von Violetta Bock
Es begann in der Charité, es ging weiter im Saarland, Essen, Düsseldorf… Nach der Organisierung in einigen Krankenhäusern, wachsen gesellschaftliche Bündnisse zur Unterstützung der Streiks. Und in vier Bundesländern werden Pflegeentscheide durchgeführt.
Am 9. bis 11. November folgte der nächste Schritt. In Hamburg wurde zum bundesweiten Bündnistreffen eingeladen. Eingeladen waren alle, die irgendwo in einem zivilgesellschaftlichen Bündnis gegen den Pflegenotstand mitarbeiten oder eines gründen wollen. Obwohl erst ein paar Wochen zuvor das Treffen «Krankenhaus statt Fabrik» in Stuttgart stattgefunden hatte, kamen etwa 50 Aktive aus elf Städten. Der Zusammenhang «Krankenhaus statt Fabrik» existiert schon länger und setzt sich mit den Entwicklungen in der Gesundheitspolitik von Privatisierung bis zu Fallpauschalen auseinander. Hier sind Organisationen wie Ver.di und der Verein Demokratischer Ärztinnen & Ärzte (VDÄA) vertreten. Zur Bündnisarbeit gab es auch schon kleinere Treffen, etwa der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das Bündnistreffen im November war nun allerdings das erste größere, bei dem der Erfahrungsaustausch über die regionale Bündnisarbeit und die politische Herangehensweise im Vordergrund stand.
Jens Spahns Gesetzentwurf
Zu Beginn ging es um Spahns neues Pflegepersonalstärkungsgesetz. Wie leider von Spahn nicht anders zu erwarten, ist es genau das Gegenteil von dem, was nötig wäre. Wie das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus bemängelt, schreibt das Gesetz den Pflegenotstand fest, da die Personalplanung sich weiterhin nicht am Bedarf der Menschen orientiert, sondern an sehr willkürlichen Untergrenzen. Nur in bestimmten Bereichen (Geriatrie, Unfallchirurgie, Intensivstationen, Kardiologie) und nur in den allerschlimmsten Fällen soll demnach durchschnittlich mehr Personal eingesetzt werden.
Die Befürchtung besteht daher, dass das Gesetz sogar zum Abbau von Personal führen kann, und dafür gibt es bereits erste Anzeichen. Notwendig wäre die Ermittlung des tatsächlichen Pflegebedarfs, aber genau dies wird umgangen. «Dieses Gesetz hat ein schwarzes Loch in seinem Zentrum – es fehlt ein Instrument zur Personalbemessung, und genau das wollen wir liefern. Unser Gesetz wäre in dieser Situation der entscheidende Baustein zur Beendigung des Pflegenotstands in den Hamburger Krankenhäusern», kommentiert Axel Hopfmann, Sprecher des Hamburger Bündnisses, den Gesetzesentwurf des Volksbegehrens Hamburg.
In der Politik ist das Thema nur dem Namen angekommen, noch wird sich auf jede erdenkliche Art gewunden, etwas gegen den Pflegenotstand zu unternehmen, was Gewinne und Profite antasten könnte. Genau dafür ist gesellschaftlicher Druck notwendig, der von Beschäftigten und regionalen Bündnissen getragen wird.
Tarifbewegung, Volksentscheide, Aktionen
Bundesweit gibt es inzwischen etwa zwanzig solcher Bündnisse. Das Treffen in Hamburg hatte sich deshalb die Verbesserung der Vernetzung und den Erfahrungsaustausch vorgenommen. Dafür wurden am Samstag vier Arbeitsgruppen eingerichtet. In der ersten wurden die tariflichen Auseinandersetzungen behandelt. Dabei ging es nicht nur um die Frage, wie sie bestmöglich zu unterstützen sind, sondern auch darum, wie mit Ver.di umgegangen wird. Die Erfahrungen mit der Gewerkschaft sind regional sehr unterschiedlich. Während in manchen Orten die Gewerkschaft voll hinter den Bündnissen steht, agiert Ver.di in Hamburg gegen das Bündnis, in anderen Städten wird es zwar vom Fachbereich Gesundheit, aber nicht von der gesamten Gewerkschaft unterstützt.
