von ak
Am 19.Mai werden viele wohlmeinende Menschen anlässlich der Europawahlen gegen Nationalismus und Rechtsextremismus auf die Straße gehen. Ein Bündnis aus Attac, Naturfreunden, Pro Asyl, Seebrücke, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband u.a. ruft dazu auf, in sieben Großstädten der Bundesrepublik für ein «demokratisches, friedliches und solidarisches Europa» zu demonstrieren und dafür, am 26.Mai wählen zu gehen. Als einzige Gewerkschaftsgliederung hat die Verwaltungsstelle Ludwigshafen-Frankenthal der IG Metall den Aufruf unterschrieben.
Ein Kernsatz darin lautet: «In Zeiten nationaler Alleingänge ist es wichtiger denn je, dass wir uns als solidarische Gesellschaft für ein Europa einsetzen, das Demokratie und Rechtsstaatlichkeit über Grenzen hinweg verwirklicht und sich über Nationalismus und Abschottung hinwegsetzt. Gemeinsam sagen wir: Die EU muss sich ändern, wenn sie eine Zukunft haben will.»
Dass Menschen in großer Zahl gegen Rassismus und Nationalismus und für europaweite Solidarität auf die Straße gegen, ist positiv. Immerhin steht in dem Aufruf, dass die EU sich ändern muss. Zu Beginn der Bündnisarbeit war nicht einmal von einer solchen, sehr indirekten Kritik an der EU die Rede; dem Vernehmen nach ist es wesentlich Attac zu verdanken, dass der Aufruf eine EU-kritische Wendung genommen hat. Sie findet sich allerdings nicht ausdrücklich, sondern ausschließlich in der Formulierung positiver Ziele wie sichere Fluchtwege, mehr Demokratie, Sicherung der Arbeitnehmerrechte und erneuerbare Energien. Pulse of Europe, eine liberale Pro-EU-Bewegung, ist daraufhin aus dem Bündnis ausgeschieden. Auch das ist eine positive Klarstellung.
Die Initiative ist lobenswert – ist doch der Ruf nach einem Austritt aus der EU, der angesichts des Debakels in Griechenland ursprünglich von Linken erhoben wurde, inzwischen von den Rechten gekapert worden – die Linke hat es bislang nicht vermocht klarzustellen, dass ihre Variante des Exit nicht nationalistisch, sondern solidarisch europäisch ist. Auch Jeremy Corbyn war da nicht hilfreich: Seine Politik erschöpft sich darin, einen weichen anstelle eines harten Brexit durchzusetzen, will aber ebenfalls die Personenfreizügigkeit begrenzen. Von einem Brexit mit einem europäischen Ansatz, der die Europawahlen zum Anlass genommen hätte, europaweit zu Demonstrationen für gemeinsame Sozial- und Umweltstandards und gegen die Militarisierung aufzurufen, keine Spur.
Dabei ist die EU ein Hauptinstrument in den Händen der Herrschenden und ihrer Regierungen, Privatisierungen, Marktliberalisierung und Abbau der sozialen Rechte durchzusetzen. Diese Politik wird von den Mitgliedstaaten vorangetrieben, aber die exekutiven Organe der EU, die keiner Volksvertretung rechenschaftspflichtig sind, sind ein wichtiger Hebel für ihre Durchsetzung.
Eine europäische Politik, wie Attac und die anderen sie sich wünschen, muss mit dieser EU brechen. Hinter diese Wahrheit können wir nicht zurückfallen und sie muss offen ausgesprochen werden. Leider wird auch Die LINKE dieser Aufgabe nicht gerecht. In ihrem Kurzwahlprogramm steht ebenfalls kein kritisches Wort zur EU.
Der einzige Aufruf, den wir gefunden haben, der eine vernünftige Kritik an der EU und europäische Lösungsansätze vorträgt, ist der Aufruf des internationalen Bündnisses um La France Insoumise. Wir geben ihn nebenstehend in eigener Übersetzung wieder und fragen uns, warum ein solcher Klartext nicht auch in Deutschland gesprochen werden kann.
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