Gespräch mit Rolf Novy-Huy
In dieser Zeit, da die Bodennutzung immer mehr den kapitalistischen Profitprinzipien unterworfen wird, die Spekulation mit Wohnraum in den Städten und mit der landwirtschaftlich genutzten Fläche auf dem Lande angeheizt wird, muss nach Alternativen gesucht werden. Wer Beispiele aus der Vergangenheit betrachtet, wird auf gemeinwirtschaftlich, genossenschaftlich und öffentlich betriebene Wohnungen stoßen, aber auch auf Kommunen wie Kaufungen oder Longo Mai. Sowohl die traditionelle Genossenschaft als auch neue Wohngemeinschaften versprechen bezahlbaren Wohnraum. Eine ähnliche Herangehensweise pflegt die Stiftung trias – Boden, Ökologie und gemeinschaftliches Wohnen. Für die SoZ sprach Rolf Euler mit ihrem Vorsitzenden Rolf Novy-Huy.
Wir führen dies Interview in einer Zeit, da die Bodenspekulation heftig diskutiert wird, die Frage des Landraubs weltweite Bedeutung hat und Mieten für Wohnungen sowie Pachten für landwirtschaftliche Flächen stark steigen. Welche Geschichte verbirgt sich hinter Ihrer Stiftung, deren Name ja andeutet, anders zu sein?
Bei der Gründung unserer Stiftung im Jahr 2002 haben wir die Themen des selbstorganisierten, gemeinschaftlichen Wohnens, des «anderen» Umgangs mit Grund und Boden sowie der Ökologie miteinander verbunden. Insbesondere für die Themen Boden und Wohnen fehlte es uns damals an praktischer Literatur, Netzwerken und Geld. Man könnte auch sagen, es fehlten uns «Werkzeuge» der Umsetzung gemeinwohlorientierter Ideen.
In den 2000er Jahren war die Bodenfrage noch weniger virulent. Es zeichnete sich aber bereits ab, dass der Kampf um den Boden beginnt. Unsere Satzung ist überschrieben mit einem Zitat von Udo Herrmannstorfer: «Die im gegenwärtigen Bodenrecht vorgesehene freie Verkäuflichkeit von Grund und Boden schlägt für immer mehr Mitglieder in unserer Gesellschaft in eine faktische Nichtkäuflichkeit um. Der Bodenpreis wird zu einer Behinderung, ja Verunmöglichung der sozialen Bodennutzung.»
Boden, den unsere Stiftung erwerben kann oder geschenkt erhält, wollen wir zu moderaten Preisen insbesondere, aber nicht ausschließlich, an zivilgesellschaftliche Initiativen vergeben. Über Erbbaurechtsverträge sichern wir die zweckgemäße Nutzung und erzielen gleichzeitig Einnahmen, um unsere eigenen, wie auch die Ziele anderer gemeinnütziger Initiativen zu fördern. So fließt die «Bodenrente» wieder in die Gesellschaft.
Fußt Ihre Initiative auch auf gemeinwirtschaftlich und sozial ausgerichteten Projekten des vergangenen Jahrhunderts, z.B. der Genossenschafts-, Hausbesetzer- und Mieterbewegungen?
Ja, dieser Tradition fühlen wir uns eng verbunden. Die Genossenschaft steht uns mit ihrer demokratischen und solidarischen Ausrichtung sehr nahe. Hausbesetzer wurden irgendwann zu selbstorganisierten Gruppen – ein Emanzipationsprozess.
Die Bodenfrage ist kein neues Thema. Wenn man nicht gleich bei den Bauernkriegen anfangen möchte, lässt sich die Diskussion doch zumindest ab dem 19.Jahrhundert verstärkt verfolgen. Von Rousseau über Rudolf Steiner, Karl Marx und Damaschke bis Oppenheimer gab es immer wieder Sozialreformer, die erkannten, welch grundlegende Rolle der Boden in der Ökonomie und Gesellschaftspolitik spielt. Manche unserer Unterstützer ziehen dafür übrigens auch spirituelle, z.B. indianische Gedanken mit hinzu.
Die Grundidee, Boden der allgemeinen Spekulation zu entziehen, klingt gut – über welche Größenordnung reden wir bei der Stiftung trias? Und wo haben Sie überall wirken können?
Unser Stiftungsvermögen entwickelte sich von 70000 Euro auf aktuell etwa 10,5 Mio. Euro. Das sind rund 80 Hektar Boden, die Hälfte davon wird landwirtschaftlich genutzt. 37 Projekte, insgesamt 52 Immobilien sind in der Stiftung. Aktiv sind wir im gesamten Bundesgebiet. Im europäischen Ausland konnten wir einige Personen und Initiativen mit Rat und Tat unterstützen, wollen dort aber vorerst aufgrund der fremden Rechts- und Steuersituation nicht aktiv tätig werden.
