von Michael Sankari
40 Jahre Erfahrung mit dem Arbeitsrecht – Um es gleich vorweg zu nehmen: wir können nur hoffen, dass das Buch von Rolf Geffken zum Standard in jedem Betriebsratsbüro und in jedem Buchregal betriebspolitisch interessierter und Organizer und Aktivisten wird. Wo wir es ganz sicher nicht finden werden, ist in den Stuben professioneller Konfliktabwickler, in den Büros der Versicherungen und den Schreibtischen des DGB-Rechtsschutz im Gewerkschaftshaus (sofern die nicht schon zum Call-Center umstrukturiert wurde) – nötig wäre es dort umso mehr.
Für diejenigen, die sich in die Geschichte der Entwicklung des Arbeitsrechts in den letzten vierzig Jahren einlesen wollen, ist es mehr als eine Einführung, es ist eine Geschichte, geschrieben im Kampf gegen die Vereinfachung der Dialektik von Klassenkampf, wirtschaftlicher und politischer Entwicklung in der BRD – keine einfache Erfolgsstory also, aber auch kein Abgesang, sondern Aufruf, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, die Möglichkeiten, die das deutsche Recht kämpfenden Kernen in Betrieb und Gewerkschaft gewährt, zu ergreifen.
Der Autor zeichnet die neoliberale Entwicklung seit den 70er Jahren nach und zeigt dabei auch, dass über die Fortentwicklung des Rechts die Entwicklung des Kampfs entscheidet, und dies ganz konkret, nichts ist verloren.
An eben diesem Punkt fordert es die LeserInnen, die es im konkreten Konflikt im Betrieb zur Hand nehmen, heraus, sei es im individuellen Konflikt mit dem Ausbeuter oder im Durchsetzen kollektiver Regelungen für ganze Belegschaften oder gar Industrien. Arbeitsrecht ist durch seine Sonderstellung im Rechtssystem eben doch mehr als geschriebenes Recht, es ist die Chance, die wir nutzen können, oder die Begründung, um einen Konflikt nicht einzugehen – Geffken ist im besten Sinne parteiisch und kitzelt heraus, dass es unsere, auch ganz individuelle Verantwortung ist, wie die Geschichte ausgeht. Die Bedingungen des deutschen Arbeitsrechts werden schlechter, sind nicht für uns gemacht und in den letzten Jahrzehnten vielfältig geschliffen worden –, und bieten uns trotzdem weit mehr Spielraum, als wir nutzen. Es wird deutlich, wie sehr es auf uns ankommt, wie sich das Arbeitsrecht und seine Anwendung in den kommenden Jahren entwickelt.
Dabei ist es durchaus ergiebig und unterhaltsam, darin zu schmökern. Alle, auch jene, die sich im Alltag ganz vorne wähnen, was die Rechtsprechung angeht, werden mit jeder Seite aufgeklärter und schlauer. Seine wahren Stärken trumpft das Buch heraus, wenn wir KollegInnen beraten, die mit scheinbar banalen und trockenen Fragen des verrechtlichten Arbeitsalltags zu uns kommen, hier wird uns möglich gemacht, das Konkrete in das Allgemeine einzubetten, in die Geschichte die dahinter steckt, nicht als Märchen von damals, sondern als offene Frage der Zukunft: Wie wollen wir uns im Konflikt stellen? Und in der Mühle der Lohnarbeit ist alles Konflikt, mal offen, mal geleugnet und verdrängt. Die Veröffentlichung ist ein Nachschlagewerk der besten Sorte, mit weiterführenden Web-Links zu den einzelnen Themen, die uns nach einer gut lesbaren und präzisen Einführung in die jeweilige Sachlage animieren, weiter zu forschen, zu verstehen, und auffordern orientiert zu sein, wo die meisten schon die Segel streichen.
Bei der Lektüre wird auch verständlicher, woher Geffkens Wut herrührt, den manche für eine Charakterschwäche halten mögen – es ist das gesunde ungehalten sein über die Abwiegler und Dogmatiker, für die das Arbeitsrecht in Deutschland «so oder so» ist. Und wir mögen an vielen Punkten politisch anderer Meinung sein als der Autor – das ist keine Ausrede, sich dieses Buch nicht sofort zu bestellen und neben den hoffentlich abgegriffenen Handreichungen von Wolfgang Däubler in den Bereich des Bücherregals zu platzieren, der am leichtesten zugänglich ist.
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