von David Stein
Am 21. September hatte die Bundesregierung mit Mediengetöse zum großen «Wohngipfel» eingeladen: Bundesländer und Kommunen sowie – neben einigen Mieterverbänden – vornehmlich Lobbyisten der Immobilien- und der Bauindustrie.
Mehr Wohngeld für Geringverdiener, 5 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2021 und eine stärkere Beteiligung des Bundes am sozialen Neubau – das sind einige der Punkte des angekündigten Maßnahmepakets des sog. Wohnungsgipfels, zusammengefasst in einem Eckpunktepapier. Es enthält Altbekanntes wie das Baukindergeld oder steuerliche Sonderabschreibungen für den Mietwohnungsbau, und viele Forderungen, die wie die Nachjustierung der Mietpreisbremse und der Absenkung der Modernisierungsumlage schon längst im parlamentarischen Verfahren oder, wie der «vergünstigte Verkauf» von bundeseigenen Grundstücken an die Kommunen, bereits Teil des Koalitionsvertrags sind.
Im übrigen bleibt das Papier in vielen Aussagen, etwa bei der Erschwerung der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, vage und unverbindlich. Auch bei «missbräuchlichen Steuergestaltungen» zur Umgehung der Grunderwerbsteuer beim Grundstückskauf mittels sog. «Share Deals» (Verkauf des Unternehmens anstelle des Grundstücks) konnte bisher kein Gesetzesentwurf präsentiert werden.
Das Elend mit den Sozialwohnungen
Die Ankündigung, mit mehr Fördermitteln des Bundes den Bundesländern, die seit 2007 für den sozialen Wohnungsbau zuständig sind, unter die Arme zu greifen und mit zusätzlichen 5 Milliarden Euro weitere 100000 Sozialwohnungen in dieser Legislaturperiode entstehen zu lassen, ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Dies würde auch bei noch mehr Fördermitteln so bleiben, solange das Förderkonzept unverändert bleibt.
In Deutschland fehlen mindestens 2 Millionen Sozialwohnungen. Die Initiative der Bundesregierung würde nicht einmal ausreichen, um den jetzigen Bestand an Sozialwohnungen zu sichern und ein weiteres Abschmelzen des Bestands zu verhindern. Anfang der 90er Jahre gab es noch 2,9 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. 2017 waren es nur noch 1,2 Millionen. Viele Kommunen haben in den vergangenen Jahren einen Teil ihrer Wohnungsbestände verscherbelt, einerseits, um ihre Haushalte zu sanieren, aber auch weil man von schrumpfenden Städten ausging.
Ein besonders krasses Beispiel ist das Land Berlin, das in Folge des Beinahezusammenbruchs der Berliner Landesbank und der vom Land dafür bereitgestellten Garantien mit dem Verkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft GSW mit über 70000 Wohnungen an den börsennotierten Finanzinvestor «Deutsche Wohnen» Haushaltsdefizite abbauen wollte.
Seit Jahren explodieren die Mieten in den Ballungsräumen. Die Verwertungsökonomie der Immobilienwirtschaft hat viele Städte fest im Griff. Das vorgelegte Maßnahmenbündel ist nicht ansatzweise geeignet, die galoppierende Wohnungskrise und das Schaffen von Wohnraum für Gering- und Durchschnittsverdiener schnell und entschlossen zu begegnen. Darin waren sich auch die vielen Mieterinitiativen und der DGB sowie die Einzelgewerkschaften einig, die sich einen Tag vor dem Wohngipfel unter dem Motto «Zusammen gegen Mietenwahnsinn» zu einem alternativen Mietgipfel für bezahlbaren Wohnraum in Berlin zusammengefunden hatten.
Die falschen Hebel
Der einzige Fortschritt des Wohngipfels war, dass das neoliberale Mantra der Immobilien- und Baulobby: «Bauen, bauen, bauen und Reduktion der Bauvorschriften» bei der Bundesregierung nicht mehr richtig verfängt. «Klotzen statt Kleckern für bezahlbare Wohnungen», wie das Ergebnis des Wohngipfels von Finanzminister Scholz verkauft wurde, sieht aber anders aus. Die Beschlüsse bewegen sich alle im Fahrwasser staatlicher Wohn- und Mietenpolitik und sind selbst in diesem Zusammenhang fragwürdig:
Baukindergeld ist wohnungspolitisch unsinnig, da es nur zu Mitnahmeeffekten in ländlichen Regionen führt und sich in den Städten bei der Verdoppelung der Immobilienpreise innerhalb von fünf Jahren nicht einmal mehr als Anreiz zum Kauf von Eigentumswohnungen eignet. Steuerliche Sonderabschreibungen für den Mietwohnungsbau machen nur Sinn, wenn sich die Bauherren gleichzeitig verpflichten, dass Mietwohnungen der Sozialbindung unterliegen und bestimmte Mietobergrenzen nicht überschreiten.