In der zweiten Arbeitsgruppe ging es um die Volksentscheide. Derzeit werden sie in Berlin, Bremen, Hamburg und Bayern durchgeführt und haben sich als effektives Mittel herausgestellt, um den Kontakt zu den Beschäftigten zu stärken und die Unterstützung der Öffentlichkeit, von Patienten, Angehörigen usw., zu mobilisieren. In weiteren Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, sind sie geplant.
Das ist umso drängender, als der Senat in Hamburg gegen den Entscheid des Hamburger Pflegebündnisses Anfang November Klage eingereicht hat. Der Gesetzesvorschlag des Volksbegehrens soll vom Verfassungsgericht überprüft werden, weil darin die Personalbemessung in die Zuständigkeit der Krankenhäuser fallen soll – und damit auch die Zahl der Einstellungen. Der Senat argumentiert, dass es für die Personalbemessung Gesetze auf Bundesebene gibt, der Inhalt des Volksbegehrens damit nicht in die Zuständigkeit des Landes falle und somit nicht wirksam sei.
Zweitens beklagt der Senat, dass der Volksentscheid verschiedene Bereiche koppelt. So betreffen die vom Gesetzentwurf angestrebten Regelungen nicht nur Pflegekräfte, sondern ebenso Hebammen und Reinigungskräfte. Der Ausgang der Klage ist noch ungewiss und nicht nur eine juristische, sondern auch eine politische Frage, die wegen ähnlich lautender Texte auch für andere Regionen brisant werden kann. Gerade deshalb ist es wichtig, auch in weiteren Bundesländern mit Volksbegehren den Druck zu erhöhen.
In einer dritten Arbeitsgruppe ging es um Aktionsformen und Ideen neben Streiks und Volksbegehren. In Hamburg wurden vor dem Hintergrund des niedrigen Organisationsgrads und der Schwierigkeiten mit Ver.di gute Erfahrungen mit der Klagemauer gemacht. Das Prinzip ist simpel: Beschäftigte, Patienten und Angehörige werden aufgefordert, auf einer Pinnwand vor einem Krankenhaus die Probleme in der Pflege aufzuschreiben. Dadurch werden Kontakte aufgebaut und man lernt die spezifischen Probleme in einem Haus kennen. Solch gezielte Aktionen konnten dazu beitragen, betriebliche und organisierende Kerne in Krankenhäusern aufzubauen.
Es wurden aber auch Aktionen diskutiert, die man bundesweit gemeinsam durchführen kann – etwa ein olympischer Brief, der von Norden bis Süden von Krankenhaus zu Krankenhaus weitergereicht wird und auf dem Beschäftigte für eine bedarfsgerechte Pflege unterschreiben. Er wird im Januar in Flensburg starten und soll Anfang Juni bei der Gesundheitsministerkonferenz überreicht werden.
In einer vierten Arbeitsgruppe wurden Erfahrungen mit Medien ausgetauscht.
Probleme
Während der Samstag dem Voneinanderlernen gewidmet war, ging es am Sonntag um die bessere Zusammenarbeit. Geplant sind eine gemeinsame Resolution, ein weiteres Bundestreffen sowie die Schaffung einer bundesweiten Struktur zur Verstetigung der Vernetzung und Zusammenarbeit. Die Konferenz war damit ein gelungener Auftakt für die bundesweite Zusammenarbeit der gesellschaftlichen Bündnisse gegen den Pflegenotstand. Bestehen bleibt die Herausforderung, wie man etwa Regionen wie das Saarland besser mit einbezieht. Dort ist die gewerkschaftliche Struktur und die Unterstützung durch Ver.di am stabilsten, bislang gibt es jedoch noch kein eigenständig agierendes Unterstützungsbündnis.
Auch die Zusammenarbeit mit der LINKEN ist ausbaufähig. Die Partei hat zwar selbst die Pflegekampagne ausgerufen und bei der Unterschriftensammlung aktiv mitgearbeitet, besonders in Bayern, dennoch war außer einzelnen Mitgliedern die Partei als Struktur beim Bündnistreffen nicht dabei. Sie führte stattdessen parallel ein Aktiven- und Aktionstreffen zur Pflegekampagne in Göttingen durch. Ähnliche Erfahrungen gibt es an vielen Orten. Daraus lässt sich gerade vor dem Hintergrund der Diskussionen um eine Bewegungspartei viel lernen.
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