von Daniel Tanuro
Gleich zu Anfang des UN-Klimagipfels in Katowice (2.–14.12.2018) hat die gastgebende polnische Regierung eine Resolution unterbreitet, die einen «gerechten Übergang» fordert. Darin hat Staatspräsident Andrzej Duda nachdrücklich die Bedeutung des sozialen Konsenses für eine erfolgreiche Umweltpolitik hervorgehoben. An die Adresse des französischen Staatspräsidenten gerichtet nahm er Bezug auf die Demonstrationen der gelben Westen und gab Macron den guten Rat, «die Erklärung für einen gerechten Übergang aufzugreifen, ein Wegweiser für ein gutes Gleichgewicht zwischen einer kohlearmen Wirtschaft, neuen Arbeitsplätzen und Lebensqualität».
Der polnische Vorstoß entbehrt nicht der Heuchelei. Duda, ein Klimawandelskeptiker und Nationalliberaler, manipuliert auf demagogische Weise die Sorge der Arbeitenden und ihrer Gewerkschaften um die Arbeitsplätze. In Wirklichkeit geht es ihm darum, die Verpflichtung Polens zur Senkung von Treibhausgasen im Interesse der Kohlebarone und der Energieunternehmen (Polens Strom kommt zu 80 Prozent aus der Kohlevebrennung) maximal niedrig zu halten.
Der Zuträger
Was die Presse aber nicht berichtet hat: Die «Erklärung von Schlesien für Solidarität und einen gerechten Übergang» ist keine Initiative der polnischen Staatsführung, sondern … vom Vorstand des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB). Deren Generalsekretär, Sharan Burrow, erklärte in einem vom IGB im November verbreiteten Dokument mit dem Titel «Vorrangige Forderungen der Gewerkschaften an die COP24»: «Die Regierungen können ihre Unterstützung kundtun, indem sie die Erklärung von Schlesien für Solidarität und einen gerechten Übergang unterzeichnen. Die Weltgewerkschaftsbewegung hat einen Text vorgeschlagen und die polnische Regierung hat sich die Initiative zu eigen gemacht.»
Wozu das Manöver? Warum wendet sich der IGB an die polnische Regierung, eine ausgemachte Feindin der Arbeiter und der Umwelt, damit sie dessen Erklärung für einen «gerechten Übergang» aufgreift? Dazu sei daran erinnert, wie der IGB auf seinem Kongress in Vancouver im Jahr 2010 das Konzept des «gerechten Übergangs» definiert hat. Dieses Konzept beschränkt sich nicht auf die Forderung, dass die Kosten für den ökologischen Umbau nicht auf die Arbeitenden abgewälzt werden dürfen. Es plädiert auch für einen Umbau, der «die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht gefährdet und die Staatshaushalte nicht über Gebührt belastet» (Art.5). Seine Stoßrichtung ist ziemlich neoliberal. Die Forderung nach Rücksicht auf die Wettbewerbsfähigkeit soll uneingeschränkt sogar für die fossilen Energiezweige gelten, die doch hauptsächlich verantwortlich für den Klimawandel sind!
Sozialpartnerschaft für grünen Kapitalismus
Unter dem Deckmantel des «gerechten Übergangs» und der ökologischen Verantwortung betreibt der IGB Sozialpartnerschaft. Sein Ziel ist, die bürokratischen Apparate der Sozialpartnerschaft zu schützen, um ihre Mittlerstellung zwischen den Unternehmern und der Welt der Arbeit zu erhalten. Je nach den Umständen tritt er beim ökologischen Umbau aufs Gaspedal oder auf die Bremse.
Seit dem Kongress in Vancouver hat der IGB den Pfad des «grünen Kapitalismus» eingeschlagen, der angeblich Millionen grüne und gute Arbeitsplätze schafft. Er arbeitet dabei vor allem mit der internationalen Unternehmorganisation im Rahmen der «Green-Job-Initiative» zusammen (unter der Ägide der UNO). Deren Berichte erklären lang und breit, dass «der gerechte Übergang» zu einer «nachhaltigen Entwicklung» eine harmonische Gesellschaft schaffen wird, in der sich die Welt der Arbeit voll entfaltet. Diese surrealistischen Dokumente abstrahieren vollständig von der unbarmherzigen Offensive, die die Unternehmer – grüne und andere – gegen die Welt der Arbeit führen.
Der Generalsekretär des IGB, Sharan Burrow, ist die Verkörperung dieser Politik. Er ist Mitglied der von Nicholas Stern gegründeten Kommission für globale Ökonomie und Klima – ein äußerst einflussreicher Thinktank des grünen Kapitalismus. Die Kommission hat verstanden, was das strategische Interesse an engen Beziehungen zum IGB ist, sie hat dessen Konzept des «gerechten Übergangs» deshalb übernommen, was den IGB sehr gefreut hat. Das ist nicht alles: Im Januar 2018 gehörte Madame Burrow zu einem Team von sieben Frauen, die ausgewählt waren, den Weltwirtschaftsgipfel in Davos zu leiten, in dieser Eigenschaft hat sie auch an der Schlusserklärung mitgearbeitet. Ihr zur Seite saßen Christine Lagarde, die Chefin des IWF, Ginny Rometti, Vorstandvorsitzende von IBM, und Isabelle Kocher, Vorsitzende von ENGIE, dem Energieversorgungsmulti mit Sitz in Paris. Wie schön ist doch dieser liberale Welt-Jetset, so fern von der Welt der Arbeit!
Bis dahin war alles bestens in der bestmöglichen der kapitalistischen Welten. Das Problem tauchte auf, als einige Politiker «ehrgeizigere Klimaziele» formulieren wollten, um die Treibhausgasemissionen in Einklang mit dem 1,5-°C-Ziel zu bringen. Das gefällt der Geschäftswelt nicht, weder den «schmutzigen» Kapitalisten, noch den grünen. Sie stimmen mit Nicholas Stern durchaus überein, der in seinem berühmten Bericht über die Ökonomie des Klimawandels 2006 schrieb: «Man darf nicht zuviel tun, und nicht zu schnell.»
Vor allem die Automobilunternehmer haben darauf noch einmal verwiesen, als das Europaparlament über die Klimaziele für 2030 abstimmen sollte. Und auf diskretere Art weisen sie Tag für Tag die Gewerkschaften darauf hin, etwa so: «Sagt euren Freunden, sie sollen beim Klima nicht zuviel und nicht zu schnell tun, sonst schadet das den Arbeitsplätzen…»
So war die Lage, als der IGB, zurück von Davos, die Marschrichtung änderte und sich an den nationalpopulistischen Klimawandelskeptiker Duda wandte, einen Kumpel von Trump, dessen Regierung Demonstrationen von Neonazis duldet, damit er auf der COP24 für den «gerechten Übergang» die Trommel rührt. Welch eine Farce!
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