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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2019
«Wir wollen Veränderungen haben»
Interview mit Schülerin Antonia

Antonia ist 19 Jahre alt und eine der Organisatorinnen des Schülerstreiks Friday for Future in München. Christiaan und Hans-Peter sprachen mit ihr über diese neue Jugendbewegung.

Was sind die Ziele eurer Bewegung?

Wir sind der Meinung, dass in der Politik nicht genug getan wird, um mit der Klimakrise umzugehen und wir wollen, dass die Politik endlich Maßnahmen ergreift, die wirklich was verändern, und nicht immer nur redet.

Wie viele Schülerinnen oder Studenten beteiligen sich daran und wo kommen sie her?

In München waren es bisher immer über 1000, sogar bis zu 3000, bundesweit sind es auch immer Zehntausende, um die 20000–30000. Auf die Demos kommen Leute aus allen Schichten, aus allen Schularten, aber hauptsächlich aus den Gymnasien; in München sind viel zu wenig Studierende dabei. Es sind nicht nur die dabei, die sich seit Jahren mit dem Thema befassen, sondern gibt ist gerade ein Aufwachen, weil wir alle verstehen, dass es um unsere Zukunft geht. Da ist es ganz egal, wo wir herkommen, wie wir heißen oder wie viel Geld unsere Eltern haben. Wir wissen, dass unsere Zukunft in Gefahr ist und deshalb kommen auch Menschen, die noch nicht so tief in der Materie drin sind.

Seit wann macht ihr das?

Das hat im Dezember letzten Jahres begonnen. Es gab eine kleine Anlaufphase über die Weihnachtsferien und in München streiken wir seit dem 18.1. wöchentlich.

Kommen ganze Klassen oder eher Einzelpersonen?

Das ist ganz unterschiedlich, es gibt beides, das ist jedesmal anders.

Wie reagieren die Schulleitungen? Gibt es Repressionen?

Der bayrische Kultusminister hat gesagt, dass die SchulleiterInnen es so halten können, wie sie wollen. Insofern reagieren die Schulen ganz unterschiedlich. Manche bekommen für jeden Streik einen Verweis, bei manchen fallen die Repressionen wesentlich geringer aus oder es gibt lediglich eine Strafarbeit in Form eines Aufsatzes, etwa zum Thema: «Warum ist es sinnvoll, zu Friday for Future zu gehen».

Hören diejenigen, die stärkeren Repressionen ausgesetzt sind, dann auf?

Ganz viele kommen trotzdem wieder. Sie sprechen mich an und sagen: «Hey, ich bin jetzt hier und habe schon meinen vierten Verweis, aber ich komme trotzdem wieder, weil das Thema wichtiger ist als zwei Schulstunden.»

Habt ihr juristischen Beistand für solche Fälle?

Bisher nicht. Wir versuchen, eine Öffentlichkeit für dieses Problem zu schaffen. Juristisch kann man nicht wirklich gegen Verweise wegen Schulschwänzens vorgehen.

Habt ihr Kontakt zur GEW?

Mit der GEW arbeiten viele Ortsgruppen zusammen, in München noch nicht, aber das kann sich ändern.

Die Klimagerechtigkeitsbewegung gibt es ja schon länger. Aber dass Schüler auf die Straße gehen, ist neu. Versteht ihr euch als neue Bewegung?

Ich glaube, die Klimagerechtigkeitsbewegung ist nicht näher definiert. Es gibt viele Gruppen und Bewegungen, die sich für das Thema engagieren und dafür auf die Straße gehen. F4F ein Teil davon, weil auch F4F für eine bessere Klimapolitik steht.

Welche Forderungen habt ihr?

An ganz konkreten Forderungen wird noch gearbeitet, wir wollen auf jeden Fall, dass Deutschland sein Klimaziel einhält und dass die Erderwärmung auf 1,5 Grad seit dem vorindustriellen Zeitalter beschränkt wird. Ansonsten sieht es sehr schwarz aus für unsere Zukunft. Wir haben Arbeitskreise lokal und bundesweit, die die Forderungen erarbeiten.

Wie seid ihr bundesweit organisiert?

Die Vernetzung läuft hauptsächlich über Whatsapp-Gruppen – also übers Handy.

Wie seht ihr die Wirkung, die eure Bewegung bisher erzielt hat?

Bisher haben wir eine überraschend große Wirkung. Die Presse nimmt uns ganz stark wahr. Wir haben eine ganz große Öffentlichkeit erzeugen können. Wir wurden ja auch von der Kohlekommission eingeladen und durften mit Wirtschaftsminister Peter Altmeier sprechen. Soweit ich weiß, fanden auch schon in vielen Bundesländern Gespräche mit den Kultusministern statt. Aber wir wollen ja nicht nur Presse kriegen, wir wollen Veränderungen haben. Wirkliche Veränderungen in der Politik sehen wir noch nicht so.

Meint ihr, dass Konzerne und Politik umsetzen, was ihr wollt? Bei den Klimakonferenzen haben sich doch die Konzerne durchgesetzt.

Ja, das ist das Problem. Die Politik schaut viel mehr darauf, wie sie Geld erwirtschaften kann, und gar nicht darauf, wie die eigenen Kinder in Zukunft noch leben können. Und genau das wollen wir verändern.

Arbeitet ihr mit anderen NGOs zusammen? Kommen sie zu eurer Aktion?

Ja, wir bekommen sehr viel Unterstützung von NGOs wie Greenpeace oder Campact oder auch Plant for the Planet und ganz vielen anderen.

Am 15.März ist ein weltweiter Aktionstag geplant. Was ist das Besondere an diesem Aktionstag und wie wird er vorbereitet? Was macht ihr?

Im Gegensatz zu den großen Städten finden die Streiks in kleinen Städten oder Ortsgruppen nicht wöchentlich statt, sondern nur an den großen Terminen. Das gilt teilweise auch für andere Länder wie Italien, Großbritannien oder Israel. Dieser weltweite Aktionstag ist daher was Besonderes, weil dann alle eingebunden sind. Das Ziel ist, dass am 15.März Schulen und Unis leer sind. In München wollen wir eine große Demo machen. Diesmal werden wir nicht nur über soziale Medien werben, sondern auch mit Plakaten und Flyern.

Ihr seid ja eine Bewegung junger Menschen. Wollt ihr Unterstützung von älteren Menschen oder wollt ihr autonom bleiben?

Natürlich wollen und werden wir uns selbst entwickeln, aber es ist unfassbar wichtig, dass alle streiken und alle auf die Straße gehen, unabhängig vom Alter. Erwachsene können uns ganz stark unterstützen, indem sie uns helfen, Öffentlichkeit zu schaffen – z.B. gegen Schulverweise und Repressalien seitens der Schulen. Auch auf Demos können sie uns unterstützen, indem sie OrdnerInnen stellen, weil bei uns viele Leute sind, die noch nicht 18 Jahre alt sind und die Polizei nur Ordner über 18 akzeptiert. Natürlich sind auch ältere Menschen auf unseren Streiks willkommen. Wir mobilisieren nur hauptsächlich die junge Generation mit dem Slogan: «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.»

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