Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2019
Klaus Dallmer: Die Meuterei auf der «Deutschland» 1918/19 – Anpassung, Aufbäumen und Untergang der ersten deutschen Arbeiterbewegung. Berlin: Die Buchmacherei, 2018. 320 S., 12 Euro
von Peter Nowak

«Lasst euch nicht verdrießen. Denn wir wissen absolut! Noske, der wird schießen.»
Dieses Spottlied auf einen berüchtigten SPD-Politiker, der für die Massaker an rebellischen Arbeitern nach der Novemberrevolution verantwortlich war, stammt bereits von 1907. Damals schon stand Gustav Noske auf dem rechten Flügel der SPD und war als Reichstagsabgeordneter Experte für Kolonialpolitik und Militärfragen. In dieser Funktion forderte er im Reichstag, Arbeitsplätze auf deutschen Schiffen sollten nur Deutschen vorbehalten sein, und erklärte, im Falle eines Angriffs würde die SPD Deutschland verteidigen. Zur gleichen Zeit, 1907, war Karl Liebknecht unter Anklage des Hochverrats wegen Verfassens antimilitaristischen Schriften zu einer eineinhalbjährigen Zuchthausstrafe verurteilt worden.
Damals gehörten Noske und Liebknecht noch der gleichen Partei an. Zwölf Jahre später wird Noske für den Mord an Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Tausenden anderen Arbeitern mitverantwortlich sein. Klaus Dallmer hat sich mit seinem Anti-Geschichtsbuch Die Meuterei auf der «Deutschland» 1918/19 auf die Suche nach den historischen Kontinuitäten gemacht, die Noske zum selbsternannten Bluthund und Liebknecht zum Kämpfer für eine Gesellschaft ohne Kapitalismus und Krieg werden ließen.
Dort stellt sich der ehemalige Werkzeugmacher Klaus Dallmer die Frage, warum nur zwölf Jahre nach der Novemberrevolution die Nazis an die Macht kommen konnten und kein Generalstreik sie darin hinderte. Dabei hatte die Arbeiterbewegung im Kampf gegen den Kapp-Putsch im Jahr 1920 die Erfahrung gemacht, dass die Rechte besiegt werden kann, wenn alle Räder still stehen. Die Hauptverantwortung sieht Dallmer bei der SPD, der der bürgerliche Soziologe Max Weber bereits 1907 prognostizierte, nicht die Sozialdemokratie werde den Staat, sondern der Staat die Partei erobern.
Dieser Prozess begann nicht 1914, sondern wurde dort vollendet, wie Dallmer gut herausarbeitet. Hart ins Gericht geht der Autor allerdings auch mit der KPD von ihrer Gründung an, nach seiner Meinung ist sie zu früh erfolgt. Man hätte zumindest die Revolutionären Obleute von Anfang an mit ins Boot holen müssen. Nicht belegt ist seine Vermutung, Rosa Luxemburg habe über die KPD einen Parlamentssitz erringen wollen. Wenn auch Luxemburg auf dem Gründungsparteitag für den Wahlantritt der KPD stritt, was von Dallmer unterstützt wird, so hatte sie doch keine Parlamentskarriere geplant.
Auch der Einfluss der Sowjetunion auf die KPD wird im Buch teilweise überzeichnet. So richtig die Kritik am Beginn der Stalinisierung war, so sollte die Rolle der Komintern in den frühen 1920er Jahren doch differenzierter beurteilt werden. Es waren gerade die Linken in der KPdSU und der Komintern, die mit einer Revolution in Deutschland auch die Oktoberrevolution retten und einen Impuls für eine weltweite Ausdehnung der Revolution geben wollten. Das ist ein grundlegender Unterschied zur der Rolle der Komintern nach der Stalinisierung, wo revolutionäre Prozesse verhindert wurden, weil sie nicht ins außenpolitische Konzept der neuen Staatspartei passten. Hier wäre mehr Differenzierung wünschenswert gewesen.
Auch die starke Distanz des Autors zur radikalen Linken in- und außerhalb der Partei ist fragwürdig. Dallmer sympathisiert mit den Positionen der KPO, in der sich ausgeschlossene oder ausgetretene Mitglieder des sog. rechten Flügels der KPD organisiert hatten. Tatsächlich waren die vor allem von den KPO-Gründungsmitgliedern Heinrich Brandler und August Thal­heimer verfassten Analysen zum Faschismus und Nationalsozialismus treffend. Das verhinderte allerdings nicht, dass die KPO sich selbst zerlegte.
Sehr sympathisch ist Dallmers Motivation für das Buch. Er hält den Kampf für die Überwindung des Kapitalismus noch immer für notwendig und will dazu beitragen, dass dabei nicht die gleichen Fehler wiederholt werden.

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