von Rolf Euler
… dann machen wir unsere!» Ein guter Aufkleber auf dem Megafon der Sprecherinnen und Sprecher der Friday-for-Future-Demo am 15.März in Recklinghausen. Eine deutlich stärker als erwartet besuchte Demo und Kundgebung, nicht nur in der Region, machte deutlich, was seit Greta Thunbergs Alleingang entstanden ist: eine gute Bewegung gegen die Untätigkeit der Konzerne, Regierungen und Verantwortlichen in der Klimakrise.
Die Anwürfe in mehreren Zeitungsartikeln, Leserbriefen und im Internet gegen die streikenden Schüler, die Verbote der Bildungsministerien und einiger Schulleitungen wurden praktisch beiseite gewischt mit dem Spruch: «Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut!»
Es war für alle Teilnehmenden ein schneller und kurzer Lernprozess, die Erkenntnis, dass Regeln und Ordnungen übertreten werden können – und müssen, wenn man was erreichen will. «Demonstriert doch in der Freizeit», oder «Lasst ihr doch eure Handys und Urlaubsflüge weg», oder «Kehrt erst mal vor eurer eigenen Tür» waren noch die harmloseren Anwürfe gegen die SchülerInnen. Aber wer ist es denn, der den Jugendlichen ein ständiges Mehr an elektronischen Gadgets, an Billig-Flugreisen anbietet und im Zweifel bezahlt? Das sind die mächtigsten Konzerne der IT-, Öl-, Auto- und Reisebranche, deren Profite steigen und steigen. Und als Konsumenten sind es «unsere» Generationen, die sich zu wenig von den Warnungen aller einschlägigen Studien seit 50 Jahren haben beeinflussen lassen. Daher greifen die SchülerInnen dies zu Recht an: «Ihr klaut uns die Zukunft». Der Vorwurf «Kehrt vor eurer eigenen Tür» zeigt seine Absurdität gerade bei der Klimakrise, der Systemkrise, die nicht vor der «eigenen Tür», sondern im großen Maßstab stattfindet. Die Demonstranten haben dagegen nicht nur sich selber, sondern die Zukunft aller (jungen) Menschen auf diesem Planeten im Auge.
Die «Logik» der Kritiken erschließt sich, wenn man begreift, dass die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Realität der Klimakrise auch angesichts der Unterstützung von über tausend Wissenschaftlern zum Scheitern verurteilt ist: Es ist (kurz vor) 12! Die Meere steigen. Das Eis schmilzt. Die Klimaerwärmung kann man zwar leugnen, aber das Klima hält sich nicht daran. Wem die Argumente ausgehen, der behilft sich mit dem Ruf nach Ordnung, Recht und Gesetz. Das Wegbleiben vom Unterricht für einige Schulstunden gilt als «Ordnungswidrigkeit». Und was für ein Umweltverbrechen steht dem mit der «Weiter-so»-Politik in der Energie- und Verkehrswirtschaft, mit der Verzögerung von schnellen und ernsthaften Maßnahmen zur Reduzierung der klimaschädlichen Gase gegenüber?
Tausende von SchülerInnen weltweit beweisen, dass sie bereit sind, Nachteile in Kauf zu nehmen für ein gutes Ziel. Wir «Parents for Future» oder sogar «Grandparents for Future» am Rande der Demonstrationen wurden an 1968 erinnert und können nur alles tun, damit das eine wirkungsvolle und erfolgreiche Erfahrung für die Jugendlichen bleibt.
«Act now or swim later!»
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