Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2019
Trotz Ruhm – Faschist bleibt Faschist
von Manuel Kellner

Charles-Eduard Jeanneret-Gris, geboren als Schweizer, später französischer Staatsbürger und bekannt unter seinem Künstlernamen Le Corbusier, war Architekt, Architekturtheoretiker, Stadtplaner, Maler, Zeichner, Bildhauer und Möbeldesigner. Siebzehn seiner Bauten gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die von ihm vertretene Stilrichtung des «Purismus» (vom französischen «pur» für «rein») befürwortet rationale Kompositionen aus elementaren geometrischen Figuren ohne gewollt dekorative Effekte.
Wieso empörten sich namhafte Persönlichkeiten in Le Parisien vom 29.August 2018 dagegen, dass dieser berühmte Mann mit Ausstellungen (wie die von April bis August 2015 im Centre Georges Pompidou in Paris) und öffentlich finanzierten Denkmälern (wie am 24.Januar 2017 im Stadtzentrum von Poissy) geehrt wird? Weil Le Corbusier zugleich ein rabiater Antisemit und Bewunderer Hitlers war. In einer Zeit, in der Antisemitismus, rechtsextremistische und faschistoide Umtriebe wieder grassieren, darf von den einschlägigen lebensgeschichtlichen Verstrickungen noch so bedeutender Künstlerinnen oder Künstler nicht abstrahiert werden.

Le Corbusier war ein erklärter Gegner der Aufklärung und zwei Jahrzehnte lang ein Weggefährte des französischen Faschismus. Dessen intellektuelle Bannerträger anerkannten ihn öffentlich als einen der Ihren, zum Beispiel Georges Valois, der am 29.Mai 1927 im Le Nouveau Siècle (Das Neue Jahrhundert) schrieb, «dass die Konzeptionen von Le Corbusier unsere tiefsten Gedanken zum Ausdruck bringen».
Seit Anfang der 30er Jahre war Le Corbusier leitender Mitarbeiter der Monatszeitschrift Plans (Pläne), wo am 4.April 1931 zu lesen war, «die Hitlerianer» seien «das junge und glühende Deutschland, das sich sammelt, das hofft und singt». Le Corbusier war auch Redakteur der Zeitschrift Prélude (Vorspiel), die sich am 10.Februar 1934 über «die jüdisch-freimauererische Zersetzungsarbeit» echauffierte. Die offen antisemitischen Äußerungen von Le Corbusier selbst sind Legion.
Le Corbusier erklärte stolz darüber zu sein, «von Juden, Bolschewisten, Katholiken und dreckigen Maghrebinern gehasst» zu werden. Die Niederlage Frankreichs und den Sieg der deutschen Wehrmacht feierte er am 2.August 1940 mit den Worten: «Die Niederlage der Waffen scheint mir ein wundersamer französischer Sieg zu sein. Wenn unsere Waffen gesiegt hätten, hätte die Fäulnis triumphiert und nichts Sauberes hätte je mehr zu leben beanspruchen können.» Hitler bezeichnete er als «Leuchten des Guten in dieser strengen Umwälzung», zumal dieser «die Jugend zur Arbeit und zum Bau wunderbarer Autobahnen mobilisiert» habe.

Ab Januar 1941 arbeitete Le Corbusier siebzehneinhalb Monate lang für das mit Nazideutschland kollaborierende Vichy-Regime, dessen Behörden er seine Geburt als Schweizer Staatsbürger verschwieg. Er wurde vom Innenminister Vichys zum Verantwortlichen für den Städtebau in den vom Krieg zerstörten Gebieten Frankreichs ernannt. Unter anderem die 2008 erschienene Biografie von Nicholas Fox Weber hat die Sympathien Le Corbusiers für den Faschismus und Nazismus enthüllt, aber auch die Dokumentation einer Auswahl seiner Briefe im Jahr 2002 zeigte sie auf.
Dies alles hinderte Le Corbusier nicht daran, im befreiten Frankreich, in Europa und international bis hin zur Sowjetunion unter Stalin seine glänzende Karriere fortzusetzen und als Lichtgestalt gefeiert zu werden. In der aktuellen öffentlichen Debatte über ihn wird hier und da die Frage aufgeworfen, ob nicht die dunklen Seiten seiner Lebensgeschichte einerseits und sein Werk andererseits auseinandergehalten werden sollten. Eine schwierige Frage!

Seine fünf Leitmotive waren:
1. ein Raster von Betonstützen ersetzt die tragenden Mauern und wird zur Grundlage der neuen Ästhetik;
2. die Dachgärten auf einem Flachdach können sowohl als Nutzgarten wie auch zum Schutz des Betondachs dienen;
3. der freie Grundriss und damit der Wegfall von tragenden Mauern ermöglicht eine flexible Nutzung des Wohnraums;
4. das Langfenster durchschneidet die nichttragenden Wände entlang der Fassade und versorgt die Wohnung mit gleichmäßigem Licht;
5. freie Fassadengestaltung durch die Trennung der äußeren Gestaltung von der Baustruktur.
Eisenbeton, Stahl, Fertigteile zur Serienproduktion von Gebäuden sind die bevorzugten Materialien des von Le Corbusier selbst so bezeichneten «Brutalismus». Hans Kollhoff, Architekturprofessor in Zürich, sagt über Le Corbusier: «Seinen rigorosen städtebaulichen Projekten ist ein totalitärer Charakter nicht abzusprechen.» Pierre Frey, Architekturhistoriker in Lausanne, meint: «Le Corbusier war ein radikaler Theoretiker einer Art räumlichen Eugenik und ein rabiater Antisemit … Le Corbusier hätte, ohne mit der Wimper zu zucken, auch für Hitler gebaut.» Das Urteil über die Person ist klar, der Zusammenhang mit dem Werk zumindest plausibel.

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