von Angela Klein und Manuel Kellner
Links von der SPD können Menschen bei der bevorstehenden Europawahl am 26.Mai in Deutschland vier Listen ankreuzen; zufriedenstellend ist keine davon.
DIE LINKE: Vor fünf Jahren hatte sie die EU noch unzweideutig als «neoliberales, undemokratisches und militaristisches Projekt» bezeichnet. Diesmal möchte sie ihre sozialen, demokratischen, ökologischen und antimilitaristischen Ziele lieber «positiv ausdrücken». Ohne Zweifel sind alle diese in ihrem Kurzwahlprogramm angeführten Forderungen zu unterstützen. Doch in Sachen Charakterisierung der EU eiert sie ganz bewusst herum, um nicht die bürgerliche Wohlanständigkeit aufs Spiel zu setzen. Die nebulöse Formel vom «Neustart der EU» lässt offen, ob sie die EU von innen her reformieren oder durch ein anders politisch geeintes Europa ersetzen will.
Özlem Demirel und Martin Schirdewan, die Spitzenkandidaten, stehen auf dem linken, antikapitalistisch gesonnenen Flügel der Partei. Sie betonen unermüdlich die herausragende Bedeutung der antiparlamentarischen Bewegungen, die es zu stärken gelte. Doch in Sachen EU halten sie sich an die offiziell beschlossenen Sprachregelungen. Bohrenden Fragen weichen sie aus, wie in einem Taz-Interview, wo Antworten zu lesen waren wie: «Es geht nicht darum, dafür oder dagegen [die EU] zu sein, sondern darum, Gesellschaft zu verändern.» Oder: «Den Menschen ist es im Zweifel egal, ob prekäre Jobs auf europäischer Ebene oder auf nationaler Ebene abgeschafft werden.» Leider hat Griechenland gezeigt, dass man mit der EU in Konflikt kommt, wenn man auf nationaler Ebene Prekarität und Aermut bekämpfen will.
Die DKP sagt «Nein zur EU!» und erklärt diese für nicht reformierbar. Der «Austritt aus der EU» sei ein Schritt auf dem Weg zu einem sozialen und friedlichen Europa.
Im Lichte des Brexit ist das eine gewagte Behauptung. Da lassen die Tories derzeit zwar Federn, aber nicht zugunsten von Labour, die in den Umfragen stagniert, sondern zugunsten von UKiP, die gerade steil im Aufschwung ist. Sollten die Briten an den Europawahlen teilnehmen (sofern sie sich nicht bis zum 22.Mai auf ein Ausstiegsszenario einigen können), werden wir ja erfahren, wie das Brexit-Chaos beim Wähler ankommt.
Gegen ein Kreuz bei der DKP lässt sich auch einwenden, dass sich mit der Wahl ihrer Liste kein Kräfteverhältnis im Europaparlament beeinflussen lässt, weil sie keine Chance hat, reinzukommen. Dasselbe gilt für die MLPD, die zwar eine ziemlich saubere Haltung zur EU hat, aber mit ihrer fortgesetzten Stalintreue unappetitlich bleibt.
Ein letztes Angebot unterbreitet DiEM25, angeführt von Yanis Varoufakis. Varoufakis steht für die griechische Widerständigkeit gegen die antisozialen Zumutungen der Troika aus EZB, IWF und Weltbank, gegen das hässliche Gesicht der von Deutschland geführten EU. DiEM25 versteht sich als «radikal proeuropäisch». Die neue EU soll ausdrücklich «für alle BürgerInnen Europas» sein. Auf Bürgerversammlungen soll über eine neue demokratische Verfassung diskutiert werden. Per Referendum soll eine verfassungsgebende Versammlung beschlossen werden, die dann die neue europäische Verfassung ausarbeitet. Bis dahin soll «das Europaparlament gestärkt» werden.
DiEM25 ist gegen die Austeritätspolitik. Dennoch fehlt ihrem Programm jeder Klassenbezug, weil es in der Forderung nach Demokratisierung der EU-Institutionen gipfelt ohne zu problematisieren, dass diese die Interessen des globalisierten Kapitals bestens bedienen, eine «Reform» der EU somit unausweichlich die Frage nach der Abschüttelung seiner Herrschaft stellt.
Wenn wir somit keine Alternative dazu sehen, auch diesmal DIE LINKE zu wählen, dann aus zwei Gründen: Erstens können wir den Rechten das Feld nicht überlassen. Die haben überhaupt kein Problem damit, zu einer Europawahl zu gehen, obwohl sie ganz und gar antieuropäisch sind. Und zweitens ist es durchaus möglich, dass die Linksfraktion im EP sich mit den neuen Spitzenkandidaten etwas linker aufstellt, als das in der Vergangenheit der Fall war.
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