Klimakatastrophe ist entstanden
von Christiaan Boissevain
Innerhalb weniger Wochen hat sich auf Basis einer Aktion der schwedischen Schülerin Greta Thunberg (16 Jahre) eine «SchülerInnenstreikbewegung für ein besseres Klima» entwickelt. Inzwischen gehen jeden Freitag weltweit zehntausende junge Menschen gleichzeitig auf die Straße, um ihre Wut zum Ausdruck zu bringen und Ansprüche auf eine Zukunft ohne Klimakatastrophe zu stellen. Ihre Klagen werden den Herrschenden buchstäblich vor die Füße geworfen.
Die «Auslöserin» dieses massiven und sehr erfreulichen «Aufpoppens» eines neuen Teils der Klimagerechtigkeitsbewegung, Greta Thunberg, schwänzt seit dem letzten August systematisch jeden Freitag die Schule, um für ein besseres Klima zu demonstrieren. Die Presse ist sehr frühzeitig auf sie aufmerksam geworden, weil sie sich vor den Rijkstag gesetzt hat und den fragenden Passanten sehr eindrücklich zu erklären wusste, warum sie das tut. Inzwischen wird sie in den oberen Kreisen der Weltelite «herumgereicht» – sie sprach mit Christine Lagarde, mit UN-Generalsekretär António Guterres, trat in Davos auf dem Weltwirtschaftsforum und in Kattowitz auf dem UN-Klimagipfel auf. Ohne sich in irgendeiner Weise inhaltlich einbinden zu lassen. In Davos hat sie mit einfachen Worten den dort anwesenden Witschafsbossen, Bankern und Politikern ins Gesicht gesagt, dass sie mit der Art ihres Wirtschaftens die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel sind.
Damit hat sie eine weltweite Bewegung von Schülerinnen und Schülern ausgelöst, die sich, mal mehr, mal weniger, auch ohne ihre Beteiligung über die sozialen Medien koordiniert.
Was an Greta besticht, ist die Entschlossenheit und Unbedingtheit, mit der sie ihre Position vorträgt. Aus jedem ihrer Worte hört man heraus: Ihre Haltung ist nicht verhandelbar. Naturgesetze kennen keine politischen Kompromisse. Sie hat damit ihre Eltern erzogen – buchstäblich: Sie fahren kein Dieselauto mehr, kein Elektroauto mehr, sie fliegen nicht mehr, die Mutter hat dafür als Opernsängerin einen Teil ihrer Karriere geopfert, sie wurden erst Vegetarier, dann Veganer – beeindruckend. Ein Dank an die Eltern, die das mitgemacht haben. In einer Welt, die von Fake News und vom Wetteifern darin beherrscht wird, wer die Bevölkerung am besten belügen kann, ist ihre Gradlinigkeit eine ungeheure Ermutigung.
Es ist bisher nicht zu erkennen, dass Greta irgendwelche Führungsansprüche stellt, es scheint ihr völlig zu genügen, etwas in Bewegung gebracht zu haben. So ist auch nicht zu erkennen, ob Greta die Idee mit dem weltweiten SchülerInnen-Streiktag am 15.März hatte, oder ob diese Idee aus der Bewegung entstanden ist. Das ist aber auch nicht so wichtig. Entscheidend wird anderes sein.
Generation Klima
Mindestens bis zum 15.März wird die Bewegung weiter wachsen. Stand 12.Februar gibt es sie in Deutschland an 121 Orten, die Anzahl nimmt ständig zu, sie organisiert und vernetzt sich (siehe nebenstehendes Interview). Wie und ob es danach weitergeht, ist offen.
Eins aber ist sicher: Die jungen Leute, die jetzt aktiv geworden sind, werden danach nicht aufhören. Sie werden tausend verschiedene Wege finden, ihr Anliegen weiter zu verfolgen, denn es geht buchstäblich um ihre Zukunft. Es ist eine Generation Klima entstanden, die nicht aufhören wird, den Erwachsenen auf die Füße zu treten. Das ist großartig.
Wenn man die letzten Monate zusammennimmt: die Bewegung der Gelben Westen, den Generalstreiktag in Frankreich, die Mobilisierung von 50000 Menschen im Hambacher Forst im letzten Herbst, die Massenmobilisierungen im vergangenen Sommer gegen die AfD- und CSU-Politik mit bundesweit mehrere hundertausend Teilnehmenden, die großen Demonstrationen gegen die verheerende hohen Mieten und für eine gesunde Ernährung, der am 13.Februar anstehende Generalstreik in Belgien, die Streikwelle, die Italien seit Januar erschüttert – dann muss man sagen: Nicht die durchgehende Machtergreifung von Rechtspopulisten und Faschisten steht heute überall in Europa auf die Tagesordnung, sondern zunächst eine Phase von zunehmendem Widerstand, unerwarteten spontane Revolten, die auch in vorrevolutionäre Situationen münden können. Mitnichten befinden wir uns in einer «langen historischen Periode», in der nur Abwehrkämpfe denkbar und möglich wären.
Viele Menschen in den genannten Bewegungen mögen diese Implikationen nicht im Sinn haben. Das ändert nichts daran, dass sie mit ihre eigenen Tätigkeit, mit dem «selber in Bewegung kommen» dazu beitragen, dass die Frage, «wie es denn weiter gehen soll», ständig neu aufs politische Parkett gebracht wird. Und es gibt viele gute Teilantworten, wie es anders gehen kann. Was vielfach noch fehlt, ist das Vertrauen in die eigene Kraft. Diese Kraft wächst derzeit – an vielen verschiedenen Stellen. Es kommt darauf an, dass sie auch zusammenwächst.
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