen, nicht alle verliefen erfolgreich, das Museum zeigt auch die Gegenbeispiele, wo, wie in Duisburg riesige Hochhäuser auf dem Areal der kleinteiligen Gartensiedlung entstanden. Die sozialen Folgen dieser Architektur türmen sich in den letzten Jahren.
Dazu zeigt das Museum die Bewegungen zur Weiternutzung der stillgelegten Gebäude am Beispiel der Zeche «Carl» in Essen und des Bahnhofs Bochum-Langendreer, wo vor allem Jugendliche diese Gebäude besetzten, um daraus selbstverwaltete Kulturzentren zu machen – in beiden Fällen gegen politischen Widerstand und mit letztlichem Erfolg. Beide Kulturzentren gibt es nach wie vor, allerdings nicht in dem politisch radikalen Zuschnitt, wie sie damals entstanden.
Protest und Widerstand, der die Orte der Bergarbeit in Orte des Wohnens und Lebens umwandelt – das ist (leider) inzwischen auch»museumsreif». Gerade deswegen sollte die Ausstellung auf Zollern – bis Ende Oktober noch zugänglich – besucht werden, um die alten Erfahrungen in neuen Zeiten nicht verkümmern zu lassen.
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