von Angela Klein
Gewerkschaftliche Erneuerung betrifft auch die Frage, was wir produzieren
Ökologische Fragen kommen auf der Streikkonferenz Mitte Februar nur am Rande vor: Eine einzige AG «Gewerkschaftliche Antworten auf die Krise der Automobilindustrie» befasst sich dort u.a. mit Fragen der Verkehrswende.
Dabei wird in Zukunft die Frage nach der Konversion wichtiger Industriezweige wie der Energiewirtschaft oder der Automobilindustrie gleich zweifach auf den Tisch kommen: zum einen im Zuge der Diskussion über die nötige Abkehr vom Privat-Pkw als Mittel für den Massentransport – was soll anstelle dieser Pkw gebaut werden? Zum anderen aber auch direkt als Folge der Krise der Autoindustrie, wie etwa in den USA, wo die Ankündigung der Schließung eines Werks von General Motors in Oshawa, Kanada, zu einer Betriebsbesetzung geführt hat und die Beschäftigten die Frage aufwerfen: Was können wir außer Autos noch produzieren?
Die Notwendigkeit einer radikalen Umsteuerung der Wirtschaft weg vom Profit hin zu ökologisch nachhaltigen Produktionskreisläufen wird immer dringender, mithin auch die Frage, was getan werden muss, um Belegschaften davon zu überzeugen, dass das Festhalten an einer veralteten Technologie und reiner Exportorientierung ihre Arbeitsplätze nicht sicher, sondern unsicher macht. Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos hört man dazu wohl dramatische Appelle, doch kaum etwas davon übersetzt sich in politische Schritte der Regierungen. Und die Auseinandersetzung um das Rheinische Revier zeigt, dass die Gewerkschaften alles andere als gerüstet sind, mit dieser Herausforderung umzugehen, obwohl sie die Augen davor nicht mehr verschließen können.
Die Frage, wie die notwendige Konversion der Industrieproduktion sozial und ökologisch verträglich gelingen kann, ist mithin von Strategien zur gewerkschaftlichen Erneuerung nicht zu trennen.
Ausstieg aus der Kohle
Am Abschied von der Braunkohle lässt sich derzeit studieren, wie eine solche Konversion aussehen, aber auch, wie sie auf Holzwege geführt werden kann.
Die von der Bundesregierung installierte Kohlekommission hat, unter dem Druck der IG BCE, die Frage nach den Beschäftigungsalternativen noch vor der Nennung eines Datums für den Kohleausstieg behandelt. Schaut man sich die Vorschläge der Kommission daraufhin genauer an, kann man ihre Ernsthaftigkeit in Zweifel ziehen:
Für das Rheinische Revier, in dem es um 9000 direkt betroffene Arbeitsplätze geht, sind Ersatzarbeitsplätze noch relativ leicht zu beschaffen: die Kommission nennt u.a. die Beseitigung der Schäden durch den Tagebau, die Etablierung eines regionalen Energiemanagements, die Entwicklung von Low Carbon-Technologien für die umliegende energieintensive (die chemische) Industrie, die Ansiedlung entsprechender Forschungseinrichtungen sowie die Schaffung einer «intelligenten» Verkehrsinfrastruktur für den Ballungsraum Aachen, Köln, Düsseldorf, Mönchengladbach.
Für die strukturschwache Lausitz ist das schon viel schwieriger: Hier wird u.a. der Ausbau von Gaskraftwerken, Windenergie, Photovoltaik, Power-to-X-Anlagen und der Ausbau der Wasserstofftechnologie genannt. Wenn man sich jedoch daran erinnert, dass es in Ostdeutschland mal einen vielversprechenden Ansatz für den Aufbau einer eigenen Solarindustrie gab, der dann aufgegeben wurde, weil die chinesische Konkurrenz billiger war, wird klar, dass das alles nur auf dem Papier steht. Die harte Wirklichkeit wird sich an den Privatinteressen der anzusiedelnden Industrie brechen.
Der Staat wird ein paar Forschungseinrichtungen bauen und Infrastrukturprojekte, von denen man nicht weiß, ob sie nicht mehr schaden als nutzen. Als letztens die Ministerpräsidenten der Braunkohleländer (NRW, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg) im Kanzleramt vorstellig wurden, ging es ihnen nur darum, viel Geld loszueisen. Es wurde ihnen auch reichlich versprochen (wieviel, blieb geheim), aber wofür sie es dann ausgeben, ob sie damit nicht Projekte bezahlen, die sie eh in der Pipeline haben und die möglicherweise mit einer Konversion von Arbeitsplätzen aus der Braunkohle wenig zu tun haben, ob sie damit z.B. nicht wieder Hochleistungsstrecken bauen, wo doch der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden muss, ist völlig unklar. Es wurde ihnen auch nicht abverlangt, dass sie konkrete Umbaupläne auf den Tisch legen, die Fördermittel sind nicht zweckgebunden. Nichts, was die Kohlekommission aufgeschrieben hat, deutet auf konkrete Pläne hin, da ist jede Konversionsstudie von Umweltorganisationen konkreter.
