von Tim Kühnel*
Am Samstag, dem 6.April, fand in Kassel der zweite bundesweite Ratschlag zum Thema Nulltarif statt. Eingeladen waren verschiedene Initiativen und Organisationen aus Deutschland, die sich mit dem Thema Nulltarif beschäftigen. Die Initiative Nahverkehr für alle aus Kassel organisierte diesen Ratschlag bereits das zweite Mal.
Zu Beginn stellten ausgewählte Initiativen ihre Arbeit vor.
Die Initiative Nahverkehr Kassel kämpft für eine Verkehrswende, den Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr und für die Rücknahme der Einschränkungen, die durch eine neue Liniennetzreform eingetreten sind. Die neue Liniennetzreform war 2015 der Anlass für die Gründung der Initiative in Kassel. Sie arbeitet organisierend, bildet Bündnisse, plant Demonstrationen, sammelt Unterschriften und setzt auch auf alternative Aktionsformen wie z.B. das Dichten eines Liedes. Die Initiative möchte, dass stadtweit Kerne entstehen, die sich in der Umgebung verankern und von denen aus Aktionen stattfinden. Sie beschränkt sich dabei nicht nur auf den Nahverkehr, sondern unterstützt auch den Rad- und Fußverkehr und möchte sich auch mit den Bus- und Tramfahrern verbünden. Ihr Ziel ist die Umsetzung des Nulltarifs bis 2030.
In Tübingen ist man bereits einen Schritt weiter. Durch die Information der Bürger, verschiedene Aktionen und Kampagnen ist das Thema Nulltarif bereits in der Kommunalpolitik angekommen. Es werden immer wieder Anträge eingereicht, doch es gibt keinen sichtbaren Fortschritt. Auch Konzepte zum Nulltarif existieren bereits, werden aber abgelehnt. Ein Antrag auf einen kostenlosen Bus an Samstagen wurde evaluiert. Auch in der Diskussion über ein Schülerticket ist das Thema Nulltarif angekommen. In Tübingen gibt es darüber hinaus den Gedanken eines Mobilitätpasses; in der Umgebung werden die Kosten des Nahverkehrs gesenkt und Mobilitätsapps entwickelt. Der TüBus wird angenommen und als Alternative genutzt. Dieser belebt die Stadt und wird bis 2019 finanziert.
«Bremen einfach einsteigen» arbeitet hingegen mit einem anderen Ansatz. Seit eineinhalb Jahren entwickelt die Initiative ein Konzept, den kostenlosen Nulltarif über eine Umlagefinanzierung zu erreichen, und stellt die ökologischen und sozialen Aspekte in den Vordergrund. Aber auch die wirtschaftlichen Aspekte werden nicht vernachlässigt. Demnach sollen Bürger wie Unternehmen monatlich in den Nahverkehr investieren, damit soll ein Ticket überflüssig werden. Der ÖPNV soll auf diese Weise qualitativ und quantitativ verbessert und ein Umstieg vom Auto auf den Nahverkehr erreicht werden.
In Bremen haben bereits Machbarkeitsprüfungen stattgefunden, die Vorbereitungen für die Umsetzung würden etwa vier Jahre dauern. «Bremen einfach einsteigen» arbeitet nicht protestorientiert und ist parteiunabhängig. Die Initiative leistet konstruktive und professionelle Arbeit und ist auf Umsetzung orientiert. Sie lehnt den steuerfinanzierten Nahverkehr ab, ebenso aktivistische Aktionen wie z.B. Schwarzfahraktionen. Sie planen eine Internationale Fachkonferenz im Jahr 2020.
In der anschließenden Diskussionsrunde stellten auch andere Initiativen kurz ihre Arbeit vor. Gießen bspw. setzt viel auf Aktionen und Kampagnen und schreckt auch vor zivilem Ungehorsam nicht zurück. In Hamburg arbeitet man organisierend und trägt das Thema Nulltarif in die Kommunalpolitik, und auch in Schwerin kämpft man für den Nulltarif.
Auch Politiker der Partei DIE LINKE waren anwesend und berichteten über Diskussionen innerhalb der Partei.
Anschließend an die Vorstellungen und die erste Diskussionsrunde fand eine Arbeitsgruppenphase statt, in der Ergebnisse zu Fragen nach der Strategie, Konzepten und bundesweiter Vernetzung erarbeitet wurden. Sie wurden am Ende in einem Abschlussplenum zusammengetragen. Ziel ist eine bessere bundesweite Zusammenarbeit und Vernetzung, um gemeinsame Kampagnen und Aktionen starten zu können. Auch über eine gemeinsame Website oder Plattform wurde diskutiert, einmal um eine bessere Öffentlichkeitsarbeit zu ermöglichen, aber auch um die interne Kommunikation zu verbessern. Die Idee eines gemeinsamen Aktionstages stand mehrmals im Raum, doch erst einmal möchte man sich vorhandenen Aktionstagen wie z.B. dem «Parking Day»** anschließen und perspektivisch dann den «Tag des Nulltarifs» etablieren. Es wurde ein Koordinierungskreis gegründet, der auf diese Ziele hinarbeiten kann.
Der bundesweite Ratschlag zum Nulltarif 2019 wird nicht der letzte gewesen sein, die Fortsetzung jährlicher Treffen ist ein großer Wunsch der Initiativen. Bis zum nächsten Jahr möchte man sich besser verbinden und auch noch andere Initiativen mit einbinden.
* Der Autor wohnt in Kassel und ist in der Initiative Nahverkehr für alle aktiv.
** Der Park(ing) Day ist ein seit 2005 international jährlich begangener Aktionstag zur Re-Urbanisierung von Innenstädten: In der Regel am dritten Freitag des Septembers werden Parkplätze im öffentlichen Straßenraum modellhaft kurzfristig umgewidmet und einer anderen Nutzung zugeführt: als grüne Oase, Pflanzinsel, Gastronomie- und Sitzfläche, Fahrradabstellfläche usw.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.