von David Stein
Die beiden größten deutschen Privatbanken – Deutsche Bank und Commerzbank – haben im März bestätigt, «ergebnisoffen» Sondierungsgespräche über eine mögliche Fusion zu führen.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Sewing, erklärte in diesem Zusammenhang, er habe «Druck aus der Politik» gespürt. Das Bundesfinanzministerium (BMF) dementierte und sprach davon, die Gespräche nur «begleiten» zu wollen. Durch eine Frage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Danyal Bayaz im Bundestag kam jedoch heraus, dass wiederholt Treffen des BMF mit den Spitzen der beiden Banken sowie dem Investor Cerberus stattgefunden haben, der inzwischen eine ganze Reihe europäischer Bankbeteiligungen hält, wo es um eine Fusion ging.
Die Reaktionen in Anlegerkreisen, bei Großaktionären beider Banken, dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung («Fünf Wirtschaftsweise») und in den Medien fielen überwiegend verhalten bis kritisch aus. Sie sehen in einem solchen Schritt keinen Wettbewerbsvorteil, der beide Institute aus der Dauerkrise führen könnte. Die Partei DIE LINKE stellte die Kupplerrolle des Ministeriums in den Mittelpunkt ihrer Kritik: Das Engagement des Bundes müsse, so der Bundestagsabgeordnete de Masi, von den Märkten als implizierte Staatsgarantie verstanden werden, im Krisenfall – wie bereits bei der Commerzbank vor zehn Jahren – mit Staatsgeldern einzuspringen.
Was bringt eine Fusion?
Die Argumente der Befürworter der Fusion, allen voran das BMF, sind fast deckungsgleich mit dem Werben der Politik für eine Fusion der Dresdner Bank mit der Commerzbank im Jahr 2009: Die Konsolidierung des Finanzsektors würde dadurch vorangetrieben, Synergien, insbesondere bei der Informationstechnologie, würden erzeugt und es könnte dadurch ein «nationaler Champion» entstehen, den die große exportorientierte Volkswirtschaft Deutschlands einfach brauche.
Dem widerspricht aber die Industrielobby vehement. Das BMF konnte bisher nicht erklären, warum die Wirtschaft am Mangel global agierender deutscher Banken leide und deshalb einen «nationalen Champion» nötig habe. Die deutsche Wirtschaft findet die nötigen Dienstleistungen auch ohne eine solche Fusion bei Banken kleinerer Größe vor: Handelsfinanzierung, internationalen Zahlungsverkehr und Liquiditätsmanagement bieten diverse deutsche Banken an, wobei die Industrie die Verteilung der Aktivitäten auf mehrere, deutsche – und europäische – Banken und damit Wahlmöglichkeiten vorzieht, die bei einer Fusion geringer ausfallen würden.
Eine Konsolidierung im Finanzsektor ist durch die Fusion von Dresdner und Commerzbank damals nicht eingetreten. Im Gegenteil. Die Altlasten der Dresdner Bank drohten vor zehn Jahren, die Commerzbank in den Untergang mitzureißen. Der deutsche Staat verhinderte dies mit Milliardenspritzen von Steuergeldern. Deshalb ist der Bund bis heute mit 15 Prozent an der Commerzbank beteiligt. Nur der Versicherungskonzern Allianz AG lachte sich damals ins Fäustchen: Er hatte die Dresdner Bank 2001 übernommen, die Risiken in den Büchern schnell erkannt und diese durch den Verkauf an die Commerzbank weitergereicht.
Auch die übrigen, gegenüber der Öffentlichkeit vorgetragenen Argumente für eine Fusion sind heute genausowenig stichhaltig wie damals. Bisher hat die Deutsche Bank die Verschmelzung mit der Postbank im letzten Jahr nicht verdaut. Sie hat nicht zu deren vollständiger Integration und zu Synergieeffekten bei der IT geführt.
Nur ein Fusionsargument ist zutreffend: Kostenreduktion durch Arbeitsplatzabbau. Bei der fusionierten Dresdner Bank wurden damals 20000 Stellen gestrichen. Der Chef der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, der als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt, lehnt eine Fusion deshalb ab. Er rechnet mit der Streichung von 30000 Stellen. Dieser drohende Arbeitsplatzabbau führte bei einzelnen Bundestagsabgeordneten der SPD, deren Finanzminister die Fusion fördert, zu einer in der Psychotherapie bekannten Gespaltenheit und zu zwei Seelen in einer Brust. Sie fordern eine Fusion – allerdings nicht ohne sozialverträglichen Arbeitsplatzbau, d.h. die Quadratur des Kreises.
Was treibt das Ministerium wirklich um?
