Gespräch mit Frauke Banse
An der Uni Kassel arbeiten gut 3000 Beschäftigte. Viele von ihnen sind befristet angestellt. Neuverträge, ob volle Stellen oder Aufstockungen, waren 2017 über 90 Prozent befristet. Die Kampagne Uni Kassel Unbefristet hat sich vor etwa einem Jahr gegründet und will das ändern. Violetta Bock sprach darüber mit Frauke Banse, Politikwissenschaftlerin und aktiv in der Kampagne Uni Kassel Unbefristet.
Wie ist gerade der Stand bei euch?
Wir hatten jetzt zwei Personalversammlungen (PV). Die eine war im Dezember, die nur die Befristung zum Thema hatte. Hier haben viele KollegInnen teilweise sehr empört geschildert, was Befristungen für ihr Leben bedeuten. Bei der zweiten im März haben wir die Hochschulleitung direkt gefragt, wie sie sich zu unseren Forderungen verhält. Da hat sich die Hochschulleitung zum ersten Mal klar positioniert. Sie hält die ganze Materie für zu komplex und letztlich nicht umfassend regelbar. Sie hat sich aus der Verantwortung gestohlen und den Ball wieder an die Landesebene gespielt. Deswegen bereiten wir eine neue Mobilisierungsphase vor. Unser Ziel ist eine verbindliche, konkrete, mit dem Personalrat verhandelte und überprüfbare Regelung für eine umfassende Entfristung an der Uni.
Das heißt es geht vor allem darum, Druck aufzubauen. Wie macht ihr das?
Wir gehen über verschiedene Seiten. Wir versuchen, Öffentlichkeit zu erzeugen. Das ist uns bisher auch ganz gut gelungen, sowohl in der Lokalzeitung als auch in überregionaler Presse. Wir sind gut in beiden Gewerkschaften am Campus verankert und eng mit der Initiative der Hilfskräfte an der Uni verbunden. Wir haben Unterstützung vom AStA. Und dann gehen wir natürlich auf die Kolleginnen und Kollegen zu, es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, sich in der Kampagne zu engagieren.
Die Unileitung mauert bislang, hat sich aber genötigt gefühlt zu reagieren.
Der Unipräsident hat sich jetzt konkreter geäußert, unter anderem zu den Lehrkräften für besondere Aufgaben (LfbA). Planung scheint offensichtlich möglich zu sein, denn sie haben für die LfbA klare – wenn auch bei weitem nicht ausreichende – Zahlen zu Entfristungen gegeben, und das müssen sie nun für alle Bereiche machen.
Dennoch weigert sich die Unileitung, das Problem grundlegend anzuerkennen. Sie erkennt weder die menschliche Dimension, noch, und das müsste sie ja eigentlich interessieren, die institutionellen Absurditäten. Dass die Hochschulleitung auf die Beschäftigteninteressen nicht eingeht, ist schlimm, aber nicht verwunderlich; dass sie nicht auf die Studierendeninteressen eingeht, nun ja; aber dass sie selbst die Funktionalität ihrer eigenen Institution nicht interessiert, das ist schon bemerkenswert.
Was die Hochschulleitung gar nicht als Problem sieht, sind beispielsweise die Befristungen beim technisch-administrativen Personal. Hier haben wir noch nicht mal umfassende Zahlen, wissen aber, dass befristete, und damit stets unsichere Aufstockungen ein ziemliches Problem darstellen. Insbesondere in den unteren Gehaltsstufen ist die finanzielle Unsicherheit sehr hoch. Auch das Problem der Dauerbefristungen für Leute mit Promotion wird nicht gesehen. Es wird so getan, als ob es tatsächlich verlässliche Berufswege in der Wissenschaft gäbe – man müsse sich nur anstrengen. Das ist aber absurd, die Professuren sind rar gesät, und so pendeln die KollegInnen quer durch die Republik, vernachlässigen FreundInnen und Familie und sind mit 45 Jahren noch immer wissenschaftlicher «Nachwuchs».
In Drittmittelprojekten sind wissenschaftliches wie technisch-administratives Personal gleichermaßen davon betroffen, dass sich die Unileitung wegen der externen Finanzierungsquelle nicht für zuständig hält und jede Verantwortung von sich weist.
Ihr wollt technisch administratives und wissenschaftliches Personal gemeinsam organisieren. Das ist auch ein Unterschied zu Initiativen an anderen Universitäten. Warum ist das so?
Weil wir alle betroffen und KollegInnen sind. Beim wissenschaftlichen Personal sind weit mehr von der Befristung direkt betroffen. Beim technisch administrativen Personal wird aber immer übersehen, dass da ganz viele aufstocken. Zudem müssen die fest Angestellten die hohe Personalfluktuation ausgleichen bzw. verwalten – das bedeutet teilweise eine sehr hohe Arbeitsverdichtung. Es gibt überhaupt keinen Grund, einen wissenschaftlichen Elfenbeinturm zu konstruieren.
Wieso wird das in anderen Städten dann gemacht?
Weil es getrennte Statusgruppen sind, die nehmen sich auch getrennt wahr, haben getrennte Arbeitssphären. Wissenschaftliche KollegInnen haben häufiger eine stärkere Identifizierung mit ihrem Job, was für die Organisierung sehr hinderlich sein kann – das ist bei den technisch-administrativen KollegInnen anders. Wir sind aber stärker, wenn wir gemeinsam auftreten. Das haben wir in den Personalversammlungen gesehen, als viele ihre unterschiedlichen Geschichten geschildert haben.
Kannst du was zur bundesweiten Vernetzung sagen?
Wir sind in den beiden Gewerkschaften, GEW und Ver.di, aktiv und Teil des Netzwerks Gute Arbeit in der Wissenschaft (NGAWiss). Wir bekommen viele Anfragen für Vorträge. Wir fahren durch die Republik und geben Starthilfe. Es gibt jetzt Leute, die das Thema Befristung in Darmstadt, Berlin oder in Göttingen für ihre Organisierung aufgegriffen haben, dann gibt es die gemeinsame «Frist-ist-Frust»-Kampagne von NGAWiss, Ver.di und GEW.
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