von Rolf Euler
Was hat das wohl miteinander zu tun in Zeiten von Fakenews, Sachzwängen und erneuten kalten Kriegen? «Politik und Poesie» lautet das Motto der diesjährigen Ruhrfestspiele auf, die mit Theater, Tanz, Lesungen, Kabarett im Mai und Juni wieder in Recklinghausen unter neuer Leitung stattfinden werden. Ich greife das Motto auf, weil die Ausstellung «Köln 68! Protest. Pop. Provokation», die leider schon beendet ist, genau dazu einlud. Hier ließ man noch einmal die Zeit vor 50 Jahren Revue passieren. Damals verbanden sich Poesie und Politik in besonderer Weise, Initiative und Witz, aber auch politischer Ernst und Karikatur.
Das Kölner Stadtmuseum zeigte in dieser Ausstellung die Besonderheiten der damaligen lokalen Studentenbewegung, aber auch Gemeinsamkeiten mit der weltweiten Bewegung auf.
In einer großen Zeittafel über die gesamten 60er Jahre wurde an alle wichtigen Ereignisse auf den Straßen und an den Universitäten der Welt erinnert. Vietnamkrieg, die Rassenauseinandersetzungen in den USA, die Berliner Aktionen nach dem Mord an Benno Ohnesorg oder dem Anschlag auf Dutschke, die Morde an den Kennedys und Martin Luther King, der Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die CSSR wurden wieder lebendig – das war Politik ohne Poesie.
Aber an mehreren Wänden wurde auch die Poesie der damaligen Jahre gezeigt, sei es mit Plattencovern, Kunstaktionen in Köln, Kabarettankündigungen. Hier fielen insbesondere die Parolen von Pariser Aktivisten ins Auge, die, grafisch gestaltet, eine ganze Wand in Anspruch nahmen, sorgfältig rekonstruiert aus dem Fundus eines Teilnehmenden.
«Les murs ont la parole» – «Die Mauern haben das Wort!»
«Poesie und Politik» heißt ja nicht «schöne Dichtung», sondern die geistreiche Darstellung der Widersprüche, die Realität «zum Tanzen bringen», dem Zorn ein Bild in der Parole geben und die Aufmerksamkeit auf das Leben hinter den Parolen lenken.
In Frankreich mehr als in Deutschland wurde damals der Zusammenhang zwischen der Unterdrückung in der Fabrik und auf den Straßen hergestellt. Und auf die politischen und polizeilichen Provokationen reagierten Kabarett, Plakatkünstler, Studierende, Gewerkschafter oft mit künstlerischer Provokation, um der Bewegung Bild und Stimme zu geben. Klaus Staeck, dessen vor einigen Monaten in einer Essener Ausstellung gedacht wurde, war so ein Poet des Bildes und der Parolen.
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