von Tina Ress und Violetta Bock
Diesen Monat ist es also soweit. Der Frauen*streik ist auch in Deutschland angekommen. Gründe gibt es zuhauf, nicht zuletzt durch den erneuten Verrat der SPD, den §219a nicht zu streichen. Gut, dass sich vor ein paar Monaten Frauen und Queers auf den Weg gemacht haben, um den Frauen*streik auch hier zu starten, und vielen Beteiligten ist klar, dass dieses Jahr der Auftakt für eine längerfristige Mobilisierung ist.
In der Januarausgabe der SoZ hatte Tina Ress einen kritischen Einwurf zum Vernetzungstreffen in Göttingen formuliert, in der letzten Ausgabe antworteten Eleonora Roldán Mendívi und Hannah Vögele und wiesen die Kritik zurück. Und ja, vielleicht hat Tina an manchen Stellen überzogen, auch wenn sie gerade dadurch zur Debatte beigetragen hat. Deswegen wollen wir auch gerne auf die Kritik an der Kritik eingehen.
Wir sind selbst Frauen und mehr oder weniger in die Vorbereitungen involviert. Gerade weil wir selbst in den letzten Jahren daran arbeiten, jenseits linker Milieus zu organisieren, ist für uns der wesentliche Punkt: Geht es um Mobilisierung linker Milieus und Kontakt zu anderen Gruppen oder um Machtaufbau durch Organisierung über die eigene Szene hinaus?
Nun sind sich viele über die gewünschte Richtung einig. Eleonora Roldán Mendívi und Hannah Vögele formulieren dies in ihrem Beitrag so: Sie betonen, dass die Vernetzungsarbeit und Themensetzung ausdrücklich internationalistisch, antirassistisch, entgegen der Norm der Geschlechterbinarität und mit einem klassenkämpferischen Charakter stattfindet und dass die Erfahrungen marginalisierter Frauen* zum zentralen Angelpunkt der eigenen Politik gemacht werden. Den Anspruch begrüßen wir. Denn ein liberaler Feminismus, der nur auf Quoten und Führungskräfte guckt, wird herrschende Verhältnisse stabilisieren und nicht bei deren Überwindung helfen. Die Frage ist, wie die Umsetzung gelingt.
Im Beitrag «Frauen* werden streiken» wird geteilt, dass die Basis des Frauen*streiks noch nicht so breit aufgestellt ist, wie gewollt. Es scheint jedoch so, als würde erwartet, dass dies mehr eine Frage der Zeit, des weiteren Mobilisierens und des Dranbleibens ist und nicht einer Korrektur der strategischen Herangehensweise bedarf. Erfreulich ist, dass viele Frauen*streikgruppen bei gewerkschaftlichen Streiks aufkreuzen, um ihre Solidarität zu bekunden, von der Tarifrunde der Landesbeschäftigten bis zu den BusfahrerInnen. Dort wo ein betrieblich und politisch bewusster Kern auf eine positiv gewogene Gewerkschaftsstruktur trifft, wird am 8.März mehr passieren als ein Flugblatt, in dem auf den Frauenstreik hingewiesen wird. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dies den grundlegenden Charakter des bisherigen Frauen*streiks verändern wird. Und frau macht es GewerkschafterInnen nicht einfacher, wenn man Kritik einfach zurückweist.
Tina Ress wurde dafür kritisiert, dass sie beim Streikbegriff die Arbeitsniederlegung betont. Nun ist es zwar richtig, dass man auch bei der Verweigerung von unbezahlter Arbeit von Streik sprechen kann. Das darf jedoch nicht dazu führen, dies einfach gleichzusetzen mit einem Streik im Betrieb und die spezifischen Arten der Voraussetzung, möglichen Repression und Abhängigkeit zu ignorieren. In einem System, in dem der Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital herrschend ist, ist der Streik, um ökonomisch Druck auszuüben, auch eine strategische Frage. Beim Frauen*streik geht es aufgrund der Forderungen natürlich um einen politischen Streik. Um tatsächlich Macht aufzubauen, wird man die Arbeitsniederlegung nicht ersetzen können.
Daher muss das zentrale Ziel sein, die gewerkschaftliche Basis zu erweitern. Wenn wir von Gewerkschaften spreche, meinen wir nicht in erster Linie die Gewerkschaftsführungen,d diese werden sich durch Appelle von außen kaum überzeugen lassen. Auch hier gilt: Um die Hegemonie in den Gewerkschaften zu erringen und in ihnen langfristig feministische Perspektiven aufzubauen, bedarf es des Machtaufbaus kritischer GewerkschafterInnen in den Gewerkschaften. Sie sind kein Add-on, damit dort auch Aktionen stattfinden. Um den Klassenstandpunkt im Frauen*streik zum führenden Faktor zu machen, müssen gewerkschaftlich Aktive Teil sein in der Aushandlung der Herangehensweise, der Auswahl der Worte, der Aktionen, der strategischen Richtung. Genauso wie man von Gewerkschaften eine Änderung ihrer Praxis einfordert, werden manche linke AktivistInnen nicht umhin können, ihre eigene zu hinterfragen. Eine Reaktion, die vor allem vertritt, dass wir doch alle lohnabhängig sind und klassenkämpferisch, führt noch nicht zu dessen Verwirklichung, sondern kann stattdessen vorhandene Widersprüche verschleiern. Unser Beitrag soll daher vor allem als Ermutigung dienen, damit kämpferische GewerkschafterInnen und Beschäftigte sich noch mehr einmischen und das Wort ergreifen. Denn der Frauen*streik geht uns alle an.
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