Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2019

Axel Weipert: Die Zweite Revolution. Rätebewegung in Berlin 1919/1920
von mke

Berlin, Brandenburg: be.bra, 2015. 476 S., 32 Euro

Im Gegensatz zu dem, was der Titel ausdrückt, beschränkt sich die Studie nicht auf Berlin. Berlin war zwar der politische Mittelpunkt des deutschen Reichs und das Epizentrum der Arbeiter- und Soldatenrätebewegung, der Autor geht aber immer wieder auf Ereignisse in anderen Teilen Deutschlands ein.
Axel Weiperts Darstellung ist facettenreich. Auch Räte an Schulen und die Rolle der Frauen in der Bewegung werden untersucht. Herausragende Ereignisse werden ausführlich dargestellt, die Bedeutung der Initiativen von unten, das Wirken der betrieblichen und gewerkschaftlichen Vertretungsorgane, der Führungen der Gewerkschaften und der verschiedenen, vor allem der linken politischen Parteien werden differenziert dargestellt. Das Buch ist eine ganz wesentliche Ergänzung zu den bislang veröffentlichten Werken über die Geschichte der deutschen Revolution, es teilt alle Stärken seiner Vorgänger – mit Ausnahme der zeitgenössischen Beteiligung an den Ereignissen eines Richard Müller – und kompensiert alle ihre Schwächen.
Besonders frappierend fand ich bei der Lektüre, wie sehr diese Vergangenheit mit unserer Gegenwart verquickt ist. Das gilt für die politischen Verbrechen der SPD genauso wie für die ultralinken Kindereien auf der äußersten Linken. Aber das sage ich ohne Häme, denn die wirkliche Nutzanwendung ist diese: Sich in so turbulenten Zeiten zu orientieren ist schwierig. Es gibt keine Blaupause für die Entwicklung revolutionärer Realpolitik, aber wir müssen das immer wieder versuchen.
Obwohl der Autor sich nicht in methodischen Erörterungen ergeht, macht seine Darstellung deutlich, wie wenig er die zwei Geschichtsbegriffe durcheinanderbringt, die oft unbefangen und naiv unterschiedslos gebraucht werden: Geschichte als den vorgestellten Ablauf «wie es war», und Geschichte als Geschichtsschreibung auf der Grundlage einer sorgfältigen und kritisch reflektierenden Aufarbeitung des vorliegenden Materials. Letzteres macht Axel Weipert vorbildlich. Er suggeriert nie, «dabei gewesen» zu sein, sondern erläutert differenziert, was unstrittig, was wahrscheinlich zutreffend und was zweifelhaft ist. Er gibt kein einziges Urteil ab, ohne offenzulegen, auf welche Befunde er sich dabei stützt.
Karl Marx hat zwar gelehrt, der Gebrauchswert sei nicht zu beziffern. Gleichwohl möchte ich abschließend sagen: Der Gebrauchswert dieses Buch von Axel Weipert ist sehr groß. Es verdient in der linken Bildungsarbeit breit eingesetzt und von der linken Journaille im großen Stil abgekupfert zu werden, wie ich dies auch im nebenstehenden Artikel zum Kapp-Putsch ohne falsche Scham getan habe.

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