Wir sehen unsere Größenordnung selbst bescheiden. Wesentlich ist vielmehr, dass wir durch unsere Arbeit praktisch nachweisen, dass eine gemeinwohlorientierte Ökonomie möglich ist. Wir erfahren daher viel Zuspruch von politisch aktiven Menschen, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Kommunen und anderen Stiftungen.
Als Mitglieder im Netzwerk «Wandelstiftungen» verfolgen wir den Ansatz, nicht das Heftpflaster der Gesellschaft zu sein, sondern mit unserem Tun auf einen gesellschaftlichen Wandel hinzuwirken. Im «Netzwerk Immovielien» (www.netzwerk-immovielien.de) wollen wir helfen, der Zivilgesellschaft einen angestammten Platz, auch im Kampf um die Bodennutzung, zu verschaffen.
Boden ist begrenzt verfügbar, daher müssen alle gesellschaftlichen Interessen zu einer gemeinwohlorientierten Nutzung beitragen. Es kann nicht sein, dass der reichste Investor das bevorzugte Nutzungsrecht erhält.
Wie sieht es bei der Stiftung aus: Führen Sie Mitglieder? Welche Stellung haben Ihre Nutzer – zwischen Eigentum, Miete und genossenschaftlichen Anteilen? Welche Mitwirkungsrechte gibt es für die Bewohner?
Formal gibt es keine «Mitglieder» in einer Stiftung. Wir sprechen von uns als «Bürgerstiftung» mit Fachthemen. Über 120 Stifterinnen und Stifter haben sich mit großen und kleinen Beträgen, mit Geld und Immobilienspenden, engagiert.
Die Frage von «Eigentum und Miete» klären die Nutzer unserer Grundstücke unter sich. Die Grundstücke sind Eigentum der Stiftung. Die Gebäude sind über das Erbbaurecht im Eigentum der Gruppen. «Unsere» Projekte reichen von «Kunst/Gewerbe/Gemeinnützige» über «Wohnen und Atelier» bis hin zu «landwirtschaftlich/handwerklicher Nutzung». Neben der Genossenschaft kann das auch eine gemeinnützige GmbH oder ein Verein sein. Überwiegend verfolgen die Gruppen jedoch ideelle Ziele und streben eine aktive Teilhabe an Verfügung und Verwaltung ihrer Immobilien an.
Das Eigentum an den Gebäuden liegt in der Regel bei der juristischen Person, z.B. also der Genossenschaft. Der einzelne Nutzer ist Mieter, über seine Stellung als Mitglied aber gleichzeitig auch mitbestimmungsberechtigter Mit-Eigentümer. Dadurch kann der Grundsatz «Gemeinwohl vor Einzelinteresse» praktisch umgesetzt und immer wieder neu geübt werden.
«Eine andere Welt ist möglich!» – diese Forderung hat zu Recht großen Zuspruch erhalten. Wollen Sie, und wenn ja kann die Stiftung gesellschaftspolitisch stärker gegen die herrschende Eigentumsordnung antreten? Gibt es Bestrebungen der Stiftung – wie in Berlin zur Zeit – den Artikel 15 im Grundgesetz zu nutzen?
In gewisser Weise ist das eine heikle Frage. Die Finanzbehörden verbieten uns politische Arbeit. Selbst politische Meinungsbildung wird als solche verstanden. Man vergleiche nur die Klage zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac (das endgültige Urteil steht hier noch aus) oder die politisch motivierten Angriffe auf die Deutsche Umwelthilfe (auch wenn es dort sicher einiges zu kritisieren gibt). Wir finden diese Haltung und dieses Vorgehen einen Skandal.
Einerseits steht die «Förderung des demokratischen Staatswesens» in der Abgabenordnung, welche die Gemeinnützigkeit regelt. Andererseits diskriminieren Finanzämter und das Bundesfinanzministerium die Ausübung demokratischer Willensbildung. Hier ist eine Reform und Klarstellung über Gesetzesänderungen notwendig.
In der derzeitigen gesellschaftspolitischen Stimmung und unter den gegebenen Mehrheiten ist es unwahrscheinlich, dass Artikel 15 GG, also die «Enteignung», genutzt wird. Dass diese Forderung für die Wohnungswirtschaft erhoben wird, können wir gut nachvollziehen. Große, renditeorientierte Wohnungsgesellschaften treiben das Mietniveau systematisch nach oben, sparen an der Instandhaltung und bedienen aus der Miete «kleiner Leute» ihre Kapitaleigner/Aktionäre. Der Staat muss das dann durch Wohngeld ausgleichen. Demonstranten in Berlin, München und an anderen Orten haben das erkannt bzw. leiden selbst darunter. Die Frage des Eigentums am Boden zu stellen, ist «noch weiter weg». Beides hat aber sehr, sehr viel miteinander zu tun.
Es wird Zeit, einige grundsätzliche Fragen in unserer Gesellschaft anzugehen. Zur Verteilung des Vermögens und Einkommens gehören zuvörderst auch Fragen des Bodeneigentums und der Mietkosten.
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