von Angela Klein
Am 7.Oktober dieses Jahres jährt sich zum 70.Mal die Gründung der DDR – 40 Jahre später war der 7.Oktober 1989 der Auftakt zu ihrem Zusammenbruch.
Nicht zu diesem Anlass, aber in diesem Kontext hat die Rote Hilfe ein Sonderheft herausgegeben, das sich mit der Unterdrückung der linken Opposition in der DDR beschäftigt. Das hat auf der Seite der unverbesserlichen Verteidiger der DDR einen Sturm der Entrüstung hervorgebracht – von der jungen Welt über die DKP, den Freidenkerverband, das Ostdeutsche Kuratorium der Verbände… Antworten darauf gab es u.a. von Teilen der ehemaligen Vereinigten Linken der DDR und der Zeitschrift telegraph.
Das Sonderheft ist überaus lesenswert. Auch Menschen, die sich schon lange mit der Geschichte der DDR und des Stalinismus befassen, bietet es nicht nur Bekanntes, sondern detailreiche Einblicke in die verschiedenen Stadien der Auseinandersetzung der SED-Führung mit politischen Strömungen, die sich unabhängig von ihr gebildet haben, in Opposition zu ihr standen oder auch nur anders leben wollten.
Nach einem einleitenden Beitrag über die Stalinisierung der kommunistischen Parteien wird der Bogen geschlagen von der Marginalisierung der Antifaschistischen Ausschüsse zu Ende des Zweiten Weltkriegs, der Marginalisierung bis Verunglimpfung kommunistischer Häftlinge in Buchenwald (eine notwendige Maßnahme, bevor das Gedenken an Buchenwald zum Teil der offiziellen Gründungslegende der DDR werden konnte); die stromlinienförmige Zurichtung des ersten Anlaufs zur Bildung einer Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (an dem Verfolgte aller Couleur, von Christen bis Kommunisten beteiligt waren) auf rein «kommunistische» Organisationen in Ostdeutschland – spiegelbildlich tat die SPD im Westen dasselbe; die Verfolgungs- und Säuberungswellen im Stil der Moskauer Prozesse nach der Abspaltung Jugoslawiens bis zum XX.Parteitag der KPdSU einschließlich ihrer antisemitischen Ausrichtung; die Verlängerung dieser Säuberungen in die KPD hinein, auch noch nach der Staatsgründung der DDR; die Unterwanderung einer Studentengruppe, die im Zuge des Prager Frühlings Kontakt zu marxistischen Kreisen des Westens suchte, durch die «Staatssicherheit» – welch ein ironischer Name: hat sie doch mit ihren Spitzelmethoden die Legitimität der DDR mehr untergraben als alle antikommunistischen Angriffe aus dem Westen! Das Heft schließt denn auch mit einem Interview mit Hans Modrow zur Frage, ob ein sozialistischer Staat denn Geheimdienste braucht, eine Frage, die Modrow natürlich bejaht, er will aber trotzdem auf der richtigen Seite gestanden haben. Davor gibt es noch einen Beitrag zur Unterwanderung und Zerschlagung der Leipziger Punkszene und der in den 80er Jahren entstehenden Antifa, die unterdrückt wurde, weil sie auf das Erstarken rechtsextremer Gruppen aufmerksam machte.
Repliken
Zu allen diesen Themen gibt es seit längerem ausführliche Literatur, die allerdings nicht denselben Wirkungskreis hat, als wenn die Rote Hilfe eine Ausgabe ihres Heftes dem Thema widmet. Ihr Anlass dazu war auch nicht der Jahrestag, an den eingangs erinnert wurde, sondern ein politischer Diskussions- und Klärungsprozess im Redaktionskollektiv, der auf eine Ausgabe über «Siegerjustiz» folgte, die vor drei Jahren veröffentlicht wurde – es ging darin um die BRD-Repression nach der Wende gegen DDR-Bürger und -Funktionäre. Das damalige Heft war vom Standpunkt der DDR-Führung geschrieben und provozierte heftige Reaktionen in der Leserschaft. Das Neue Deutschland schrieb dazu am 12.März dieses Jahres:
«Der Konflikt um die Bewertung der DDR wurde auch auf der letzten Bundesdelegiertenkonferenz der Roten Hilfe ausgetragen. Ein Mitglied der Potsdamer Ortsgruppe berichtete in einem Rundbrief an die Mitglieder, dass die Positionierung ‹fast genau entlang der Ost-Westgrenze› verlaufen sei. Ostdeutsche hätten die vorherige ‹Siegerjustiz›-Ausgabe eher missbilligt, Westdeutsche eher befürwortet. Die ostdeutsche Kritik an der Ausgabe sei von ‹westdeutschen Linken … fast geschlossen zurückgewiesen› worden. Aktive Mitglieder hätten daraufhin ihre Mitarbeit oder Mitgliedschaft beendet.»
Politische Strömungen, die heute immer noch der DDR-Führung nahestehen, haben sich jetzt sehr erbost darüber gezeigt, dass die Rote Hilfe sich anmaßt, ein «politisches Heft» herauszubringen – damit würde sie einen Teil ihrer Leserschaft vor den Kopf stoßen. Eine Zeitschrift, die sich professionell mit dem Thema Repression befasst, kommt aber nicht umhin, diese überall dort zu analysieren und anzuprangern, wo es sie gibt – und es gab sie eben auch in der DDR. Staatliche Repression ist per Definition politisch. Gegen das Heft «Siegerjustiz» haben diese Kräfte den Einwand damals natürlich nicht vorgebracht.
Das Jämmerlichste an den geharnischten Repliken ist, dass diese Kreise es immer noch ablehnen, eine Mitschuld der DDR-Führung am Untergang des ersten nominalsozialistischen Staates auf deutschem Boden anzuerkennen. Das macht den Ton so bitter und die innerlinke Spaltung so tief. Ohne diese Anerkennung wird aber jeder Neuformulierung einer sozialistischen Zukunftsperspektive schlicht die Glaubwürdigkeit fehlen. Und deshalb ist und bleibt diese Auseinandersetzung aktuell und ist nicht Schnee von gestern, wie einige es gerne möchten. Es ist sehr verdienstvoll, dass die Rote Hilfe dazu einen Beitrag geleistet hat.
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