Insofern haben die Kumpel recht, wenn sie den Versprechungen der Kommission zutiefst misstrauen. Warum sollte denn die Lausitz auf einmal erblühen, wenn jahrzehntelang nichts gelaufen ist?
Ausstieg aus der Autogesellschaft
Für die Automobilindustrie stellen sich die Herausforderungen der Konversion noch viel schärfer. Hier kann man gar nicht mehr auf den Markt bauen, ob er zufällig ein passendes Arbeitsplatzangebot bereithält. Hier bedarf es einer Planung – auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene –, wie eine ökologische Verkehrswende auszusehen hat. Grundsätzlich ist so etwas auch im Kapitalismus möglich, das zeigt u.a. der Ausbau der Schieneninfrastruktur in Berlin Ende des 19.Jahrhunderts. Der neoliberale Nachtwächterstaat ist dazu nicht in der Lage – man betrachte nur die Posse um den Ausbau einer flächendeckenden Versorgung mit Zapfsäulen für E-Autos: Seit Jahren tut die Bundesregierung hier so gut wie nichts, will aber bis 2020 eine Million E-Autos auf die Straße gebracht haben.
Dabei eignet sich gerade die Automobilindustrie wie keine andere für die Herstellung anderer Produkte.
SoZ-Autor Klaus Meier zitiert in einem Beitrag über konkrete Wege, die aus der Braunkohle rausführen, eine Studie von Agora Energiewende. Sie listet auf, wo in der Lausitz der Schienenverkehr immer noch mangelhaft ist: Die Bahntrassen Cottbus–Görlitz und Dresden–Görlitz sind auch 30 Jahre nach der «Wende» immer noch nicht elektrifiziert, dadurch gibt es keinen durchgehenden Bahnverkehr, es ist immer noch ein Diesellokwechsel erforderlich. Die Bahnstrecke Cottbus-Lübbenau muss zweigleisig ausgebaut werden. Es müssen grenzüberschreitende Bahnverbindungen zwischen der Lausitz und dem polnischen Wroclaw entwickelt werden, und, und…
«Der Infrastrukturausbau von Bahn und ÖPNV hätte auch weitere Beschäftigungswirkungen in der Region. So gibt es in Görlitz und Bautzen viel Kompetenz beim Bau von Eisen- und Straßenbahnen. Das Görlitzer Werk des kanadischen Konzerns Bombardier mit seinen 1900 Beschäftigten ist aber gefährdet. Das Unternehmen will den Görlitzer Standort auf den reinen Waggonbau reduzieren. Das ist ein erheblicher Knowhow-Verlust und könnte mittelfristig dazu führen, dass das Unternehmen in Görlitz ganz geschlossen wird. Schon jetzt sollen bis zum Jahresende 2019 mehrere hundert Arbeitsplätze abgebaut werden.
Das geht komplett in die falsche Richtung. Denn aus ökologischen Gründen muss der Autoverkehr zugunsten des Ausbaus öffentlicher Verkehrsmittel rückgebaut werden. Die Bundesregierung schaut dem Treiben des Bombardier-Konzerns in der Lausitz völlig tatenlos zu. Dabei ist der Konzern von öffentlichen Aufträgen abhängig und es gäbe genug Möglichkeiten, Druck für den Erhalt und den Ausbau der Arbeitsplätze aufzubauen. Das politische Ziel sollte sein, in der Region die Kompetenz für den Aufbau von Eisenbahnen und Straßenbahnen weiter auszubauen.» So Klaus Meier in seinem Beitrag.
Aus dem Gesagten wird klar, dass wir den Ausstieg aus der Kohle nicht isoliert betrachten können, sondern in den Kontext einer umfassenden ökologischen Wende stellen müssen. Diesbezüglich ist aber von der offiziellen Politik wenig bis nichts zu erwarten. Gleichzeitig befindet sich die Automobilindustrie in der Krise, in der nächsten Zeit sind massive Arbeitsplatzverluste zu befürchten. Da fällt der Kampf gegen Werkschließungen und Massenentlassungen zusammen mit dem Kampf für eine andere Produktion – das bietet Möglichkeiten, die Kolleginnen und Kollegen in der Autoindustrie dafür zu gewinnen, und dieses Terrain gilt es vorzubereiten.
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