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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2019
Bericht von der Strategie- und Aktionskonferenz
von Hanno von Raußendorf

Mitte Januar trafen sich in Kassel 150 Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten aus etwa 60 verschiedenen Gruppen überall aus dem Bundesgebiet zur 2.Strategie- und Aktionskonferenz der Klimagerechtigkeitsbewegung. Dies war die Fortsetzung eines Treffens auf dem Klimacamp im Rheinland im August vergangenen Jahres.
Die Klimagerechtigkeitsbewegung wächst schnell. Landauf landab haben sich in den vergangenen Jahren Klimagerechtigkeitsgruppen gegründet. Die Szene hat vor nicht langer Zeit noch weitgehend auf allsommerlich eine bundesweite Großaktion orientiert, geplant und durchgeführt von einer überschaubaren Zahl bundesweit vernetzter Akteure. Heute hat sie sich in der Fläche ausgebreitet und lokale Wurzeln geschlagen. Zu beständig größer werdenden zentralen Aktionen sind regional organisierte Veranstaltungen und Proteste hinzugekommen. Allein unter dem Dach von Ende Gelände versammeln sich inzwischen über vierzig Gruppen aus dem ganzen Bundesgebiet sowie Ableger in Österreich und der Schweiz. Im Oktober konnte die Intiative die Rekordzahl von 5500 Menschen zu einer Schienenbesetzung der RWE-eigenen Kohlebahn im rheinischen Revier mobilisieren, im Monat davor hatte die vor zwei Jahren gegründete Ende-Gelände-Gruppe München ein lokales Klimacamp maßgeblich mitorganisiert. Aber auch Gruppen wie Zucker im Tank, Extinction Rebellion, Kohle erSetzen oder Gruppierungen in und um den Hambacher Wald sind Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung.
Wie sich diese vielen Gruppen zueinander verhalten wollen, ob sie ein gemeinsames Narrativ, gemeinsame Symbole, einen abgestimmten Aktionskalender und vielleicht sogar einen Bestand an gemeinsamen Forderungen entwickeln, darüber wurde im vergangenen Sommer und Mitte Januar in Kassel diskutiert. Letztes Jahr standen Fragen nach einer Struktur für die Bewegung und nach neuen Aktionsfeldern jenseits der Braunkohleproteste im Mittelpunkt. Jetzt in Kassel wurden etwa zwanzig verschiedene Themenbereiche spontan aus dem Plenum vorgeschlagen und in ebenso spontan gebildeten Kleingruppen diskutiert. Dieser «Open space» in zwei Blöcken bildete den Kern der Konferenz und nahm den größeren Teil des Samstags ein. Aus den Ergebnissen der Arbeitsgruppen, die sich mit den verschiedensten Fragen beschäftigt hatten, anschließend im Plenum abstimmungsfähige Vorlagen zu machen, fiel erwartbar schwer. Ergebnisse, die die Delegierten zur Abstimmung in ihre Gruppen hätten mitnehmen können, gab es daher nicht. Wichtige Fragen wie die nach einer abgestimmten Aktionschoreografie, einem Logo oder einem gemeinsamen Werbeslogan für die Öffentlichkeitsarbeit – ganz zu schweigen von einer von allen Gruppen geteilten Strategie – bleiben wohl zukünftigen Treffen vorbehalten.
Daher werden die Großen der Szene wohl bis auf weiteres das Tempo vorgeben, und den kleineren Gruppen bleibt die Entscheidung, sich anzuschließen oder eigene Wege zu gehen. Immerhin wurden einige Ideen vorgestellt, die jenseits der Konferenz möglicherweise noch in einem anderen Rahmen weiterentwickelt werden: So könnte ein dezentraler Aktionstag bestimmt werden, für den lokale Gruppen jeweils ihre eigenen Beiträge liefern. Vielleicht gelingt es Extinction Rebellion, Kohle erSetzen und Ende Gelände ja auch, sich auf drei Massenaktionen und verschiedene Kleinaktionen bundesweit in einem definierten Zeitrahmen zu verständigen.
Und demnächst soll eine «Transformationskonferenz» über Wege aus dem klimazerstörenden kapitalistischen System diskutieren. Einige Konferenzteilnehmende wollen unterdessen Vorschläge für ein gemeinsames Logo entwerfen und vor Ablauf des Jahres möchte man wieder zusammenkommen – hoffentlich mit der Absicht, dann auch Beschlüsse zu erarbeiten, und mit einer Tagesordnung, die das auch ermöglicht.

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