von Paul Michel
Als am Tag nach der Dieselgipfelnacht die Bundesregierung die Ergebnisse präsentierte, wähnten sich etliche Journalisten auf einer Autoverkaufsshow. SPD-Umweltministerin Svenja Schulze erklärte den Diesel höchstpersönlich zur Zukunftstechnologie und der CSU-Verkehrsminister Scheurer pries in Autoverkäufermanier «attraktive Leasingangebote» sowie Prämien und Sonderangebote der einzelnen Autohersteller.
Beim jüngsten Dieselgipfel ging es nicht darum, etwas gegen die Gesundheitsrisiken, gegen Feinstaub oder Stickoxide zu tun. Sollte es zwar, tat es aber nicht. Ziel und Zweck der Showveranstaltung von Regierung und Autoindustrie war, so zu tun, als ob sie etwas täten und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Autoindustrie nichts tun muss. Vor allem aber ging es darum, die nach den Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) von Gerichten ausgesprochenen Fahrverbote auszuhebeln und bei der Bevölkerung dafür Akzeptanz zu schaffen, dass die Autoindustrie weiter tun und lassen kann, was sie will.
Wenn unumstritten ist, dass Stickoxide Menschen krank machen, müssten bundesweite Regelungen zum Schutz der Gesundheit der Menschen her und nicht nur Maßnahmen für die 14 Städte mit der besonders starken Belastung. Die Regierung müsste die Grenzwerte deutlich senken und engmaschig überwachen. Die GroKo aber hat den zulässigen Grenzwert für Euro-5-Fahrzeuge von 180 Milligramm auf 250 Milligramm sogar noch erhöht.
Die von Scheurer angepriesenen Rabatte und Preisnachlässe bei Umtauschaktionen gibt es nur für Fahrer im Einzugsbereich der 14 am meisten belasteten Städte. Und auch nur dann, wenn ein Produkt desselben Herstellers gekauft wird. Beim Umtausch werden ältere Diesel durch Euro-6-Pkw ersetzt. Dabei sind diese Euro-6-Pkw zum Teil ausgesprochene Dreckschleudern, ihr Ausstoß liegt z.T. bei 900 Milligramm. Aber weil sie als Euro-6 Fahrzeuge nicht von gerichtlichen Fahrverboten betroffen sind, ist für Regierung und Autoindustrie alles bestens!
In Sachen Hardware-Nachrüstung tut sich wenig. Hardware-Nachrüstungen soll es für schwere Fahrzeuge der Kommunalverwaltungen, für Taxen sowie für Handwerker- und Lieferfahrzeuge geben. Diese will der Bund zu 80 Prozent finanzieren. Dieses Programm gilt auch wieder nur für die hoch belasteten Kommunen. Die Autoindustrie ist zu nichts verpflichtet.
Für Herrn und Frau Jedermann ist dagegen in Sachen Hardware-Nachrüstung nichts vorgesehen. Dazu heißt es im Dieseldeal, der Bund erwarte vom jeweiligen Hersteller, «dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt». Nun haben die Hersteller bereits deutlich gemacht, dass sie die Kosten für die Hardware-Nachrüstung nicht übernehmen wollen. Und die Regierung? Keine Reaktion. Also machen die Autokonzerne in Sachen Hardware-Nachrüstung das, was ohnehin wollten: Nichts!
Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Partei DIE LINKE, bemerkte dazu: «Die Groko beißt nicht die Hand, die sie füttert. Ihre Wohltäter von Daimler, BMW und Co. müssen nicht befürchten, für ihre umwelt- und gesundheitsschädlichen Machenschaften zur Rechenschaft gezogen zu werden.» Immerhin haben im Juli 2018 die BMW-Erben 250000 Euro an die CDU gespendet, im Mai schenkte die Daimler AG CDU und SPD jeweils 100000 Euro.
Unter dem Strich ist der «Diesel-Kompromiss» eine dürftig verhüllte Verkaufshilfe für die Autoindustrie. Mit noch mehr Autos ist den leidenden Menschen in den verpesteten und verstopften Kommunen aber ebenso wenig geholfen wie den betrogenen Autokäufern. Dagegen kann sich die Autoindustrie nach der Luftbuchung der GroKo ins Fäustchen lachen.
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