von Rolf Euler
Fast zwei Stunden entführt uns der Film Streik in eine Szenerie, die wie aus einer anderen Welt erscheint: ein massiver Arbeitskampf über mehrere Monate in und vor einer Fabrik für Autoteile im französischen Agens.
Streik ist ein spannender, politischer, kritischer und wie ich finde: menschlicher Film aus Frankreich unter der Regie von Stéphane Brizé, wie man ihn sonst vielleicht von Ken Loach kennt. Hautnah an den Aktivisten der Streikfront wird eine Detailgeschichte des globalisierten Kapitalismus vor uns ausgebreitet, ein Arbeitskampf mit allen Höhen und Tiefen, getragen von einer Gruppe von Männern und Frauen, die ihren Arbeitsplatz verteidigen möchten.
Das Werk soll auf Weisung des deutschen Mutterkonzerns geschlossen werden, obwohl wenige Zeit vorher mit der Belegschaft ein Abkommen ausgehandelt wurde, das Lohnkürzungen und Arbeitsplatzsicherheit für fünf Jahre vorsah. Es wird die Empörung der Belegschaft gezeigt; die Wut auf die Geschäftsleitung, aber auch auf die deutsche Chefetage führt zur Arbeitsniederlegung und Besetzung des Werkes.
«Man hat uns verraten, daher trauen wir Worten nicht mehr, der deutsche Konzernchef muss her!» Die französische Werksleitung kann nichts machen, der Minister wird angerufen zur Unterstützung der Forderung nach Sicherung der Arbeitsplätze. Er vertröstet, erklärt mit schönen Worten seine Solidarität, aber keine Taten folgen.
Die Streikenden erhalten in Laurent (gespielt von Vincent Lindon) und Mélanie (Mélanie Rover) Vorbilder, deren Argumente in Versammlungen, in aufgeregten Kleingruppen, in den Treffen mit den Verantwortlichen einfach und klar sind: Wir gehen nicht wieder rein, bis wir die Arbeitsplätze behalten haben.
Dann fängt die Geschäftsleitung an, mit Abfindungsangeboten zur Spaltung der Belegschaft beizutragen. Die Polizei greift massiv ein, als das Tor gesperrt wird. Eine andere Fabrik desselben Konzerns wird besucht, nachts am Feuer wird agitiert, Solidarität in der Stadt und bei den Gewerkschaften organisiert. Das sind Szenen aus der Arbeitswelt, wie sie wohl selten ins Kino kommen. Aber der Spaltpilz in der Streikführung wirkt langsam. Als endlich nach Monaten der deutsche Chef sich zu einer gemeinsamen Sitzung beim stellvertretenden Minister mit der Streikführung trifft, aber keinerlei Zugeständnisse macht, eskaliert die Situation.
Da es keine Streiklösung gibt, gibt ein Teil der Wortführer nun dem Streikführer Laurent und seinen Unterstützern die Schuld, die Belegschaft bricht auseinander. Laurent, dessen Überzeugungsarbeit an den Menschen, aber auch seine vehemente Argumentation gegenüber den Chefs und Politikern immer wieder in Großaufnahme den Film begleitet (ein toller Schaupieler!), dessen Privatleben, in kleinen Szenen gezeigt, auf der Kippe steht, wie auch bei Mélanie, beherrscht noch einmal das traurige Ende des Films. Der furiose Streik und seine Menschen bleiben ein Ausrufezeichen des Widerstands gegen die Kapitalmacht, gegen politische Schaumschlägerei, für solidarische Aktion.
Der Film soll nach wahren Begebenheiten bei einer französischen Tochterfirma des Continental-Konzerns entstanden sein. Das kennen wir hier von der Stilllegung von Nokia oder Opel: die Belegschaftsargumente oder die regionalen Probleme zählen nichts, nur der Profit, der mit anderen Werken gemacht werden soll. Da ist der Film aktuell wie kaum andere.
Das Kirchliche Filmfestival Recklinghausen zeigte Mut, den Film vor dem Start ins Programm zu holen, seit April wird er in Programmkinos gezeigt, denn damit lässt sich wohl anscheinend nicht Kasse machen. Dringende Empfehlung hinzugehen!
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