Beide Banken sind kaum profitabel. Die Börsenschwäche lässt auch Finanzanalysten an ihrer Lage zweifeln. Seit der Finanzkrise haben die Aktien der Deutschen Bank 90 Prozent ihres Börsenwerts verloren. Das frühere Investmentbanking, mit der die Bank ihre Gewinne machte, ist international unattraktiv geworden, weil es im Gefolge der Regulierung nach der Finanzmarktkrise mit mehr Eigenkapital unterlegt werden muss und deshalb nicht mehr profitabel ist.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat jüngst die Deutsche Bank aufgrund ihrer systemischen Risiken als die «gefährlichste Bank der Welt» bezeichnet. Diese Risiken bestehen u.a. in toxischen Derivaten und Beihilfe zur Steuerhinterziehung über die Mithilfe bei der Gründung von Offshore-Gesellschaften und Geldwäsche. Diese Altlasten, für die die Bank weltweit Milliardenstrafen bezahlte, sind bei weitem nicht vollständig abgearbeitet. Immer neue Fälle werden bekannt, so die Verwicklung der Bank in Geldwäscheaktivitäten der Danske Bank und ihrer baltischen Tochtergesellschaften. Dafür hat die Deutsche bisher keinerlei Rückstellungen gebildet, obwohl neue Strafen in den USA drohen.
Die Änderungen in den Anforderungen an internationale Regulierungen werden die Deutsche Bank besonders treffen. Wie sie die zusätzlichen Eigenkapitalanforderungen (Basel III) stemmen will, ist noch vollständig offen, obwohl sich Deutschland im Interesse der Deutschen Bank bei den Verhandlungen um die neuen Standards im Baseler Ausschuss bereits große Mühe gegeben hat, die Eigenkapitalanforderungen durch Zulassung interner Risikomodelle aufzuweichen.
Warum riskiert die Bundesregierung mit der Fusion ein ähnliches Debakel wie aktuell bei der HSH Nordbank, die mit 14 Mrd. Euro aus den Haushalten Hamburgs und Schleswig Holsteins, also mit Steuergeldern, vor dem Kollaps gerettet werden musste? Sind erneut nur Staatsdilettanten am Werk, die nichts von Wirtschaft verstehen, wie der Spiegel mutmaßt? Eine schlichte Erklärung.
Tatsächlich geht beim Bundesfinanzmister die Angst um. Er scheint getrieben zu sein. Denn die Logik der Fusion könnte gerade darin liegen, die Deutsche durch die Commerzbank und deren Staatsanteil zu stabilisieren. Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis dürfte mit seiner Analyse den wahren Gründen auf der Spur sein: Er spricht von der Realisierung eines negativen Goodwill-Ansatzes zur Rettung der Bank über eine Fusion mit Finanztricks und der Schaffung eines Finanzzombies: «Negativer Goodwill ist ein seltsames Konzept, aber es spiegelt die theoretische Möglichkeit wider, eine tote Marke zu einem sehr niedrigen Preis zu kaufen. Die Regeln der Finanzbuchhaltung ermöglichen es, diesen (negativen) Firmenwert als Vermögenswert in den Büchern zu erfassen.»
Der gemeinsame Marktwert der beiden Banken ist sehr viel niedriger als ihr kombinierter geprüfter Wert. Ein Indiz ist der Aktienkurs: Im März 2019 wurden die Aktien der Deutschen Bank zu einem Preis verkauft, der 70 Prozent unter ihrem geprüften Wert liegt. Die Aktien der Commerzbank werden zu einem Preis angeboten, der 66 Prozent niedriger ist als der offizielle geprüfte Wert.
Konkret bedeutet die enorme Abweichung für Varoufakis: «Bei einem Kauf der Commerzbank durch die Deutsche Bank würde diese ein neues, ‹magisches› Vermögen hinzugewinnen: die Differenz zwischen dem Kurs der Commerzbank-Aktie und ihrem geprüften Wert. Da der Marktwert der gemeinsamen Aktien 30 Milliarden Dollar beträgt, würde ein negativer Goodwill von rund 16 Milliarden Dollar auf magische Weise in die Bücher der neuen Bank aufgenommen.»
Für Varoufakis ergibt sich folgendes Szenario: «Die Finanzjongleure sind dabei, 50 Prozent mehr Wert aus dem Nichts zu erschaffen – Geld, das es nicht gibt, das aber dem neuen Vorstand die Möglichkeit geben wird, so zu tun, als wäre die neue Bank gesünder, als sie es tatsächlich ist.» Seiner Meinung nach sieht die deutsche Politik darin eine Chance, die noch immer geschwächten Topbanken – zehn Jahre nach der Finanzkrise – in ein positiveres Licht zu rücken.*
Über den möglichen Zusammenschluss der beiden größten Privatbanken in Deutschland zu einer Zombiebank muss es deshalb eine breite gesellschaftliche Diskussion und politische Einmischung geben – und zwar bevor eine Entscheidung fällt. Es geht mal wieder um viel Steuergeld, wie so oft, wenn kriselnde Banken stabilisiert werden sollen. Die Deutsche Bank muss auch weiterhin kleiner und nicht größer werden und sich gesundschrumpfen. Die Rettung der Deutschen Bank durch eine Fusion wäre pathologische Brandstiftung.
* Siehe dazu seinen Artikel auf www.wallstreet-online.de/nachricht/11339121-bankenfusion-coba-yanis-varoufakis-zombie-finanzbranche.
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