von Tina Ress*
Nun bekommen wir also am 8.März einen Frauenstreik. Wirklich? Um es vorwegzunehmen: Nein.
Bereits 1994 «streikten» ungefähr eine Million Frauen in der BRD. Es wurden damals, ähnlich wie heute, örtliche Frauenversammlungen abgehalten, vielfältige Ideen und Ausdrucksformen entwickelt, um den berechtigten feministischen Forderungen Öffentlichkeit zu verleihen und sie nach außen hin sichtbar zu machen. Über hundert «Streik»-Komitees gründeten sich, und auch damals gab es ein bundesweites Koordinierungstreffen. Breite Bündnisse zwischen verschiedenen Frauengruppierungen wurden geschmiedet, für die Überwindung der Spaltung zwischen Ost- und Westfrauen waren die Vorbereitungen zum 8.März heilsam, es gab vereinzelt Konsumboykott und einen sog. «Lächelstreik».
Jedoch, wenn man sich auf die Recherche begibt zu den Frauenprotesten von 1994, dann findet man auch eine Kritik, die heute leider nicht beachtet wird. Es war ein symbolischer Protest und kein Streik, der auf die Lohnarbeit zielte. Anstatt selbstkritisch mit den Ergebnissen von 1994 ins Gericht zu gehen und daraus zu lernen, zeigen die gerade entstehenden Ansätze wieder ähnliche Fehler wie die, die man damals auch beging. Zudem fehlten damals wie heute zwei wichtige Gruppen in diesen Vorbereitungen: People of Colour und Behinderte.
Gewerkschaften wurden auch damals viel zu spät mit einbezogen, verweigerten infolgedessen die Bereitschaft, einen tatsächlichen feministischen Streik mitzutragen, da Streiks außerhalb eines Arbeitskampfs, getragen von den Gewerkschaften, einen Geruch von politischem Streik haben. Gewerkschaften sind daran gebunden, Streiks nur im Fall von Tarifverhandlungen ausrufen zu dürfen, ansonsten drohen ihnen hohe Schadenersatzforderungen durch die Unternehmen. Das hat sich seit 1994 nicht geändert.
Wenn in verschiedensten Ländern immer wieder «wilde» Streiks großen Ausmaßes Aufmerksamkeit erregen, ist das die Arbeit von harter, mehrjähriger Vernetzungs- und Organisierungsarbeit. Im Zusammenhang mit den neueren Organisierungsversuchen wird gerne auf den Frauenstreik in Spanien verwiesen. Von mehreren Medien gut dokumentiert, war der Streik allerdings das Ergebnis eines über mehr als zwei Jahre andauernden Organisierungsprozesses. Dieser Organisierungsprozess ist in Deutschland aber gerade mal in den Kinderschuhen, Vernetzung findet erst nach und nach statt, in einigen Bereichen und Regionen Deutschlands gibt es noch überhaupt keine Vernetzungsstrukturen. Der Aufruf, man wolle einen Frauenstreik, wurde vor der eigentlichen Organisierungsarbeit in die Welt hinausgeschickt, bevor überhaupt klar war, wie die genaue Herangehensweise nun aussehen soll.
Die Gewerkschaften ins Boot holen
Und auch im spanischen Frauenstreik gab es Frauen, die nicht streiken konnten, aber doch eine der prekärsten Gruppen überhaupt sind: Frauen in illegalen Beschäftigungsverhältnissen und Frauen in Niedriglohnsektoren – sie mussten während des Streiks arbeiten, da sie keine andere Wahl hatten, wenn sie ihr Beschäftigungsverhältnis nicht verlieren wollten.
Dieses Problem besteht auch bei dem neuerlichen Versuch, einen Frauenstreik in Deutschland aufzubauen. Viele Frauen sind in prekären Arbeitsverhältnissen angestellt, befristet, in Teilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung. Bei Löhnen, die oftmals nicht mehr als den Mindestlohn hergeben. Hinzu kommen ungefähr 20 Prozent Frauen der deutschen Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (18–65 Jahre), die von Armut bedroht sind (laut Statistischem Bundesamt). Die arbeitsrechtlichen Bedingungen sind in Deutschland sehr eng gesteckt, ein willkürlicher Streik kann diese Frauen das Arbeitsverhältnis kosten und eventuell zusätzlich noch Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.
Hier wäre eine Strategie gemeinsam mit den Gewerkschaften wünschenswert, im Dialog um gute Herangehensweisen. In vielen Bereichen, in denen prekäre Arbeitsverhältnisse für Frauen vorliegen, finden schon seit geraumer Zeit Arbeitskämpfe statt oder wurden erfolgreich beendet, wie zum Beispiel in Pflege- und Gesundheitsberufen, im Einzelhandel gerade sehr aktuell oder zuletzt beim Bordpersonal der Fluggesellschaft Ryanair. Die dort Beschäftigten sind bis auf wenige Ausnahmen Frauen. Die Ansatzpunkte für einen Frauenstreik ergeben sich sozusagen direkt in gelebten Arbeitskämpfen und in den Betrieben. Gerade in Betrieben, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, besteht die Notwendigkeit, dort organisierend zu wirken, Kollektivität herzustellen und einzelne Frauen dadurch zu schützen. Dafür bedarf es aber eben einer gemeinsamen Strategie mit den Gewerkschaften.
Mit Blick auf die erwähnten Probleme und auf die Gewerkschaften, die sich heute zwar solidarisch zeigen, bislang aber kaum Bereitschaft zeigen – wegen der zu späten Kommunikation –, zum Streik aufzurufen, muss man sich fragen, ob der Begriff «Streik» im Zusammenhang mit dem 8.März nicht schon inflationär gebraucht wird. Ein Streik im klassischen Sinne meint eine Arbeitsniederlegung, um den Arbeitgeber mit ökonomischen Einbußen durch Arbeitsausfall zum Einlenken bei Tarifforderungen zu bewegen.
Der Frauenstreik ist so allenfalls rhetorisch ein Streik, ökonomisch und tatsächlich nicht, denn der Protest würde beim jetzigen Stand keine ökonomischen Auswirkungen auf kapitalistische Großkonzerne haben. Die feministischen Forderungen sind berechtigt, trotzdem wird es wohl bei einem symbolischen Protest bleiben und nicht in einen echten Streik münden.
* Tina Ress war gewerkschaflich im Betrieb aktiv und studiert jetzt Soziologie und Politikwissenschaft. Sie hat am Vernetzungstreffen in Göttingen teilgenommen.
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