Ein Rückblich nach dem Rückzug von Sahra Wagenknecht
von Thies Gleiss
Die politische Initiative "Aufstehen" ist nach der Rückzugserklärung von Sahra Wagenknecht in ihre wahrscheinlich finale Krise geraten. Mehrere Personen aus der ersten Reihe distanzieren sich und enthüllen Abläufe und Defizite, die zwar aus Berichten von einzelnen Basisaktiven und Gruppen schon bekannt waren, aber in ihrer jetzt quasi offiziellen Bestätigung nur abschreckend sind.
Wenn linke Irrtümer sich als solche in der Praxis erweisen, ist selten Anlass für Freude oder Häme. So auch jetzt. Aber so vorhersehbar die Schwächen von "Aufstehen" waren, so wichtig wäre jetzt, die richtigen Lehren zu ziehen.
Hier zum Verständnis der Dinge meine Kritik an "Aufstehen", die ich seit Anbeginn freundlich, sachlich, aber deutlich vorgetragen habe:
- „Aufstehen“ war und ist keine Bewegung, sondern Parteiersatz.
- Dieser Parteiersatz steht programmatisch rechts von der LINKEN und nur möglicherweise links von der SPD.
- Für die LINKE bedeutet dies deshalb einen programmatischen und auch organisatorischen Rückschritt, sich auf diesen Parteiersatz einzulassen. Deshalb ist die Zurückhaltung bei großen Teilen der Partei verständlich.
- Deshalb waren und werden GRÜNE und SPD relativ unbeeindruckt von „Aufstehen“ bleiben und nur die LINKE wird aufgemischt und in Richtung Spaltung getrieben.
- „Aufstehen“ ist auch eine Rot-Rot-Grün-Perspektive und gleichermaßen irreal. Will der eine LINKE-Flügel ein SPD-GRÜNE-LINKE-Bündnis von oben, als Absprache der aktuellen Parteieliten und in Form von Regierungskoalitionen und -versprechen erreichen, so will der „Aufstehen“-Flügel ein solches Bündnis von unten, durch Appelle an die Mitgliedschaft schaffen, aber gleichermaßen auf Regierungsbündnisse gerichtet.
- „Aufstehen“ ist hinter seinen dünnen ideologischen Kulissen vor allem ein Machtkampf zwischen den parlamentarisch verblödeten Fraktionskräften einerseits und der Partei als Mitglieder orientierte Kraft andererseits.
- „Aufstehen“ hat sich zusätzlich gleich nach den ersten Anläufen selbst kastriert, weil so ein Projekt nur als Wahlinitiative funktionieren kann (wenn überhaupt), aber genau das heftigst dementiert und damit vorerst unmöglich gemacht wurde.
- „Aufstehen“ ist unheilbar undemokratisch und politisch eine Beleidigung für den für linke Politik sehr bedeutenden Begriff „Bewegung“.
- „Aufstehen“ gelingt es nicht, die Grenzüberschreitungen nach rechts in den Griff zu bekommen.
- „Aufstehen“ ist (war bisher) ein Ego-Projekt von Sahra Wagenknecht, das, wenn sie von ihren Vertrauten nicht gebremst wird, in einer persönlichen Tragödie enden wird.
Meine Empfehlung für die Zukunft:
Statt Schlammschacht, politischer Instrumentalisierung von persönlichen Krankheiten und neues Gerangel um Führungspositionen, lieber die Sache bewusst und gemeinsam beenden, die richtigen Lehren ziehen und den nächsten Irrtum auf jeden Fall gemeinsam vorbereiten...
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