von Samantha Winslow*
Dicht auf den Fersen des erfolgreichen Streiks der Lehrer in Los Angeles im Januar, haben sich Lehrer 340 Meilen nördlich in Oakland der Streikwelle angeschlossen. 3000 Lehrer streikten vom 21.Februar bis zum 1.März an den 86 Schulen, unterstützt von Eltern und Schülern.
Diese Streiks steigern – gemeinsam mit dem Rumoren, das durch andere Lehrergewerkschaften in Kalifornien geht – den Druck auf Schulbehörde und Gesetzgeber, endlich in öffentliche Schulen zu investieren und die landesweite Privatisierung zu beenden.
Der Streik in Oakland konnte sich auf eine unglaubliche Solidarität der örtlichen Bevölkerung, weiterer Gewerkschaften in der Bay Area und von Lehrern in anderen Gebieten stützen. Unterstützer spendeten 170.000 US-Dollar an das Projekt «Bread for Ed», das Schülern an Solidaritätsschulen Mittagessen durch Freiwillige ausgab. Schulpersonal von der Gewerkschaftsgliederung Local 1021 der Dienstleistungsgewerkschaft SEIU machte Solidaritätsstreiks, ebenso wie Lehrer an acht Charterschulen (das sind öffentlich finanzierte Schulen in privater Trägerschaft) und verliehen der Opposition gegen Privatisierung damit weiteren Nachdruck.
Der siebentägige Streik endete mit einem Deal: Lehrer und anderes Personal an den Schulen bekommen eine längst überfällige Lohnerhöhung und Entlastungen im Arbeitspensum. In Bezug auf Schulschließungen und Budgetkürzungen konnten die Lehrer jedoch nur einen Aufschub erreichen.
Die Erfolge
Die Streikenden setzten eine Verringerung der Klassengröße um eine Person an Schulen, wo dies besonders nötig ist, für das Schuljahr 2019/2020 durch, alle anderen Schulen folgen im Schuljahr 2020/2021. Zum ersten Mal wird die Zahl der Fälle, die Schulpsychologen zu bearbeiten haben, gedeckelt. Schulkrankenpfleger erhalten einen Bonus, damit soll es möglich werden, Krankenpfleger für die 22 vakanten Stellen zu finden, damit die Fallzahl pro Beschäftigtem sinkt.
Als die Verhandlungen 2017 begannen, schlug der Bezirk Nullrunden vor und einen Tag Zwangsurlaub. Am Ende des Streiks war es der Lehrergewerkschaft von Oakland gelungen, 11 Prozent Lohnerhöhung verteilt auf vier Jahre, sowie einen dreiprozentigen Bonus durchzusetzen. Die Schulbehörde ließ sich auch darauf ein, eine Resolution für ein landesweites Moratorium der Expansion von Charterschulen zu verabschieden – damit schloss sie sich dem Ergebnis der Januarstreiks in Los Angeles an.
Der Vertrag von Oakland beendet jedoch nicht die 24 angekündigten Schulschließungen und -konsolidierungen, er verzögert sie nur. Er schiebt auch nicht die angekündigten Kürzungen auf, die zu Kündigungen von anderen Schulbeschäftigten führen. Die Gewerkschaft wird weiter kämpfen müssen, um ein höheres Budget für Bildung durchzusetzen.
Der Bezirk hatte ursprünglich darauf bestanden, über die Schulschließungen nicht zu verhandeln. Letzten Endes einigte man sich auf eine fünfmonatige Pause bei Schließungen und Konsolidierungen. Wenn der Bezirk mit den Schließungen dann fortfahren will, wird er einem neuen, in beiderseitigem Einverständnis ausgehandelten Prozess folgen müssen, in den Eltern, Lehrergewerkschaften und Beschäftigte einbezogen sind. Im Endeffekt, so Ismael Armendariz, Vizepräsidentin der Gewerkschaft, konnte so mindestens ein Jahr Aufschub erkauft werden, um den Kampf gegen die Schließungen fortzusetzen.
Knapp angenommen
Als die Verhandlungskommission am 1.März die vorläufige Einigung bekannt gab, diskutierten die Streikenden ein Wochenende lang darüber, ob sie mehr herausholen könnten, wenn sie den Streik fortsetzen würden. An der New Highland Academy fragten die Lehrer auch die Eltern nach ihrer Meinung. Diese Gespräche waren hart, meinte die Lehrerin Carrie Anderson. Manche Eltern forderten, die Lehrer sollten länger draußen bleiben. «Wir versprachen euch bessere Dinge für eure Kinder», sagte Anderson zu den Eltern. Gleichzeitig sagte sie: «Wir sind uns auch sehr bewusst darüber, was wir den Familien abverlangt haben», indem die Kinder nicht zur Schule konnten.
Die Hauptamtlichen der Lehrergewerkschaft drängten auf Zustimmung zur Einigung, als Schritt hin zu kleineren Klassen und besserer Personalausstattung und auch, damit die Schulbehörde mit den erzielten Lohnerhöhungen nicht Entlassungen begründen würde. Die Vertreterversammlung stimmte schließlich am 2.März mit 64 zu 58 Prozent knapp für die Annahme des Deals.
