Union nach dem CDU-Parteitag nicht wirklich gestärkt
von Manuel Kellner
Mit großem Aufwand hatte die CDU die Wahl der Nachfolge von Angela Merkel inszeniert, die 18 Jahre lang ihre Vorsitzende war und «nur» Bundeskanzlerin geblieben ist. Eine Kandidatin und zwei Kandidaten standen zur Auswahl, was als Sternstunde innerparteilicher Demokratie gefeiert wurde. Da gab es Regionalkonferenzen, deren Orte zu erreichen Friedrich Merz dazu zwang, mehrfach den Steuerknüppel in die Hand zu nehmen. Trotzdem erlaubten die 1000 Delegierten des Parteitags ihm dann doch nicht, das Parteischiff zu steuern und gaben Annegret Kramp-Karrenbauer mit knapper Mehrheit den Vorzug.
Beide unterlegenen Kandidaten, Friedrich Merz wie Jens Spahn, versprachen noch auf dem Parteitag, der Partei zu helfen und zur Verfügung zu stehen. Eine Zerrissenheit gebe es nicht, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer. Alle CDU-Granden beschworen Merz, sich und seine Positionen einzubringen. Doch Friedrich Merz trat zu keinem Amt an, wurde nicht einmal Vorstandsmitglied und will sich wieder seinen Aufgaben «in der Wirtschaft» widmen. Ist dieser Angehörige der oberen Mittelschicht vielleicht ein wenig beleidigt? Man lastet ihm sein bescheidenes Millionen-Einkommen an, obwohl er für wirkliche Großkapitalisten nur ein Laufbursche ist und seine Einkünfte seine bescheidenen Konsumausgaben nur mit knapper Not decken, weshalb er einem Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat er sitzt, gelegentlich sogar ein eigenes Flugzeug vermieten muss.
Mit Merz könne die Union der AfD wieder Stimmen abgraben, heißt es. Die stockkatholische Annegret Kramp-Karrenbauer ist zwar für die Geschlechterquotierung in Chefetagen, aber z.B. für die Beibehaltung der Kriminalisierung von Ärztinnen nach dem §219a, wenn sie darüber informieren, dass sie Abtreibungen durchführen, und strikt gegen die Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Ehen. Man fragt sich, was noch konservativer sein soll.
Auf der ersten Präsidiumssitzung nach dem Parteitag informierte Kramp-Karrenbauer über ein «vertrauliches Gespräch» mit Merz. Ein weiteres soll im Januar folgen, dazu eine Klausurtagung der CDU-Führung. Es wird sich zeigen, ob und welche Rolle der Direktkandidat des Kapitals noch spielen wird. Sein 32 Jahre junger Anhänger Paul Ziemiak, zuvor an der Spitze der Jungen Union, wurde mit dem blamablen Ergebnis von 62,8 Prozent der Stimmen Generalsekretär der CDU. 1988 war er als «Aussiedler» mit seinen Eltern aus Polen gekommen, will «terroristische Gefährder konsequent abschieben» (wobei er den Attentäter von Berlin, Anis Amri, mit dem Ex-Leibwächter von Osama bin Laden, Sami A., verwechselte), «klaren Kurs und klare Sprache» (obwohl sein Deutsch wie auch seine kognitiven Fähigkeiten viel zu wünschen übrig lassen) sowie nicht immer von Hartz IV und Superreichen hören, sondern «von ganz normalen Familien, die fleißig sind in diesem Land».
Wahlumfragen nach dem Parteitag belegen nicht, dass CDU und CSU wieder die großen Volksparteien werden könnten. Zwei, höchsten drei Prozentpünktchen legten sie zu, um bei bescheidenen 32 Prozent zu landen. Sicher, gemessen an den 15 Prozent der SPD ist das viel. Die AfD wird je nach Institut nach wie vor zwischen 12 und 14 Prozent gehandelt – es sieht also nicht danach aus, als könnte deren Höhenflug mit reaktionären Sprüchen gestoppt werden. Auf der anderen Seite galt Annegret Kramp-Karrenbauer wegen ihres leidlich zivilisierten Auftretens als mögliche Garantin dafür, dass die Unionsparteien die an die Grünen verlorenen Stimmen zurückholen. Aber nein! Mit bis zu 20 Prozent in den Umfragen bleiben die Grünen im Höhenrausch.