Gesetzliche Mietobergrenzen und das Einfrieren der Mieten auf dem derzeitigem Stand, was ein erster wichtiger Schritt gegen den «Armutstreiber steigende Mieten» sein könnte und auch ein Mittel gegen Mietsteigerungen bei bereits vorhandenen Wohnungen wäre, sind für die Bundesregierung jedoch tabu.
Wie könnte «Klotzen statt Kleckern für bezahlbare Wohnungen» aussehen?
Bei Banken galt bisher für das Privatkundenkreditgeschäft die Faustregel, dass bei einem Aufwand von mehr als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens für Wohnen die Zahlungsfähigkeit in Frage gestellt wird. Zahlreichen Mietern in den großen Städten frisst die Miete mittlerweile 50 Prozent und mehr des verfügbaren Einkommens auf. Mit einer von der Bundesregierung angekündigten Wohngeldreform, wie sie auch vom DGB gefordert wird, der Anhebung des Wohngelds, des Leistungsniveaus und der Reichweite dieser Leistung lässt sich das Problem allerdings nicht mehr lösen. Wohngeld war lange das wichtigste sozialstaatliche Steuerungsinstrument, um als zweckgebundener Zuschuss Wohnkosten und verfügbares Einkommen auszugleichen.
Der Wohnungsmarkt ist heute schon durch Wohngeld und Steuervorteile hoch subventioniert. Das Wohngeld ist aber eine staatliche Subvention, die die Mieten nicht senkt, sondern weitere Mietzinssteigerungen ermöglicht. Steigende Mieten haben immer höhere Wohngeldzahlungen und höhere Ausgaben für die Übernahme der Kosten der Unterkunft und für Sozialhilfebeziehende zur Folge.
Es ist also nicht so, dass der Staat in der Wohnungsfrage kein Geld in die Hand nehmen würde. Diese Gelder dürften inzwischen 25 Milliarden Euro pro Jahr überschreiten. Doch die heutigen Ausgaben stützen die bestehenden Marktverhältnisse, in denen Wohnung als Ware gilt. Private Investoren bauen oder kaufen Wohnungen aber nur dann, wenn sie für ihr investiertes Kapital mindestens die marktübliche Rendite erzielen. In der Praxis fließen diese Suventionen in die Taschen derjenigen Grundeigentümer, die von den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Marktes profitieren.
Nutznießer sind nicht die Allgemeinheit und erst recht nicht die Mieterinnen und Mieter mit geringen Einkommen. Die staatlichen Träger der «sozialen Sicherung des Wohnens» müssen sogar trotz sinkender Empfängerzahlen höhere Wohnkosten/Wohngeld übernehmen. Der Löwenanteil dieser Ausgaben entfiel im Jahr 2016 mit über 16 Milliarden Euro auf die «Kosten der Unterkunft» nach Sozialgesetzbuch II und XII. Da der Bund nur einen Teil dieser Kosten trägt, werden die betroffenen Kommunen stark belastet. Dabei reicht diese Summe noch nicht einmal aus.
Dieser Teufelskreis ließe sich dann durchbrechen, wenn zweckgebundene Bundesmittel in kommunale Wohnungsbauprogramme flössen, mit denen der Bau von Wohnungen unter der Maßgabe gefördert wird:
– dass die Mittel ausschließlich staatlichen oder genossenschaftlichen Wohnungsbaugesellschaften als Bauträger zur Verfügung gestellt werden,
– dass ein Verkauf bzw. eine Privatisierung der Wohnungen ausgeschlossen ist,
– dass die Programme ausschließlich aus staatlichen Mitteln finanziert und dadurch dauerhaft den Verwertungsinteressen des Marktes entzogen werden.
Das Zurverfügungstellen von Grundstücken des Bundes in den Städten über das Erbbaurecht für einen symbolischen Betrag unter Marktpreis wäre ein zusätzliches Förderungsinstrument.
Nur ein auf diese Weise entstehender und wachsender gemeinwirtschaftlicher Wohnungssektor, der eine demokratische Verwaltung von Bewohnern möglich macht, böte die Option für eine dauerhafte soziale Wohnungsversorgung zu leistbaren Mieten.
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