Der Organizing-Prozess
Vor dem Streik bewegte sich der Bezirk kaum auf die Forderungen der Gewerkschaft zu. Das Management behauptete, es wäre kein Geld da, die Schülerzahlen gingen zurück und es gäbe zu viele Schulen. Die Lösung sei Schließungen und Kürzungen. Die Gewerkschaft wies auf die Privatisierung hin – 30 Prozent der Schüler in Oakland gehen auf Charterschulen – und auf die Misswirtschaft: zuviel Geld geht in die Verwaltung und in Berater. «Sie haben das Geld aus den Klassenräumen abgezogen», sagte Armendariz.
Als Keith Brown im vergangenen Juli den Gewerkschaftsvorsitz und Armendariz die Stellvertretung übernahm, führte die Tarifkommission schon seit einem Jahr Verhandlungen und im Bezirk gab es eine Pattsituation. Die Gewerkschaft in Los Angeles, die 2014 eine neue Führungsriege namens Union Power wählte, hatte vier Jahre Zeit gehabt, um sich auf den Streik vorzubereiten, Oakland hatte sieben Monate.
Die neue Führung setzte auf den Aufbau einer aggressiven Tarifkampagne. Im ersten Schritt wurden Teams an jeder Schule rekrutiert und die Schulen in Clustern organisiert, jeder mit einem eigenen Kommunikationsbaum. Anderson, die an ihrer Schule vier Jahre lang Gewerkschaftsvertreterin war, sagte, früher war sie es gewohnt, bei einer Frage oder einem Problem den Gewerkschaftsvorsitzenden anzumailen. Jetzt ruft sie den Clusterdelegierten an oder benutzt eine Messaging App, um andere Gewerkschaftsvertreter an nahegelegenen Schulen zu fragen.
Letzten Sommer nahm eine Gruppe von Aktivisten an einem Organizing-Training von Labor Notes teil. Sie brachten Material mit, wie man ein Organisierungsgespräch führt, Schlüsselpersonen identifiziert und gewinnt und eine Kampagne um ein Thema herum plant. Dieses Material nutzten sie, um kleine Trainings im Herbst durchzuführen, wodurch sie neue Schlüsselpersonen gewannen und Gruppen an den Schulen aufbauten. Mitglieder jeder Gruppe machten einen Aktionsplan – manchmal um eine Tarifkampagne aufzubauen, manchmal um einen mobbenden Schulleiter zu konfrontieren.
Der Druck auf die Tarifkampagne wurde verstärkt durch Märsche in den Schulen, stadtweite Kundgebungen und einem hohen Zuspruch bei der Urabstimmung: An ihr nahmen 80 Prozent der Mitglieder teil, 95 Prozent stimmten für den Streik. In den Wochen davor organisierten fünf Gymnasien Arbeitsniederlegungen.
Wie erfolgreich dieses Organizing war, zeigte sich, als 85 Prozent der Lehrer bei den Streikposten auftauchten. Noch mehr erschienen laut Angaben der Lehrergewerkschaft nicht zur Arbeit. Während die Schulen offen blieben, ausgestattet mit Vertretung und Verwaltungspersonal, blieben 95 Prozent der Schüler zu Hause. Damit war die Streikbeteiligung ähnlich hoch wie in Los Angeles, die Abwesenheit der Schüler sogar noch höher.
Den Druck hochhalten
Wie in Los Angeles erhielten die Forderungen der Lehrer enormen Rückenwind durch die Öffentlichkeit und die Medien. Während des Streiks organisierten die Gewerkschaftsmitglieder die Streikposten und ermutigten die Schüler, in sog. Solidaritätsschulen in nahegelegenen Kirchen, Büchereien und Stadtteilzentren zu gehen.
Die Lehrer zogen zum Rathaus, einem öffentlichen Bürogebäude, und zur Lobbyorganisation für Charterschulen mit dem irreführenden Namen GO Public Schools. Unterstützer überraschten deren Geschäftsführer mit einem Streikposten am frühen Morgen und einem Besuch bei ihm zu Hause. Es gab zahlreiche kreative Aktionen, Blockaden von Sitzungen, bei denen über Kürzungen verhandelt wurde, bis hin zu Tänzen, an denen sich auch die Eltern beteiligten.
Jetzt geht es darum, die Mitglieder zusammenzuhalten und für den Kampf um Budgeterhöhungen fit zu machen. Eine weitere Priorität liegt auf der Wahl einer Schulbehörde, die für öffentliche Schulen eintritt. Die Schulbehörde hat nach dem Streik das Budget, wie angekündigt, um 22 Mio. US-Dollar gekürzt. Auch wenn sich die politische Stimmung durch die Streiks geändert hat, reicht das bei weitem noch nicht aus. Auch zwischen den Schulen hat sich die Stimmung verändert, neue Beziehungen wurden geknüpft, Spaltungen überwunden und die Isolation aufgehoben.
* Quelle: labornotes.org, 21.März 2019
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.